Mein Herr, sprach er, es schickt sich nicht für einen Cavallier, einen Mann in seinem eignen Hause zu beschimpfen.
So bitte ich dich denn, Kerl, war meine Antwort, krähe nicht auf deinem eignen Mist- haufen.
Jch ging wieder an die verschlossene Thür zu- rück. Meine werthe Fräulein Harlowe, ich bit- te, machen sie die Thüre auf, oder ich werde sie aufbrechen - - Hiemit stieß ich hart daran, daß es knackte.
Der Mann sahe ganz blaß aus, machte bey seinem Zittern und bey seiner Furcht ein gewaltig langes Gesicht und rief einem von seinen Arbeits- leuten oben: Joseph komme geschwinde her- unter.
Joseph kam herunter: ein Kerl von seltsa- men Geberden, mit einem Löwengesichte, kurz und dick, und mit einem Haarbusch auf dem Kopfe, wie eine alte und oft gekapte Eiche. Darauf bekam Meister Johann ein trotzigers Gesicht. Al- lein ich stimmte ein Liedlein an, ging durch alle andere Zimmer, fühlte auf den Gängen mit mei- nen Knöcheln zu, ob auch verborgene Thüren da wären, und ging mit beständigem Singen die nächste Treppe hinauf: indem Johann, und Jo- seph und Fr. Smithinn mir mit Zittern folgten.
Jch sahe mich daselbst herum, ging in zwo offene Schlafkammern, durchsuchte die Closets, die Gänge, und kuckte durch das Schlüsselloch einer andern Kammer. Keine Fräulein Har-
lowe,
Mein Herr, ſprach er, es ſchickt ſich nicht fuͤr einen Cavallier, einen Mann in ſeinem eignen Hauſe zu beſchimpfen.
So bitte ich dich denn, Kerl, war meine Antwort, kraͤhe nicht auf deinem eignen Miſt- haufen.
Jch ging wieder an die verſchloſſene Thuͤr zu- ruͤck. Meine werthe Fraͤulein Harlowe, ich bit- te, machen ſie die Thuͤre auf, oder ich werde ſie aufbrechen ‒ ‒ Hiemit ſtieß ich hart daran, daß es knackte.
Der Mann ſahe ganz blaß aus, machte bey ſeinem Zittern und bey ſeiner Furcht ein gewaltig langes Geſicht und rief einem von ſeinen Arbeits- leuten oben: Joſeph komme geſchwinde her- unter.
Joſeph kam herunter: ein Kerl von ſeltſa- men Geberden, mit einem Loͤwengeſichte, kurz und dick, und mit einem Haarbuſch auf dem Kopfe, wie eine alte und oft gekapte Eiche. Darauf bekam Meiſter Johann ein trotzigers Geſicht. Al- lein ich ſtimmte ein Liedlein an, ging durch alle andere Zimmer, fuͤhlte auf den Gaͤngen mit mei- nen Knoͤcheln zu, ob auch verborgene Thuͤren da waͤren, und ging mit beſtaͤndigem Singen die naͤchſte Treppe hinauf: indem Johann, und Jo- ſeph und Fr. Smithinn mir mit Zittern folgten.
Jch ſahe mich daſelbſt herum, ging in zwo offene Schlafkammern, durchſuchte die Cloſets, die Gaͤnge, und kuckte durch das Schluͤſſelloch einer andern Kammer. Keine Fraͤulein Har-
lowe,
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Mein Herr, ſprach er, es ſchickt ſich nicht fuͤr
einen Cavallier, einen Mann in ſeinem eignen
Hauſe zu beſchimpfen.
So bitte ich dich denn, Kerl, war meine
Antwort, kraͤhe nicht auf deinem eignen Miſt-
haufen.
Jch ging wieder an die verſchloſſene Thuͤr zu-
ruͤck. Meine werthe Fraͤulein Harlowe, ich bit-
te, machen ſie die Thuͤre auf, oder ich werde ſie
aufbrechen ‒ ‒ Hiemit ſtieß ich hart daran, daß
es knackte.
Der Mann ſahe ganz blaß aus, machte bey
ſeinem Zittern und bey ſeiner Furcht ein gewaltig
langes Geſicht und rief einem von ſeinen Arbeits-
leuten oben: Joſeph komme geſchwinde her-
unter.
Joſeph kam herunter: ein Kerl von ſeltſa-
men Geberden, mit einem Loͤwengeſichte, kurz und
dick, und mit einem Haarbuſch auf dem Kopfe,
wie eine alte und oft gekapte Eiche. Darauf
bekam Meiſter Johann ein trotzigers Geſicht. Al-
lein ich ſtimmte ein Liedlein an, ging durch alle
andere Zimmer, fuͤhlte auf den Gaͤngen mit mei-
nen Knoͤcheln zu, ob auch verborgene Thuͤren da
waͤren, und ging mit beſtaͤndigem Singen die
naͤchſte Treppe hinauf: indem Johann, und Jo-
ſeph und Fr. Smithinn mir mit Zittern folgten.
Jch ſahe mich daſelbſt herum, ging in zwo
offene Schlafkammern, durchſuchte die Cloſets,
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einer andern Kammer. Keine Fraͤulein Har-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 799. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/805>, abgerufen am 27.11.2024.
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