Kommt es ihnen nicht ein wenig hart vor, daß ih- nen diese Unruhen so oft und bald nach einander zufallen? Jedoch es sind Liebesdienste: und es gereichet ihrer leutseligen Gesinnung zu einem Ruhme, daß arme Sterbende nicht wissen, wo sie so gut wählen sollen.
Jch gab ihr zu erkennen, daß es mir leid zu hören gewesen, daß sie sich so schlecht befunden hät- te, seit dem ich die Ehre gehabt, ihr aufzuwarten; aber angenehm wäre, zu finden, daß es itzo ein gutes Theil besser mit ihr zu seyn schiene.
Es wird mit elenden Leuten, versetzte sie, bald besser, bald schlimmer seyn, wenn sie zwischen Le- ben und Tod schweben. Allein nicht mehr von diesen Dingen für itzo. Jch hoffe, mein Herr, sie werden sich gefallen lassen, das Frühstück bey mir zu nehmen. Gestern war ich ganz verdries- lich. Jch hatte einen recht bösen Geist auf dem Halse. Nicht wahr, Fr. Smithinn? Aber ich hoffe, ich werde nicht mehr so seyn: und heute bin ich vollkommen munter und vergnügt. Dieser Tag fängt so bey mir an, als wenn er heiter seyn würde.
Sie bat mich, hinaufzugehen und lud auch Herrn Smith, und seine Frau und Fr. Lovick ebenfalls ein, mit ihr zu frühstücken. Mir ge- fiel ihre Munterkeit besser, als ihr Ansehen.
Da die guten Leute nach dem Frühstück weg- gingen: so fiel folgende Unterredung zwischen uns vor.
Erlau-
Kommt es ihnen nicht ein wenig hart vor, daß ih- nen dieſe Unruhen ſo oft und bald nach einander zufallen? Jedoch es ſind Liebesdienſte: und es gereichet ihrer leutſeligen Geſinnung zu einem Ruhme, daß arme Sterbende nicht wiſſen, wo ſie ſo gut waͤhlen ſollen.
Jch gab ihr zu erkennen, daß es mir leid zu hoͤren geweſen, daß ſie ſich ſo ſchlecht befunden haͤt- te, ſeit dem ich die Ehre gehabt, ihr aufzuwarten; aber angenehm waͤre, zu finden, daß es itzo ein gutes Theil beſſer mit ihr zu ſeyn ſchiene.
Es wird mit elenden Leuten, verſetzte ſie, bald beſſer, bald ſchlimmer ſeyn, wenn ſie zwiſchen Le- ben und Tod ſchweben. Allein nicht mehr von dieſen Dingen fuͤr itzo. Jch hoffe, mein Herr, ſie werden ſich gefallen laſſen, das Fruͤhſtuͤck bey mir zu nehmen. Geſtern war ich ganz verdries- lich. Jch hatte einen recht boͤſen Geiſt auf dem Halſe. Nicht wahr, Fr. Smithinn? Aber ich hoffe, ich werde nicht mehr ſo ſeyn: und heute bin ich vollkommen munter und vergnuͤgt. Dieſer Tag faͤngt ſo bey mir an, als wenn er heiter ſeyn wuͤrde.
Sie bat mich, hinaufzugehen und lud auch Herrn Smith, und ſeine Frau und Fr. Lovick ebenfalls ein, mit ihr zu fruͤhſtuͤcken. Mir ge- fiel ihre Munterkeit beſſer, als ihr Anſehen.
Da die guten Leute nach dem Fruͤhſtuͤck weg- gingen: ſo fiel folgende Unterredung zwiſchen uns vor.
Erlau-
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Kommt es ihnen nicht ein wenig hart vor, daß ih-
nen dieſe Unruhen ſo oft und bald nach einander
zufallen? Jedoch es ſind Liebesdienſte: und es
gereichet ihrer leutſeligen Geſinnung zu einem
Ruhme, daß arme Sterbende nicht wiſſen, wo ſie
ſo gut waͤhlen ſollen.
Jch gab ihr zu erkennen, daß es mir leid zu
hoͤren geweſen, daß ſie ſich ſo ſchlecht befunden haͤt-
te, ſeit dem ich die Ehre gehabt, ihr aufzuwarten;
aber angenehm waͤre, zu finden, daß es itzo ein
gutes Theil beſſer mit ihr zu ſeyn ſchiene.
Es wird mit elenden Leuten, verſetzte ſie, bald
beſſer, bald ſchlimmer ſeyn, wenn ſie zwiſchen Le-
ben und Tod ſchweben. Allein nicht mehr von
dieſen Dingen fuͤr itzo. Jch hoffe, mein Herr,
ſie werden ſich gefallen laſſen, das Fruͤhſtuͤck bey
mir zu nehmen. Geſtern war ich ganz verdries-
lich. Jch hatte einen recht boͤſen Geiſt auf dem
Halſe. Nicht wahr, Fr. Smithinn? Aber ich
hoffe, ich werde nicht mehr ſo ſeyn: und heute bin
ich vollkommen munter und vergnuͤgt. Dieſer
Tag faͤngt ſo bey mir an, als wenn er heiter ſeyn
wuͤrde.
Sie bat mich, hinaufzugehen und lud auch
Herrn Smith, und ſeine Frau und Fr. Lovick
ebenfalls ein, mit ihr zu fruͤhſtuͤcken. Mir ge-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/174>, abgerufen am 24.11.2024.
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