ja bis zur Anbetung geliebet zu werden: da Sie um der Ehre und Tugend willen eine Leidenschaft überwältigen können, welche gemeine Gemüther; ich spreche aus grausamer Erfahrung; unüber- windlich befinden; und dieß noch dazu zu einer Zeit, da der scheusliche Mensch, welcher Sie be- leidigt hat, vor Jhnen knieet, und wie ich wohl versichert bin, fußfällig um Vergebung bittet, gleichwie alle seine Freunde ebenfalls inständigst für ihn bitten.
Daß Sie ihm nicht vergeben, nicht so verge- ben können, daß Sie ihn wieder gewogen anneh- men sollten, ist kein Wunder. Seine Beleidi- gung läuft wider die Tugend: diese ist ein Theil von Jhrem Wesen. - - Was für Großmuth ist dieß! Wie gerecht sind Sie gegen Sich selbst, und gegen Jhre unbefleckte Gemüthsart! Jst es ein Verdienst, eine Person von so erhöheter Ein- sicht mehr als jemals zu bewundern? Nein es ist keines. Jch kann daraus keinen Grund für mich nehmen.
Was für Hoffnung habe ich übrig, mag man sagen, nachdem mein Antrag schon vormals ver- worfen ist: da nun Jhr Leiden, welches Sie so edelmüthig getragen haben, bey allen tüchti- gen Richtern die gute Meynung von Jhrer Gemüthsart erhöhet hat? Gleichwohl, gnädige Fräulein, habe ich mich in einem Stücke zu rüh- men. Jhre Freunde, welche Sie nicht von der rechten Seite, wie ich, ansehen, verfolgen und ver- bannen Sie. Jhr Vermögen und Jhr Gut wird
Jhnen
K 2
ja bis zur Anbetung geliebet zu werden: da Sie um der Ehre und Tugend willen eine Leidenſchaft uͤberwaͤltigen koͤnnen, welche gemeine Gemuͤther; ich ſpreche aus grauſamer Erfahrung; unuͤber- windlich befinden; und dieß noch dazu zu einer Zeit, da der ſcheusliche Menſch, welcher Sie be- leidigt hat, vor Jhnen knieet, und wie ich wohl verſichert bin, fußfaͤllig um Vergebung bittet, gleichwie alle ſeine Freunde ebenfalls inſtaͤndigſt fuͤr ihn bitten.
Daß Sie ihm nicht vergeben, nicht ſo verge- ben koͤnnen, daß Sie ihn wieder gewogen anneh- men ſollten, iſt kein Wunder. Seine Beleidi- gung laͤuft wider die Tugend: dieſe iſt ein Theil von Jhrem Weſen. ‒ ‒ Was fuͤr Großmuth iſt dieß! Wie gerecht ſind Sie gegen Sich ſelbſt, und gegen Jhre unbefleckte Gemuͤthsart! Jſt es ein Verdienſt, eine Perſon von ſo erhoͤheter Ein- ſicht mehr als jemals zu bewundern? Nein es iſt keines. Jch kann daraus keinen Grund fuͤr mich nehmen.
Was fuͤr Hoffnung habe ich uͤbrig, mag man ſagen, nachdem mein Antrag ſchon vormals ver- worfen iſt: da nun Jhr Leiden, welches Sie ſo edelmuͤthig getragen haben, bey allen tuͤchti- gen Richtern die gute Meynung von Jhrer Gemuͤthsart erhoͤhet hat? Gleichwohl, gnaͤdige Fraͤulein, habe ich mich in einem Stuͤcke zu ruͤh- men. Jhre Freunde, welche Sie nicht von der rechten Seite, wie ich, anſehen, verfolgen und ver- bannen Sie. Jhr Vermoͤgen und Jhr Gut wird
Jhnen
K 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0153"n="147"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
ja bis zur Anbetung geliebet zu werden: da Sie<lb/>
um der Ehre und Tugend willen eine Leidenſchaft<lb/>
uͤberwaͤltigen koͤnnen, welche gemeine Gemuͤther;<lb/>
ich ſpreche aus grauſamer Erfahrung; unuͤber-<lb/>
windlich befinden; und dieß noch dazu zu einer<lb/>
Zeit, da der ſcheusliche Menſch, welcher Sie be-<lb/>
leidigt hat, vor Jhnen knieet, und wie ich wohl<lb/>
verſichert bin, fußfaͤllig um Vergebung bittet,<lb/>
gleichwie alle ſeine Freunde ebenfalls inſtaͤndigſt<lb/>
fuͤr ihn bitten.</p><lb/><p>Daß Sie ihm nicht vergeben, nicht ſo verge-<lb/>
ben koͤnnen, daß Sie ihn wieder gewogen anneh-<lb/>
men ſollten, iſt kein Wunder. Seine Beleidi-<lb/>
gung laͤuft wider die Tugend: dieſe iſt ein Theil<lb/>
von Jhrem Weſen. ‒‒ Was fuͤr Großmuth iſt<lb/>
dieß! Wie gerecht ſind Sie gegen Sich ſelbſt,<lb/>
und gegen Jhre unbefleckte Gemuͤthsart! Jſt es<lb/>
ein Verdienſt, eine Perſon von ſo erhoͤheter Ein-<lb/>ſicht mehr als jemals zu bewundern? Nein es iſt<lb/>
keines. Jch kann daraus keinen Grund fuͤr mich<lb/>
nehmen.</p><lb/><p>Was fuͤr Hoffnung habe ich uͤbrig, mag man<lb/>ſagen, nachdem mein Antrag ſchon <hirendition="#fr">vormals</hi> ver-<lb/>
worfen iſt: da nun Jhr Leiden, welches Sie ſo<lb/><hirendition="#fr">edelmuͤthig getragen</hi> haben, bey allen <hirendition="#fr">tuͤchti-<lb/>
gen Richtern</hi> die gute Meynung von Jhrer<lb/>
Gemuͤthsart erhoͤhet hat? Gleichwohl, gnaͤdige<lb/>
Fraͤulein, habe ich mich in einem Stuͤcke zu ruͤh-<lb/>
men. Jhre Freunde, welche Sie nicht von der<lb/>
rechten Seite, wie ich, anſehen, verfolgen und ver-<lb/>
bannen Sie. Jhr Vermoͤgen und Jhr Gut wird<lb/><fwplace="bottom"type="sig">K 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">Jhnen</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[147/0153]
ja bis zur Anbetung geliebet zu werden: da Sie
um der Ehre und Tugend willen eine Leidenſchaft
uͤberwaͤltigen koͤnnen, welche gemeine Gemuͤther;
ich ſpreche aus grauſamer Erfahrung; unuͤber-
windlich befinden; und dieß noch dazu zu einer
Zeit, da der ſcheusliche Menſch, welcher Sie be-
leidigt hat, vor Jhnen knieet, und wie ich wohl
verſichert bin, fußfaͤllig um Vergebung bittet,
gleichwie alle ſeine Freunde ebenfalls inſtaͤndigſt
fuͤr ihn bitten.
Daß Sie ihm nicht vergeben, nicht ſo verge-
ben koͤnnen, daß Sie ihn wieder gewogen anneh-
men ſollten, iſt kein Wunder. Seine Beleidi-
gung laͤuft wider die Tugend: dieſe iſt ein Theil
von Jhrem Weſen. ‒ ‒ Was fuͤr Großmuth iſt
dieß! Wie gerecht ſind Sie gegen Sich ſelbſt,
und gegen Jhre unbefleckte Gemuͤthsart! Jſt es
ein Verdienſt, eine Perſon von ſo erhoͤheter Ein-
ſicht mehr als jemals zu bewundern? Nein es iſt
keines. Jch kann daraus keinen Grund fuͤr mich
nehmen.
Was fuͤr Hoffnung habe ich uͤbrig, mag man
ſagen, nachdem mein Antrag ſchon vormals ver-
worfen iſt: da nun Jhr Leiden, welches Sie ſo
edelmuͤthig getragen haben, bey allen tuͤchti-
gen Richtern die gute Meynung von Jhrer
Gemuͤthsart erhoͤhet hat? Gleichwohl, gnaͤdige
Fraͤulein, habe ich mich in einem Stuͤcke zu ruͤh-
men. Jhre Freunde, welche Sie nicht von der
rechten Seite, wie ich, anſehen, verfolgen und ver-
bannen Sie. Jhr Vermoͤgen und Jhr Gut wird
Jhnen
K 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/153>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.