traurigen Geschichte unter Jhrer eignen Hand in Bereitschaft zu haben. Allein erlauben Sie mir zu gleicher Zeit zu versichern, daß keine widrige Vorstellungen, auch nicht Jhr eignes Bekennt- niß selbst, meine Meynung von Jhrer Gottselig- keit, oder von Jhrer Klugheit in wesentlichen Stücken, verringern werden: weil ich weiß, daß es allemal Jhre demüthige Weise gewesen ist, geringe Fehler an Jhnen selbst schwer wider sich zu machen. Sie mochten Jhre eigne Fehler auch wohl vergrößern, liebste Fräulein: da Sie jederzeit so wenige an sich gehabt haben, und die- se wenige so geringe gewesen sind, daß Jhre Auf- richtigkeit bey denselben sie größtentheils in treff- liche Vorzüge verwandelt hat.
Nichts desto weniger erlauben Sie mir, Jh- nen zu rathen, meine wertheste Fräulein Clär- chen, daß Sie keine Besuche gestatten, welche bey tadelsüchtigen Richtern Jhrem guten Na- men nachtheilig seyn können. Da dieser bisher in keinem Stücke durch ein freywilliges Ver- sehen von Jhnen gelitten hat: so hoffe ich, Sie werden ihn nicht aus kleinmüthiger Verabsäu- mung desselben, indem Sie sich selbst mit einem Bewußtseyn Jhrer eignen Unschuld befriedigen, leiden lassen. Widerwärtige Umstände, das wis- sen Sie, meine liebste Fräulein, sind ein Probier- stein nicht allein für die Klugheit, sondern auch für die Tugend.
Jch halte es für meine Schuldigkeit, Jhnen zu gestehen, daß mir, seit dem Empfang des Brie-
fes
B b b 2
traurigen Geſchichte unter Jhrer eignen Hand in Bereitſchaft zu haben. Allein erlauben Sie mir zu gleicher Zeit zu verſichern, daß keine widrige Vorſtellungen, auch nicht Jhr eignes Bekennt- niß ſelbſt, meine Meynung von Jhrer Gottſelig- keit, oder von Jhrer Klugheit in weſentlichen Stuͤcken, verringern werden: weil ich weiß, daß es allemal Jhre demuͤthige Weiſe geweſen iſt, geringe Fehler an Jhnen ſelbſt ſchwer wider ſich zu machen. Sie mochten Jhre eigne Fehler auch wohl vergroͤßern, liebſte Fraͤulein: da Sie jederzeit ſo wenige an ſich gehabt haben, und die- ſe wenige ſo geringe geweſen ſind, daß Jhre Auf- richtigkeit bey denſelben ſie groͤßtentheils in treff- liche Vorzuͤge verwandelt hat.
Nichts deſto weniger erlauben Sie mir, Jh- nen zu rathen, meine wertheſte Fraͤulein Claͤr- chen, daß Sie keine Beſuche geſtatten, welche bey tadelſuͤchtigen Richtern Jhrem guten Na- men nachtheilig ſeyn koͤnnen. Da dieſer bisher in keinem Stuͤcke durch ein freywilliges Ver- ſehen von Jhnen gelitten hat: ſo hoffe ich, Sie werden ihn nicht aus kleinmuͤthiger Verabſaͤu- mung deſſelben, indem Sie ſich ſelbſt mit einem Bewußtſeyn Jhrer eignen Unſchuld befriedigen, leiden laſſen. Widerwaͤrtige Umſtaͤnde, das wiſ- ſen Sie, meine liebſte Fraͤulein, ſind ein Probier- ſtein nicht allein fuͤr die Klugheit, ſondern auch fuͤr die Tugend.
Jch halte es fuͤr meine Schuldigkeit, Jhnen zu geſtehen, daß mir, ſeit dem Empfang des Brie-
fes
B b b 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0761"n="755"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
traurigen Geſchichte unter Jhrer eignen Hand in<lb/>
Bereitſchaft zu haben. Allein erlauben Sie mir<lb/>
zu gleicher Zeit zu verſichern, daß keine widrige<lb/>
Vorſtellungen, auch nicht Jhr eignes Bekennt-<lb/>
niß ſelbſt, meine Meynung von Jhrer Gottſelig-<lb/>
keit, oder von Jhrer Klugheit in weſentlichen<lb/>
Stuͤcken, verringern werden: weil ich weiß, daß<lb/>
es allemal Jhre demuͤthige Weiſe geweſen iſt,<lb/>
geringe Fehler an Jhnen ſelbſt ſchwer wider ſich<lb/>
zu machen. Sie mochten Jhre eigne Fehler<lb/>
auch wohl vergroͤßern, liebſte Fraͤulein: da Sie<lb/>
jederzeit ſo wenige an ſich gehabt haben, und die-<lb/>ſe wenige ſo geringe geweſen ſind, daß Jhre Auf-<lb/>
richtigkeit bey denſelben ſie groͤßtentheils in treff-<lb/>
liche Vorzuͤge verwandelt hat.</p><lb/><p>Nichts deſto weniger erlauben Sie mir, Jh-<lb/>
nen zu rathen, meine wertheſte Fraͤulein Claͤr-<lb/>
chen, daß Sie keine Beſuche geſtatten, welche<lb/>
bey tadelſuͤchtigen Richtern Jhrem guten Na-<lb/>
men nachtheilig ſeyn koͤnnen. Da <hirendition="#fr">dieſer</hi> bisher<lb/>
in keinem Stuͤcke durch ein <hirendition="#fr">freywilliges</hi> Ver-<lb/>ſehen von Jhnen gelitten hat: ſo hoffe ich, Sie<lb/>
werden ihn nicht aus kleinmuͤthiger Verabſaͤu-<lb/>
mung deſſelben, indem Sie ſich ſelbſt mit einem<lb/>
Bewußtſeyn Jhrer eignen Unſchuld befriedigen,<lb/>
leiden laſſen. Widerwaͤrtige Umſtaͤnde, das wiſ-<lb/>ſen Sie, meine liebſte Fraͤulein, ſind ein Probier-<lb/>ſtein nicht allein fuͤr die Klugheit, ſondern auch<lb/>
fuͤr die Tugend.</p><lb/><p>Jch halte es fuͤr meine Schuldigkeit, Jhnen<lb/>
zu geſtehen, daß mir, ſeit dem Empfang des Brie-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">B b b 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">fes</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[755/0761]
traurigen Geſchichte unter Jhrer eignen Hand in
Bereitſchaft zu haben. Allein erlauben Sie mir
zu gleicher Zeit zu verſichern, daß keine widrige
Vorſtellungen, auch nicht Jhr eignes Bekennt-
niß ſelbſt, meine Meynung von Jhrer Gottſelig-
keit, oder von Jhrer Klugheit in weſentlichen
Stuͤcken, verringern werden: weil ich weiß, daß
es allemal Jhre demuͤthige Weiſe geweſen iſt,
geringe Fehler an Jhnen ſelbſt ſchwer wider ſich
zu machen. Sie mochten Jhre eigne Fehler
auch wohl vergroͤßern, liebſte Fraͤulein: da Sie
jederzeit ſo wenige an ſich gehabt haben, und die-
ſe wenige ſo geringe geweſen ſind, daß Jhre Auf-
richtigkeit bey denſelben ſie groͤßtentheils in treff-
liche Vorzuͤge verwandelt hat.
Nichts deſto weniger erlauben Sie mir, Jh-
nen zu rathen, meine wertheſte Fraͤulein Claͤr-
chen, daß Sie keine Beſuche geſtatten, welche
bey tadelſuͤchtigen Richtern Jhrem guten Na-
men nachtheilig ſeyn koͤnnen. Da dieſer bisher
in keinem Stuͤcke durch ein freywilliges Ver-
ſehen von Jhnen gelitten hat: ſo hoffe ich, Sie
werden ihn nicht aus kleinmuͤthiger Verabſaͤu-
mung deſſelben, indem Sie ſich ſelbſt mit einem
Bewußtſeyn Jhrer eignen Unſchuld befriedigen,
leiden laſſen. Widerwaͤrtige Umſtaͤnde, das wiſ-
ſen Sie, meine liebſte Fraͤulein, ſind ein Probier-
ſtein nicht allein fuͤr die Klugheit, ſondern auch
fuͤr die Tugend.
Jch halte es fuͤr meine Schuldigkeit, Jhnen
zu geſtehen, daß mir, ſeit dem Empfang des Brie-
fes
B b b 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 755. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/761>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.