Jch bin versichert, daß Sie Jhren künftigen Gemahl nicht in der Absicht mit Sich auf die kleine Jnsel genommen, damit Sie ihn denen von Jhren Verwandten, welche ihn vorher niemals gesehen hatten, als schwach und einfältig vorstel- len möchten. Halten Sie es aber wohl für mög- lich, daß dieselben, so sehr sie auch vorbereitet und entschlossen seyn mögen, ein Wohlgefallen an ihm zu finden, sich enthalten können, über ihn zu la- chen, wenn sie ihn unter Jhren wunderlichen Büßungen leidend sehen? Ein bescheidner Mensch sollte eben so wenig in seinen eignen, als in anderer Leute Augen, erniedrigt werden. Geschieht es: so wird er ein Mistrauen gegen sich selbst fassen, welches allen Dingen, die er sagt, oder thut, ein ungeschicktes Ansehen geben wird. Dieses aber wird so wenig Jhrer Wahl, als dem Beyfall, welchen er bey Jhren Freunden findet, oder ihm selbst, zur Ehre gereichen.
Jch liebe ein gefälliges und so gar ein demü- thiges Bezeigen an einer Mannsperson gegen das Frauenzimmer, an welches er sich wendet. Es ist ein Zeichen seiner feinen Art der Aufführung, und dienet, ihr diejenige Meynung von sich selbst beyzubringen, welche, wie man vermuthen mag, einer bescheidenen Person von Verdiensten einge- flößet werden muß. Allein wenn das Frauen- zimmer es mit Ungestüm fordert: so zeigt sie an sich selbst weder eine feine Art zu leben, noch eine Dankbarkeit; ob ich gleich gestehen muß, daß sie ihren Muth sehen lässet. Jch habe Jhnen vor-
aus-
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Jch bin verſichert, daß Sie Jhren kuͤnftigen Gemahl nicht in der Abſicht mit Sich auf die kleine Jnſel genommen, damit Sie ihn denen von Jhren Verwandten, welche ihn vorher niemals geſehen hatten, als ſchwach und einfaͤltig vorſtel- len moͤchten. Halten Sie es aber wohl fuͤr moͤg- lich, daß dieſelben, ſo ſehr ſie auch vorbereitet und entſchloſſen ſeyn moͤgen, ein Wohlgefallen an ihm zu finden, ſich enthalten koͤnnen, uͤber ihn zu la- chen, wenn ſie ihn unter Jhren wunderlichen Buͤßungen leidend ſehen? Ein beſcheidner Menſch ſollte eben ſo wenig in ſeinen eignen, als in anderer Leute Augen, erniedrigt werden. Geſchieht es: ſo wird er ein Mistrauen gegen ſich ſelbſt faſſen, welches allen Dingen, die er ſagt, oder thut, ein ungeſchicktes Anſehen geben wird. Dieſes aber wird ſo wenig Jhrer Wahl, als dem Beyfall, welchen er bey Jhren Freunden findet, oder ihm ſelbſt, zur Ehre gereichen.
Jch liebe ein gefaͤlliges und ſo gar ein demuͤ- thiges Bezeigen an einer Mannsperſon gegen das Frauenzimmer, an welches er ſich wendet. Es iſt ein Zeichen ſeiner feinen Art der Auffuͤhrung, und dienet, ihr diejenige Meynung von ſich ſelbſt beyzubringen, welche, wie man vermuthen mag, einer beſcheidenen Perſon von Verdienſten einge- floͤßet werden muß. Allein wenn das Frauen- zimmer es mit Ungeſtuͤm fordert: ſo zeigt ſie an ſich ſelbſt weder eine feine Art zu leben, noch eine Dankbarkeit; ob ich gleich geſtehen muß, daß ſie ihren Muth ſehen laͤſſet. Jch habe Jhnen vor-
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Jch bin verſichert, daß Sie Jhren kuͤnftigen
Gemahl nicht in der Abſicht mit Sich auf die
kleine Jnſel genommen, damit Sie ihn denen von
Jhren Verwandten, welche ihn vorher niemals
geſehen hatten, als ſchwach und einfaͤltig vorſtel-
len moͤchten. Halten Sie es aber wohl fuͤr moͤg-
lich, daß dieſelben, ſo ſehr ſie auch vorbereitet und
entſchloſſen ſeyn moͤgen, ein Wohlgefallen an ihm
zu finden, ſich enthalten koͤnnen, uͤber ihn zu la-
chen, wenn ſie ihn unter Jhren wunderlichen
Buͤßungen leidend ſehen? Ein beſcheidner
Menſch ſollte eben ſo wenig in ſeinen eignen, als
in anderer Leute Augen, erniedrigt werden.
Geſchieht es: ſo wird er ein Mistrauen gegen
ſich ſelbſt faſſen, welches allen Dingen, die er ſagt,
oder thut, ein ungeſchicktes Anſehen geben wird.
Dieſes aber wird ſo wenig Jhrer Wahl, als dem
Beyfall, welchen er bey Jhren Freunden findet,
oder ihm ſelbſt, zur Ehre gereichen.
Jch liebe ein gefaͤlliges und ſo gar ein demuͤ-
thiges Bezeigen an einer Mannsperſon gegen das
Frauenzimmer, an welches er ſich wendet. Es
iſt ein Zeichen ſeiner feinen Art der Auffuͤhrung,
und dienet, ihr diejenige Meynung von ſich ſelbſt
beyzubringen, welche, wie man vermuthen mag,
einer beſcheidenen Perſon von Verdienſten einge-
floͤßet werden muß. Allein wenn das Frauen-
zimmer es mit Ungeſtuͤm fordert: ſo zeigt ſie an
ſich ſelbſt weder eine feine Art zu leben, noch eine
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/139>, abgerufen am 04.12.2024.
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