Treulosigkeit seyn möge; ja ist um nichts in die- sem Leben so bekümmert, als dem Unglück vorzu- beugen, das zur Rache demjenigen begegnen, oder von demjenigen entstehen könnte, der mit ihr so schändlich umgegangen ist.
Dieß heißet Buße! Dieß heißet Gottselig- keit! Und daher wird es natürlicher Weise ein Unglück. welches nach Würden ein jedes Herz rühren muß.
So übel dieser vortrefflichen Fräulein auch von ihren Verwandten begegnet wird: so bricht es doch bey ihr in keine Ausschweifungen aus. Sie bestrebt sich im Gegentheil vielmehr, Gründe zu finden, damit sie jene rechtfertige und sich selbst Schuld gebe. Sie scheint wegen der Grausam- keit derselben mehr um desjenigen willen, was ihnen nach diesem, wenn sie nicht mehr da seyn wird, beschwerlich seyn kann, als um ihrer selbst willen bekümmert. Denn in Ansehung ihrer selbst, sagt sie, ist sie versichert, daß Gott ihr ver- geben werde, wenn ihr gleich sonst niemand ver- geben will.
So oft sie außerordentlich von ihnen gereizet wird, nimmt sie ihre Zuflucht zur heiligen Schrift, und bemühet sich ihre Heftigkeit nach dem Bey- spiel geheiligter Vorgänger zu mäßigen. Fröm- mere und bessere Leute, spricht sie, wären mehr geplaget worden als sie, so schmerzlich sie auch bisweilen ihr Trübsal achtete: sollte sie denn nicht ertragen, was weniger strafwürdige Personen er- tragen haben. Wie sanftmüthig, und doch hestig,
sie
Treuloſigkeit ſeyn moͤge; ja iſt um nichts in die- ſem Leben ſo bekuͤmmert, als dem Ungluͤck vorzu- beugen, das zur Rache demjenigen begegnen, oder von demjenigen entſtehen koͤnnte, der mit ihr ſo ſchaͤndlich umgegangen iſt.
Dieß heißet Buße! Dieß heißet Gottſelig- keit! Und daher wird es natuͤrlicher Weiſe ein Ungluͤck. welches nach Wuͤrden ein jedes Herz ruͤhren muß.
So uͤbel dieſer vortrefflichen Fraͤulein auch von ihren Verwandten begegnet wird: ſo bricht es doch bey ihr in keine Ausſchweifungen aus. Sie beſtrebt ſich im Gegentheil vielmehr, Gruͤnde zu finden, damit ſie jene rechtfertige und ſich ſelbſt Schuld gebe. Sie ſcheint wegen der Grauſam- keit derſelben mehr um desjenigen willen, was ihnen nach dieſem, wenn ſie nicht mehr da ſeyn wird, beſchwerlich ſeyn kann, als um ihrer ſelbſt willen bekuͤmmert. Denn in Anſehung ihrer ſelbſt, ſagt ſie, iſt ſie verſichert, daß Gott ihr ver- geben werde, wenn ihr gleich ſonſt niemand ver- geben will.
So oft ſie außerordentlich von ihnen gereizet wird, nimmt ſie ihre Zuflucht zur heiligen Schrift, und bemuͤhet ſich ihre Heftigkeit nach dem Bey- ſpiel geheiligter Vorgaͤnger zu maͤßigen. Froͤm- mere und beſſere Leute, ſpricht ſie, waͤren mehr geplaget worden als ſie, ſo ſchmerzlich ſie auch bisweilen ihr Truͤbſal achtete: ſollte ſie denn nicht ertragen, was weniger ſtrafwuͤrdige Perſonen er- tragen haben. Wie ſanftmuͤthig, und doch heſtig,
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Treuloſigkeit ſeyn moͤge; ja iſt um nichts in die-
ſem Leben ſo bekuͤmmert, als dem Ungluͤck vorzu-
beugen, das zur Rache demjenigen begegnen,
oder von demjenigen entſtehen koͤnnte, der mit
ihr ſo ſchaͤndlich umgegangen iſt.
Dieß heißet Buße! Dieß heißet Gottſelig-
keit! Und daher wird es natuͤrlicher Weiſe ein
Ungluͤck. welches nach Wuͤrden ein jedes Herz
ruͤhren muß.
So uͤbel dieſer vortrefflichen Fraͤulein auch
von ihren Verwandten begegnet wird: ſo bricht
es doch bey ihr in keine Ausſchweifungen aus.
Sie beſtrebt ſich im Gegentheil vielmehr, Gruͤnde
zu finden, damit ſie jene rechtfertige und ſich ſelbſt
Schuld gebe. Sie ſcheint wegen der Grauſam-
keit derſelben mehr um desjenigen willen, was
ihnen nach dieſem, wenn ſie nicht mehr da ſeyn
wird, beſchwerlich ſeyn kann, als um ihrer ſelbſt
willen bekuͤmmert. Denn in Anſehung ihrer
ſelbſt, ſagt ſie, iſt ſie verſichert, daß Gott ihr ver-
geben werde, wenn ihr gleich ſonſt niemand ver-
geben will.
So oft ſie außerordentlich von ihnen gereizet
wird, nimmt ſie ihre Zuflucht zur heiligen Schrift,
und bemuͤhet ſich ihre Heftigkeit nach dem Bey-
ſpiel geheiligter Vorgaͤnger zu maͤßigen. Froͤm-
mere und beſſere Leute, ſpricht ſie, waͤren mehr
geplaget worden als ſie, ſo ſchmerzlich ſie auch
bisweilen ihr Truͤbſal achtete: ſollte ſie denn nicht
ertragen, was weniger ſtrafwuͤrdige Perſonen er-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 784. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/790>, abgerufen am 23.11.2024.
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