männlicher verhalten hat, als einer von euch beyden.
Aber Mowbray, antwortete der arme Kerl, diese elenden Leute haben keine solche Schwachhei- ten des Leibes gehabt, als ich lange ausgestanden habe, ihre Gemüther zu entkräften. Du bist ein ärgerlicher harter Kerl, und bist es allezeit gewe- sen. Allein daß ich mich in diesen schweren Stunden an nichts erinnern kann, als was mir zu einem strafbaren Vorwurf gereichet, und doch weiß, daß ich es nicht lange halten könne, und was mein Schicksal alsdenn seyn möge, wo - - Hier brach er selbst ab und wandte sich zu mir - - Aber gönne mir dein Mitleiden, Bruder! Das ist ein Balsam für meine verwundete Seele. Laß Mowbray sitzen, und bey der Quaal eines ster- benden Freundes gleichgültig genug seyn, über uns beyde zu lachen.
Hierauf gieng der verhärtete Kerl von uns weg, mit der Miene eines Lovelacens: nur weit träumerischer; indem er gähnte und sich streckte, statt ein Liedlein zu singen, wie du in Smithens Hause gethan hast.
Jch half den armen Mann zu Bette bringen. Er war so schwach und matt, daß er die Be- schwerde nicht aushalten konnte und in Ohnmacht fiel. Jch dachte in Wahrheit, er wäre ganz weg. Weil er sich aber wieder erholte, und der Arzt, welcher eben kam, verordnete, ihn ruhen zu lassen: so entfernte ich mich, und kam zu Mow- bray in den Garten; welcher mehr Vergnügen
fand,
maͤnnlicher verhalten hat, als einer von euch beyden.
Aber Mowbray, antwortete der arme Kerl, dieſe elenden Leute haben keine ſolche Schwachhei- ten des Leibes gehabt, als ich lange ausgeſtanden habe, ihre Gemuͤther zu entkraͤften. Du biſt ein aͤrgerlicher harter Kerl, und biſt es allezeit gewe- ſen. Allein daß ich mich in dieſen ſchweren Stunden an nichts erinnern kann, als was mir zu einem ſtrafbaren Vorwurf gereichet, und doch weiß, daß ich es nicht lange halten koͤnne, und was mein Schickſal alsdenn ſeyn moͤge, wo ‒ ‒ Hier brach er ſelbſt ab und wandte ſich zu mir ‒ ‒ Aber goͤnne mir dein Mitleiden, Bruder! Das iſt ein Balſam fuͤr meine verwundete Seele. Laß Mowbray ſitzen, und bey der Quaal eines ſter- benden Freundes gleichguͤltig genug ſeyn, uͤber uns beyde zu lachen.
Hierauf gieng der verhaͤrtete Kerl von uns weg, mit der Miene eines Lovelacens: nur weit traͤumeriſcher; indem er gaͤhnte und ſich ſtreckte, ſtatt ein Liedlein zu ſingen, wie du in Smithens Hauſe gethan haſt.
Jch half den armen Mann zu Bette bringen. Er war ſo ſchwach und matt, daß er die Be- ſchwerde nicht aushalten konnte und in Ohnmacht fiel. Jch dachte in Wahrheit, er waͤre ganz weg. Weil er ſich aber wieder erholte, und der Arzt, welcher eben kam, verordnete, ihn ruhen zu laſſen: ſo entfernte ich mich, und kam zu Mow- bray in den Garten; welcher mehr Vergnuͤgen
fand,
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[8/0014]
maͤnnlicher verhalten hat, als einer von euch
beyden.
Aber Mowbray, antwortete der arme Kerl,
dieſe elenden Leute haben keine ſolche Schwachhei-
ten des Leibes gehabt, als ich lange ausgeſtanden
habe, ihre Gemuͤther zu entkraͤften. Du biſt ein
aͤrgerlicher harter Kerl, und biſt es allezeit gewe-
ſen. Allein daß ich mich in dieſen ſchweren
Stunden an nichts erinnern kann, als was mir zu
einem ſtrafbaren Vorwurf gereichet, und doch
weiß, daß ich es nicht lange halten koͤnne, und
was mein Schickſal alsdenn ſeyn moͤge, wo ‒ ‒
Hier brach er ſelbſt ab und wandte ſich zu mir ‒ ‒
Aber goͤnne mir dein Mitleiden, Bruder! Das
iſt ein Balſam fuͤr meine verwundete Seele. Laß
Mowbray ſitzen, und bey der Quaal eines ſter-
benden Freundes gleichguͤltig genug ſeyn, uͤber uns
beyde zu lachen.
Hierauf gieng der verhaͤrtete Kerl von uns
weg, mit der Miene eines Lovelacens: nur weit
traͤumeriſcher; indem er gaͤhnte und ſich ſtreckte,
ſtatt ein Liedlein zu ſingen, wie du in Smithens
Hauſe gethan haſt.
Jch half den armen Mann zu Bette bringen.
Er war ſo ſchwach und matt, daß er die Be-
ſchwerde nicht aushalten konnte und in Ohnmacht
fiel. Jch dachte in Wahrheit, er waͤre ganz
weg. Weil er ſich aber wieder erholte, und der
Arzt, welcher eben kam, verordnete, ihn ruhen zu
laſſen: ſo entfernte ich mich, und kam zu Mow-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/14>, abgerufen am 23.11.2024.
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