von erwartete, berechtigt gewesen bin. Allein haben sie seinen Brief, mein Herr, in welchem er, wie ich vermuthe, ihnen die Abschrift von dem meinigen ertheilet?
Ja, gnädige Fräulein, ich habe ihn: und darauf zog ich ihn aus meinem Brieffutter. Jch stutzte aber - Ey, mein Herr, seyn sie so gut, sprach sie, und lesen meinen Brief für sich selbst - - Jch verlange seinen nicht zu sehen - - Se- hen sie zu, ob ihnen ein Verstand, der so leicht in die Augen fällt, länger fremd seyn kann.
Jch las ihn für mich selbst. - - Jn Wahr- heit, gnädige Fräulein, ich kann nichts anders da- rinn finden, als daß sie nach Harlowe-Burg ab- gehen werden, um sich mit ihrem Vater und ihren andern Freunden wieder auszusöhnen: und Herr Lovelace vermuthete, daß ein Brief von ihrer Schwester, den er gebracht gesehen, als er in Smi- thens Hause gewesen, ihnen diese angenehme Zei- tung ertheilet hätte.
Darauf erklärte sie mir alles, und das, wie ich sagen mag, mit zwey oder drey Worten - - Es liegt ein geistlicher Verstand darunter. Das ist die Ursache, warum weder ihr, noch ich, ihn haben finden können.
Lesen sie nur, sprach sie, statt meines Vaters Haus, Himmel; und für die Vermittelung mei- nes werthgepriesenen Freundes setzen sie das Mitt- leramt meines Heilandes, auf welches ich mich in Demuth verlasse: so wird alles übrige in dem Briefe erkläret seyn.
Jch
von erwartete, berechtigt geweſen bin. Allein haben ſie ſeinen Brief, mein Herr, in welchem er, wie ich vermuthe, ihnen die Abſchrift von dem meinigen ertheilet?
Ja, gnaͤdige Fraͤulein, ich habe ihn: und darauf zog ich ihn aus meinem Brieffutter. Jch ſtutzte aber ‒ Ey, mein Herr, ſeyn ſie ſo gut, ſprach ſie, und leſen meinen Brief fuͤr ſich ſelbſt ‒ ‒ Jch verlange ſeinen nicht zu ſehen ‒ ‒ Se- hen ſie zu, ob ihnen ein Verſtand, der ſo leicht in die Augen faͤllt, laͤnger fremd ſeyn kann.
Jch las ihn fuͤr mich ſelbſt. ‒ ‒ Jn Wahr- heit, gnaͤdige Fraͤulein, ich kann nichts anders da- rinn finden, als daß ſie nach Harlowe-Burg ab- gehen werden, um ſich mit ihrem Vater und ihren andern Freunden wieder auszuſoͤhnen: und Herr Lovelace vermuthete, daß ein Brief von ihrer Schweſter, den er gebracht geſehen, als er in Smi- thens Hauſe geweſen, ihnen dieſe angenehme Zei- tung ertheilet haͤtte.
Darauf erklaͤrte ſie mir alles, und das, wie ich ſagen mag, mit zwey oder drey Worten ‒ ‒ Es liegt ein geiſtlicher Verſtand darunter. Das iſt die Urſache, warum weder ihr, noch ich, ihn haben finden koͤnnen.
Leſen ſie nur, ſprach ſie, ſtatt meines Vaters Haus, Himmel; und fuͤr die Vermittelung mei- nes werthgeprieſenen Freundes ſetzen ſie das Mitt- leramt meines Heilandes, auf welches ich mich in Demuth verlaſſe: ſo wird alles uͤbrige in dem Briefe erklaͤret ſeyn.
Jch
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von erwartete, berechtigt geweſen bin. Allein
haben ſie ſeinen Brief, mein Herr, in welchem er,
wie ich vermuthe, ihnen die Abſchrift von dem
meinigen ertheilet?
Ja, gnaͤdige Fraͤulein, ich habe ihn: und
darauf zog ich ihn aus meinem Brieffutter. Jch
ſtutzte aber ‒ Ey, mein Herr, ſeyn ſie ſo gut,
ſprach ſie, und leſen meinen Brief fuͤr ſich ſelbſt
‒ ‒ Jch verlange ſeinen nicht zu ſehen ‒ ‒ Se-
hen ſie zu, ob ihnen ein Verſtand, der ſo leicht
in die Augen faͤllt, laͤnger fremd ſeyn kann.
Jch las ihn fuͤr mich ſelbſt. ‒ ‒ Jn Wahr-
heit, gnaͤdige Fraͤulein, ich kann nichts anders da-
rinn finden, als daß ſie nach Harlowe-Burg ab-
gehen werden, um ſich mit ihrem Vater und ihren
andern Freunden wieder auszuſoͤhnen: und Herr
Lovelace vermuthete, daß ein Brief von ihrer
Schweſter, den er gebracht geſehen, als er in Smi-
thens Hauſe geweſen, ihnen dieſe angenehme Zei-
tung ertheilet haͤtte.
Darauf erklaͤrte ſie mir alles, und das, wie
ich ſagen mag, mit zwey oder drey Worten ‒ ‒
Es liegt ein geiſtlicher Verſtand darunter. Das
iſt die Urſache, warum weder ihr, noch ich, ihn
haben finden koͤnnen.
Leſen ſie nur, ſprach ſie, ſtatt meines Vaters
Haus, Himmel; und fuͤr die Vermittelung mei-
nes werthgeprieſenen Freundes ſetzen ſie das Mitt-
leramt meines Heilandes, auf welches ich mich
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Briefe erklaͤret ſeyn.
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/177>, abgerufen am 27.11.2024.
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