ist es ein Verbrechen an mir, daß ich sie zu hey- rathen wünsche? Würde wohl irgend ein anderes Frauenzimmer so gedenken, und lieber ein Peli- kan in der Wildniß oder ein verlassener Sper- ling auf dem Giebel werden, als einen Gat- ten haben, der alle Tage und Nächte um sie her- um zwitschern würde?
Sie sagt, sie habe Asche gegessen wie Brodt - - Ein wunderliches Versehen in Wahr- heit! - - und ihren Trank mit Weinen ge- menget - - Liebe schwärmerische Seele! wür- de ich von einem jeden sagen, der dieß bekennete, nur nicht von der Fräulein Harlowe.
Sie beschließet mit dem Gebeth, daß das Verlangen des Gottlosen; ich fürchte, sie meynt mich armen; nicht erfüllet, daß meine Anschläge nicht gefördert werden, damit ich mich nicht selbst erhübe. - - Jch würde mich ohne Zweifel erheben, und zwar mit Grun- de: wenn ich durch eine solche Frau geehret und beglückt werden könnte. Hat aber mein Verlan- gen einen so löblichen Zweck: so weiß ich nicht, warum ich gottlos genannt und meine rühmli- che Anschläge nicht gefördert werden sollten, damit ich mich selbst erheben möge.
Aber hier, Fr. Lovick, erlauben sie mir zu fragen, da sonder Zweifel mit dem verlaßenen Sperlinge auf dem Giebel etwas gemeynt wird: Jst die liebe Fräulein nicht eben itzo, sagen sie
mir
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iſt es ein Verbrechen an mir, daß ich ſie zu hey- rathen wuͤnſche? Wuͤrde wohl irgend ein anderes Frauenzimmer ſo gedenken, und lieber ein Peli- kan in der Wildniß oder ein verlaſſener Sper- ling auf dem Giebel werden, als einen Gat- ten haben, der alle Tage und Naͤchte um ſie her- um zwitſchern wuͤrde?
Sie ſagt, ſie habe Aſche gegeſſen wie Brodt ‒ ‒ Ein wunderliches Verſehen in Wahr- heit! ‒ ‒ und ihren Trank mit Weinen ge- menget ‒ ‒ Liebe ſchwaͤrmeriſche Seele! wuͤr- de ich von einem jeden ſagen, der dieß bekennete, nur nicht von der Fraͤulein Harlowe.
Sie beſchließet mit dem Gebeth, daß das Verlangen des Gottloſen; ich fuͤrchte, ſie meynt mich armen; nicht erfuͤllet, daß meine Anſchlaͤge nicht gefoͤrdert werden, damit ich mich nicht ſelbſt erhuͤbe. ‒ ‒ Jch wuͤrde mich ohne Zweifel erheben, und zwar mit Grun- de: wenn ich durch eine ſolche Frau geehret und begluͤckt werden koͤnnte. Hat aber mein Verlan- gen einen ſo loͤblichen Zweck: ſo weiß ich nicht, warum ich gottlos genannt und meine ruͤhmli- che Anſchlaͤge nicht gefoͤrdert werden ſollten, damit ich mich ſelbſt erheben moͤge.
Aber hier, Fr. Lovick, erlauben ſie mir zu fragen, da ſonder Zweifel mit dem verlaßenen Sperlinge auf dem Giebel etwas gemeynt wird: Jſt die liebe Fraͤulein nicht eben itzo, ſagen ſie
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iſt es ein Verbrechen an mir, daß ich ſie zu hey-
rathen wuͤnſche? Wuͤrde wohl irgend ein anderes
Frauenzimmer ſo gedenken, und lieber ein Peli-
kan in der Wildniß oder ein verlaſſener Sper-
ling auf dem Giebel werden, als einen Gat-
ten haben, der alle Tage und Naͤchte um ſie her-
um zwitſchern wuͤrde?
Sie ſagt, ſie habe Aſche gegeſſen wie
Brodt ‒ ‒ Ein wunderliches Verſehen in Wahr-
heit! ‒ ‒ und ihren Trank mit Weinen ge-
menget ‒ ‒ Liebe ſchwaͤrmeriſche Seele! wuͤr-
de ich von einem jeden ſagen, der dieß bekennete,
nur nicht von der Fraͤulein Harlowe.
Sie beſchließet mit dem Gebeth, daß das
Verlangen des Gottloſen; ich fuͤrchte, ſie
meynt mich armen; nicht erfuͤllet, daß meine
Anſchlaͤge nicht gefoͤrdert werden, damit
ich mich nicht ſelbſt erhuͤbe. ‒ ‒ Jch wuͤrde
mich ohne Zweifel erheben, und zwar mit Grun-
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begluͤckt werden koͤnnte. Hat aber mein Verlan-
gen einen ſo loͤblichen Zweck: ſo weiß ich nicht,
warum ich gottlos genannt und meine ruͤhmli-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 833. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/839>, abgerufen am 23.11.2024.
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