Nachdem er sich erkundigt, wie sie sich befän- de, und gehöret hatte, daß sie über kurzen Athem klagte, den sie von einer innerlichen Schwachheit, die durch ihre letzte Beunruhigung so wohl von ihren Freunden als von euch befördert worden, herleitete: so rieth er ihr, sich der Luft zu be- dienen.
Was wird mir das helfen, antwortete sie? Sagen sie mir aufrichtig, mein werther Herr, fuhr sie fort, mit einem freudigen Gesichte; sie wissen, daß sie mich dadurch nicht unruhig ma- chen können; sagen sie mir aufrichtig, ob sie itzo nicht die rechte Person eines Arztes annehmen, und, weil sie keine Hoffnung haben, daß irgend etwas in der Arzneykunst mir helfen werde, mich auf die Luft, als die letzte Ausflucht, verweisen? - - Können sie gedenken, daß die Luft in einer solchen Krankheit, als ich habe, helfen werde?
Er schwieg stille.
Jch frage darnach, setzte sie hinzu, damit mei- ne Freunde, welche sich vielleicht nach Verlauf ei- niger Zeit erkundigen werden, was ich für Mit- tel zu meiner Genesung gebraucht habe, versichert werden mögen, daß ich nichts unterlassen, was mir ein so tüchtiger und geschickter Arzt verord- net hat.
Die Luft, gnädige Fräulein, kann vielleicht wider die Schwierigkeit beym Athemhohlen, wel- che sie so neulich befallen hat, helfen.
Allein, mein Herr, sie sehen, wie schwach ich bin. Sie müssen gesehen haben, wie ich von
Tage
Siebenter Theil. M
Nachdem er ſich erkundigt, wie ſie ſich befaͤn- de, und gehoͤret hatte, daß ſie uͤber kurzen Athem klagte, den ſie von einer innerlichen Schwachheit, die durch ihre letzte Beunruhigung ſo wohl von ihren Freunden als von euch befoͤrdert worden, herleitete: ſo rieth er ihr, ſich der Luft zu be- dienen.
Was wird mir das helfen, antwortete ſie? Sagen ſie mir aufrichtig, mein werther Herr, fuhr ſie fort, mit einem freudigen Geſichte; ſie wiſſen, daß ſie mich dadurch nicht unruhig ma- chen koͤnnen; ſagen ſie mir aufrichtig, ob ſie itzo nicht die rechte Perſon eines Arztes annehmen, und, weil ſie keine Hoffnung haben, daß irgend etwas in der Arzneykunſt mir helfen werde, mich auf die Luft, als die letzte Ausflucht, verweiſen? ‒ ‒ Koͤnnen ſie gedenken, daß die Luft in einer ſolchen Krankheit, als ich habe, helfen werde?
Er ſchwieg ſtille.
Jch frage darnach, ſetzte ſie hinzu, damit mei- ne Freunde, welche ſich vielleicht nach Verlauf ei- niger Zeit erkundigen werden, was ich fuͤr Mit- tel zu meiner Geneſung gebraucht habe, verſichert werden moͤgen, daß ich nichts unterlaſſen, was mir ein ſo tuͤchtiger und geſchickter Arzt verord- net hat.
Die Luft, gnaͤdige Fraͤulein, kann vielleicht wider die Schwierigkeit beym Athemhohlen, wel- che ſie ſo neulich befallen hat, helfen.
Allein, mein Herr, ſie ſehen, wie ſchwach ich bin. Sie muͤſſen geſehen haben, wie ich von
Tage
Siebenter Theil. M
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Nachdem er ſich erkundigt, wie ſie ſich befaͤn-
de, und gehoͤret hatte, daß ſie uͤber kurzen Athem
klagte, den ſie von einer innerlichen Schwachheit,
die durch ihre letzte Beunruhigung ſo wohl von
ihren Freunden als von euch befoͤrdert worden,
herleitete: ſo rieth er ihr, ſich der Luft zu be-
dienen.
Was wird mir das helfen, antwortete ſie?
Sagen ſie mir aufrichtig, mein werther Herr,
fuhr ſie fort, mit einem freudigen Geſichte; ſie
wiſſen, daß ſie mich dadurch nicht unruhig ma-
chen koͤnnen; ſagen ſie mir aufrichtig, ob ſie itzo
nicht die rechte Perſon eines Arztes annehmen,
und, weil ſie keine Hoffnung haben, daß irgend
etwas in der Arzneykunſt mir helfen werde, mich
auf die Luft, als die letzte Ausflucht, verweiſen?
‒ ‒ Koͤnnen ſie gedenken, daß die Luft in einer
ſolchen Krankheit, als ich habe, helfen werde?
Er ſchwieg ſtille.
Jch frage darnach, ſetzte ſie hinzu, damit mei-
ne Freunde, welche ſich vielleicht nach Verlauf ei-
niger Zeit erkundigen werden, was ich fuͤr Mit-
tel zu meiner Geneſung gebraucht habe, verſichert
werden moͤgen, daß ich nichts unterlaſſen, was
mir ein ſo tuͤchtiger und geſchickter Arzt verord-
net hat.
Die Luft, gnaͤdige Fraͤulein, kann vielleicht
wider die Schwierigkeit beym Athemhohlen, wel-
che ſie ſo neulich befallen hat, helfen.
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/183>, abgerufen am 23.11.2024.
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