Haus für sich selbst bekommen möchten. Allein, da ich eben der bin, auf dem alle Hoffnung der Familie beruhet: so glaube ich, daß sie nicht so gottlos seyn würden.
Jch muß meine Feder niederlegen. Jch kann nicht mit der geringsten Munterkeit schreiben. Was für eine Pest mag mich befallen haben!
Der Lord M. stattete eben itzo einen verfluch- ten finstern Besuch bey mir ab, sich zu erkundi- gen, wie ich mich nach dem Aderlassen befinde. Seine Schwestern sind gestern beyde weggefah- ren, Gott sey Dank. Aber sie haben nicht Ab- schied von mir genommen, und mir kaum gute Besserung wünschen lassen. Mein Lord war zärt- licher und bezeigte sich pflichtmäßiger, als ich vermuthete. Mannspersonen vergeben leichter, als Weibsleute. Dieß habe ich Ursache zu sagen, bin ich versichert. Denn, außer der unversöhn- lichen Fräulein Harlowe, und den alten Ladies, sind die beyden Affen Montague auch noch nicht bey mir gewesen.
Weder essen, trinken, noch schlafen! - - - Ein kläglicher Zustand, Bruder! Sollte ich nun wie ein Narr sterben: so würden die Leute sagen, daß die Fräulein Harlowe mir das Herz gebro- chen hätte. - - Daß die Guaal, welche sie mir macht, mir bis ans Herz gehet, ist gewiß.
Ver-
Haus fuͤr ſich ſelbſt bekommen moͤchten. Allein, da ich eben der bin, auf dem alle Hoffnung der Familie beruhet: ſo glaube ich, daß ſie nicht ſo gottlos ſeyn wuͤrden.
Jch muß meine Feder niederlegen. Jch kann nicht mit der geringſten Munterkeit ſchreiben. Was fuͤr eine Peſt mag mich befallen haben!
Der Lord M. ſtattete eben itzo einen verfluch- ten finſtern Beſuch bey mir ab, ſich zu erkundi- gen, wie ich mich nach dem Aderlaſſen befinde. Seine Schweſtern ſind geſtern beyde weggefah- ren, Gott ſey Dank. Aber ſie haben nicht Ab- ſchied von mir genommen, und mir kaum gute Beſſerung wuͤnſchen laſſen. Mein Lord war zaͤrt- licher und bezeigte ſich pflichtmaͤßiger, als ich vermuthete. Mannsperſonen vergeben leichter, als Weibsleute. Dieß habe ich Urſache zu ſagen, bin ich verſichert. Denn, außer der unverſoͤhn- lichen Fraͤulein Harlowe, und den alten Ladies, ſind die beyden Affen Montague auch noch nicht bey mir geweſen.
Weder eſſen, trinken, noch ſchlafen! ‒ ‒ ‒ Ein klaͤglicher Zuſtand, Bruder! Sollte ich nun wie ein Narr ſterben: ſo wuͤrden die Leute ſagen, daß die Fraͤulein Harlowe mir das Herz gebro- chen haͤtte. ‒ ‒ Daß die Guaal, welche ſie mir macht, mir bis ans Herz gehet, iſt gewiß.
Ver-
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Haus fuͤr ſich ſelbſt bekommen moͤchten. Allein,
da ich eben der bin, auf dem alle Hoffnung der
Familie beruhet: ſo glaube ich, daß ſie nicht ſo
gottlos ſeyn wuͤrden.
Jch muß meine Feder niederlegen. Jch kann
nicht mit der geringſten Munterkeit ſchreiben.
Was fuͤr eine Peſt mag mich befallen haben!
Der Lord M. ſtattete eben itzo einen verfluch-
ten finſtern Beſuch bey mir ab, ſich zu erkundi-
gen, wie ich mich nach dem Aderlaſſen befinde.
Seine Schweſtern ſind geſtern beyde weggefah-
ren, Gott ſey Dank. Aber ſie haben nicht Ab-
ſchied von mir genommen, und mir kaum gute
Beſſerung wuͤnſchen laſſen. Mein Lord war zaͤrt-
licher und bezeigte ſich pflichtmaͤßiger, als ich
vermuthete. Mannsperſonen vergeben leichter,
als Weibsleute. Dieß habe ich Urſache zu ſagen,
bin ich verſichert. Denn, außer der unverſoͤhn-
lichen Fraͤulein Harlowe, und den alten Ladies,
ſind die beyden Affen Montague auch noch nicht
bey mir geweſen.
Weder eſſen, trinken, noch ſchlafen! ‒ ‒ ‒
Ein klaͤglicher Zuſtand, Bruder! Sollte ich nun
wie ein Narr ſterben: ſo wuͤrden die Leute ſagen,
daß die Fraͤulein Harlowe mir das Herz gebro-
chen haͤtte. ‒ ‒ Daß die Guaal, welche ſie mir
macht, mir bis ans Herz gehet, iſt gewiß.
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 766. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/772>, abgerufen am 22.11.2024.
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