ich für ein ganzes Jahr bezahlen, und es den Augenblick wieder räumen, wenn ich mit ihr ge- sprochen hätte. Aber sie baten um Entschuldi- gung, und sagten, sie wären versichert, daß die Fräulein nicht eher zu Hause kommen würde, bis ich wegwäre, wenn es auch einen Monath dauren sollte.
Dieß gefiel mir. Denn ich befand hiedurch, daß sie die Fraülein nicht für so gar krank hiel- ten, als sie mich gern überreden wollten. Jch sagte aber nicht ein Wort von diesem Wink, der ihnen aus Versehen entfahren war: weil ich nicht machen wollte, daß sie gegen mehrere derglei- chen auf ihrer Huth seyn möchten.
Kurz, ich erklärte mich, daß ich sie sehen müßte und wollte: daß es aber mit aller Hoch- achtung und Ehrfurcht geschehen sollte, die nur irgend ein Herz so unvergleichlichen Vorzügen, als sie an sich hätte beweisen könnte. Jch wollte, setzte ich hinzu, alle Kirchen in London und West- minster, wo Bethstunden oder Gottesdienst wä- re, von dem Aufgange der Sonnen bis zu ihrem Untergange, nach der Reihe besuchen, und wie ein Gespenst um ihr Haus herumgehen: bis ich die Gelegenheit fände, nach der sich meine See- le sehnte.
Dieß, bat ich sie, ihr zu sagen: und so en- digte sich unsere ernsthafte Unterredung.
Jch nahm Abschied von ihnen, und ging hinunter. Jndem ich in meine Sänfte trat, be-
fahl
G g g 3
ich fuͤr ein ganzes Jahr bezahlen, und es den Augenblick wieder raͤumen, wenn ich mit ihr ge- ſprochen haͤtte. Aber ſie baten um Entſchuldi- gung, und ſagten, ſie waͤren verſichert, daß die Fraͤulein nicht eher zu Hauſe kommen wuͤrde, bis ich wegwaͤre, wenn es auch einen Monath dauren ſollte.
Dieß gefiel mir. Denn ich befand hiedurch, daß ſie die Frauͤlein nicht fuͤr ſo gar krank hiel- ten, als ſie mich gern uͤberreden wollten. Jch ſagte aber nicht ein Wort von dieſem Wink, der ihnen aus Verſehen entfahren war: weil ich nicht machen wollte, daß ſie gegen mehrere derglei- chen auf ihrer Huth ſeyn moͤchten.
Kurz, ich erklaͤrte mich, daß ich ſie ſehen muͤßte und wollte: daß es aber mit aller Hoch- achtung und Ehrfurcht geſchehen ſollte, die nur irgend ein Herz ſo unvergleichlichen Vorzuͤgen, als ſie an ſich haͤtte beweiſen koͤnnte. Jch wollte, ſetzte ich hinzu, alle Kirchen in London und Weſt- minſter, wo Bethſtunden oder Gottesdienſt waͤ- re, von dem Aufgange der Sonnen bis zu ihrem Untergange, nach der Reihe beſuchen, und wie ein Geſpenſt um ihr Haus herumgehen: bis ich die Gelegenheit faͤnde, nach der ſich meine See- le ſehnte.
Dieß, bat ich ſie, ihr zu ſagen: und ſo en- digte ſich unſere ernſthafte Unterredung.
Jch nahm Abſchied von ihnen, und ging hinunter. Jndem ich in meine Saͤnfte trat, be-
fahl
G g g 3
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0841"n="835"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
ich fuͤr ein ganzes Jahr bezahlen, und es den<lb/>
Augenblick wieder raͤumen, wenn ich mit ihr ge-<lb/>ſprochen haͤtte. Aber ſie baten um Entſchuldi-<lb/>
gung, und ſagten, ſie waͤren verſichert, daß<lb/>
die Fraͤulein nicht eher zu Hauſe kommen wuͤrde,<lb/>
bis ich wegwaͤre, wenn es auch einen <hirendition="#fr">Monath</hi><lb/>
dauren ſollte.</p><lb/><p>Dieß gefiel mir. Denn ich befand hiedurch,<lb/>
daß ſie die Frauͤlein nicht fuͤr ſo gar krank hiel-<lb/>
ten, als ſie mich gern uͤberreden wollten. Jch<lb/>ſagte aber nicht ein Wort von dieſem Wink, der<lb/>
ihnen aus Verſehen entfahren war: weil ich nicht<lb/>
machen wollte, daß ſie gegen mehrere derglei-<lb/>
chen auf ihrer Huth ſeyn moͤchten.</p><lb/><p>Kurz, ich erklaͤrte mich, daß ich ſie ſehen<lb/><hirendition="#fr">muͤßte</hi> und <hirendition="#fr">wollte:</hi> daß es aber mit aller Hoch-<lb/>
achtung und Ehrfurcht geſchehen ſollte, die nur<lb/>
irgend ein Herz ſo unvergleichlichen Vorzuͤgen, als<lb/>ſie an ſich haͤtte beweiſen koͤnnte. Jch wollte,<lb/>ſetzte ich hinzu, alle Kirchen in London und Weſt-<lb/>
minſter, wo Bethſtunden oder Gottesdienſt waͤ-<lb/>
re, von dem Aufgange der Sonnen bis zu ihrem<lb/>
Untergange, nach der Reihe beſuchen, und wie<lb/>
ein Geſpenſt um ihr Haus herumgehen: bis ich<lb/>
die Gelegenheit faͤnde, nach der ſich meine See-<lb/>
le ſehnte.</p><lb/><p>Dieß, bat ich ſie, ihr zu ſagen: und ſo en-<lb/>
digte ſich unſere ernſthafte Unterredung.</p><lb/><p>Jch nahm Abſchied von ihnen, und ging<lb/>
hinunter. Jndem ich in meine Saͤnfte trat, be-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">G g g 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">fahl</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[835/0841]
ich fuͤr ein ganzes Jahr bezahlen, und es den
Augenblick wieder raͤumen, wenn ich mit ihr ge-
ſprochen haͤtte. Aber ſie baten um Entſchuldi-
gung, und ſagten, ſie waͤren verſichert, daß
die Fraͤulein nicht eher zu Hauſe kommen wuͤrde,
bis ich wegwaͤre, wenn es auch einen Monath
dauren ſollte.
Dieß gefiel mir. Denn ich befand hiedurch,
daß ſie die Frauͤlein nicht fuͤr ſo gar krank hiel-
ten, als ſie mich gern uͤberreden wollten. Jch
ſagte aber nicht ein Wort von dieſem Wink, der
ihnen aus Verſehen entfahren war: weil ich nicht
machen wollte, daß ſie gegen mehrere derglei-
chen auf ihrer Huth ſeyn moͤchten.
Kurz, ich erklaͤrte mich, daß ich ſie ſehen
muͤßte und wollte: daß es aber mit aller Hoch-
achtung und Ehrfurcht geſchehen ſollte, die nur
irgend ein Herz ſo unvergleichlichen Vorzuͤgen, als
ſie an ſich haͤtte beweiſen koͤnnte. Jch wollte,
ſetzte ich hinzu, alle Kirchen in London und Weſt-
minſter, wo Bethſtunden oder Gottesdienſt waͤ-
re, von dem Aufgange der Sonnen bis zu ihrem
Untergange, nach der Reihe beſuchen, und wie
ein Geſpenſt um ihr Haus herumgehen: bis ich
die Gelegenheit faͤnde, nach der ſich meine See-
le ſehnte.
Dieß, bat ich ſie, ihr zu ſagen: und ſo en-
digte ſich unſere ernſthafte Unterredung.
Jch nahm Abſchied von ihnen, und ging
hinunter. Jndem ich in meine Saͤnfte trat, be-
fahl
G g g 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 835. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/841>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.