ein wenig hart ansehen, daß sie so viele nahe und werthe Freunde am Leben haben sollte, und doch nicht einen, der sich um sie bekümmerte - - Nicht eine alte Bedientinn, nicht eine alte Freundinn, sagte sie, der es erlaubt wäre, zu ihr zu kommen, ohne daß dieselbe versichert seyn müßte, misfällig zu werden; da sie allein, so jung als sie wäre, ein so wichtiges Werk auszuführen, und an alles, was ihre zeitliche Umstände beträfe, bis auf ihr Begräbniß selbst, zu denken und deswegen An- stalten zu machen hätte! - - Keine liebe Mutter, sagte sie, die mit mir bete und mir den Segen er- theile! - - Keine liebreiche Schwester, die mir freundlich zurede und Trost zuspreche! - - Allein es mag seyn, fuhr sie fort: wie weiß ich, ob nicht alles zum Besten diene; - - wofern ich mir die Wege der Fürsehung nur gehörig zu Nutze ma- chen kann? - - Beten sie für mich, Fr. Lovick - - Beten sie für mich, Fr. Smithinn, daß ich es thun möge - - Jch habe ihr Gebeth höchst nöthig. - - Der grausame Mensch hat mich ganz aus meiner Fassung gebracht. Seine Ver- folgungen haben mir eine Quaal zuwege gebracht, die ich eben hier fühle - - Sie legte hierbey die Hand an ihr Herz - - Was für einen Schritt hat er mich zu thun genöthiget, damit ich von ihm frey seyn möchte! - - Wer kann Pech angrei- fen und sich nicht besudeln? Er hat gemacht, glaube ich, daß mich ein böser Geist eingenommen hat - - Er hat sich wider mich gesetzet, mich in allen meinen Pflichten zu stören. Und mir ist
bange,
ein wenig hart anſehen, daß ſie ſo viele nahe und werthe Freunde am Leben haben ſollte, und doch nicht einen, der ſich um ſie bekuͤmmerte ‒ ‒ Nicht eine alte Bedientinn, nicht eine alte Freundinn, ſagte ſie, der es erlaubt waͤre, zu ihr zu kommen, ohne daß dieſelbe verſichert ſeyn muͤßte, misfaͤllig zu werden; da ſie allein, ſo jung als ſie waͤre, ein ſo wichtiges Werk auszufuͤhren, und an alles, was ihre zeitliche Umſtaͤnde betraͤfe, bis auf ihr Begraͤbniß ſelbſt, zu denken und deswegen An- ſtalten zu machen haͤtte! ‒ ‒ Keine liebe Mutter, ſagte ſie, die mit mir bete und mir den Segen er- theile! ‒ ‒ Keine liebreiche Schweſter, die mir freundlich zurede und Troſt zuſpreche! ‒ ‒ Allein es mag ſeyn, fuhr ſie fort: wie weiß ich, ob nicht alles zum Beſten diene; ‒ ‒ wofern ich mir die Wege der Fuͤrſehung nur gehoͤrig zu Nutze ma- chen kann? ‒ ‒ Beten ſie fuͤr mich, Fr. Lovick ‒ ‒ Beten ſie fuͤr mich, Fr. Smithinn, daß ich es thun moͤge ‒ ‒ Jch habe ihr Gebeth hoͤchſt noͤthig. ‒ ‒ Der grauſame Menſch hat mich ganz aus meiner Faſſung gebracht. Seine Ver- folgungen haben mir eine Quaal zuwege gebracht, die ich eben hier fuͤhle ‒ ‒ Sie legte hierbey die Hand an ihr Herz ‒ ‒ Was fuͤr einen Schritt hat er mich zu thun genoͤthiget, damit ich von ihm frey ſeyn moͤchte! ‒ ‒ Wer kann Pech angrei- fen und ſich nicht beſudeln? Er hat gemacht, glaube ich, daß mich ein boͤſer Geiſt eingenommen hat ‒ ‒ Er hat ſich wider mich geſetzet, mich in allen meinen Pflichten zu ſtoͤren. Und mir iſt
bange,
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ein wenig hart anſehen, daß ſie ſo viele nahe und
werthe Freunde am Leben haben ſollte, und doch
nicht einen, der ſich um ſie bekuͤmmerte ‒ ‒ Nicht
eine alte Bedientinn, nicht eine alte Freundinn,
ſagte ſie, der es erlaubt waͤre, zu ihr zu kommen,
ohne daß dieſelbe verſichert ſeyn muͤßte, misfaͤllig
zu werden; da ſie allein, ſo jung als ſie waͤre, ein
ſo wichtiges Werk auszufuͤhren, und an alles,
was ihre zeitliche Umſtaͤnde betraͤfe, bis auf ihr
Begraͤbniß ſelbſt, zu denken und deswegen An-
ſtalten zu machen haͤtte! ‒ ‒ Keine liebe Mutter,
ſagte ſie, die mit mir bete und mir den Segen er-
theile! ‒ ‒ Keine liebreiche Schweſter, die mir
freundlich zurede und Troſt zuſpreche! ‒ ‒ Allein
es mag ſeyn, fuhr ſie fort: wie weiß ich, ob nicht
alles zum Beſten diene; ‒ ‒ wofern ich mir die
Wege der Fuͤrſehung nur gehoͤrig zu Nutze ma-
chen kann? ‒ ‒ Beten ſie fuͤr mich, Fr. Lovick
‒ ‒ Beten ſie fuͤr mich, Fr. Smithinn, daß ich
es thun moͤge ‒ ‒ Jch habe ihr Gebeth hoͤchſt
noͤthig. ‒ ‒ Der grauſame Menſch hat mich
ganz aus meiner Faſſung gebracht. Seine Ver-
folgungen haben mir eine Quaal zuwege gebracht,
die ich eben hier fuͤhle ‒ ‒ Sie legte hierbey die
Hand an ihr Herz ‒ ‒ Was fuͤr einen Schritt
hat er mich zu thun genoͤthiget, damit ich von ihm
frey ſeyn moͤchte! ‒ ‒ Wer kann Pech angrei-
fen und ſich nicht beſudeln? Er hat gemacht,
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hat ‒ ‒ Er hat ſich wider mich geſetzet, mich in
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/170>, abgerufen am 27.11.2024.
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