gegönnet ist, es mir leicht machte, demjenigen, was mir die gute Frau, als eine Beschreibung des jungen Gestilchen von ihr, erzählte, die ge- hörige Gestalt zu geben. Denn wer siehet nicht, auch itzo bey ihrer hinfälligen Gesundheit, daß ihr alle diese Eigenschaften zukommen?
Jch vermuthe, er ist noch nicht lange von seinen Lehrmeistern, und denkt nun nichts anders zu thun zu haben, als sich das Ansehen eines Gelehrten unter den Unwissenden zu geben: wofür solche junge Leute diejenigen zu halten auf- gelegt sind, welche mit ihnen nicht Stellen aus den Dichtern anführen und uns sagen können, wie ein alter Schriftsteller sich über eine Sache ausgedrückt habe, über die sie sich gleichwohl eben so gut, als der Schriftsteller, im Englischen aus- zudrücken wissen mögen.
Fr. Smithinn ward so von ihm eingenommen, daß sie ihn gern zu der Fräulein hineingeführet hätte: weil sie nicht zweifelte, es würde ihr sehr angenehm seyn, jemand zu sehen, der sie und ihre Freunde so wohl kennete. Aber dieß verbat er aus verschiedenen Ursachen, welche er anführte. Die eine war, weil Personen von seinem Stande die Gesellschaft, worinn sie wären, sehr be- hutsam wählen müßten, sonderlich wo es auf das andere Geschlecht ankäme, und wo ein Frau- enzimmer ihre Ehre beflecket hätte: - - Jch wünschte, daß ich da gewesen wäre, als er sich so viel herausgenommen. - - Die andere, weil ihm aufgetragen wäre, sich nach ihrer Lebensart, und
den
gegoͤnnet iſt, es mir leicht machte, demjenigen, was mir die gute Frau, als eine Beſchreibung des jungen Geſtilchen von ihr, erzaͤhlte, die ge- hoͤrige Geſtalt zu geben. Denn wer ſiehet nicht, auch itzo bey ihrer hinfaͤlligen Geſundheit, daß ihr alle dieſe Eigenſchaften zukommen?
Jch vermuthe, er iſt noch nicht lange von ſeinen Lehrmeiſtern, und denkt nun nichts anders zu thun zu haben, als ſich das Anſehen eines Gelehrten unter den Unwiſſenden zu geben: wofuͤr ſolche junge Leute diejenigen zu halten auf- gelegt ſind, welche mit ihnen nicht Stellen aus den Dichtern anfuͤhren und uns ſagen koͤnnen, wie ein alter Schriftſteller ſich uͤber eine Sache ausgedruͤckt habe, uͤber die ſie ſich gleichwohl eben ſo gut, als der Schriftſteller, im Engliſchen aus- zudruͤcken wiſſen moͤgen.
Fr. Smithinn ward ſo von ihm eingenommen, daß ſie ihn gern zu der Fraͤulein hineingefuͤhret haͤtte: weil ſie nicht zweifelte, es wuͤrde ihr ſehr angenehm ſeyn, jemand zu ſehen, der ſie und ihre Freunde ſo wohl kennete. Aber dieß verbat er aus verſchiedenen Urſachen, welche er anfuͤhrte. Die eine war, weil Perſonen von ſeinem Stande die Geſellſchaft, worinn ſie waͤren, ſehr be- hutſam waͤhlen muͤßten, ſonderlich wo es auf das andere Geſchlecht ankaͤme, und wo ein Frau- enzimmer ihre Ehre beflecket haͤtte: ‒ ‒ Jch wuͤnſchte, daß ich da geweſen waͤre, als er ſich ſo viel herausgenommen. ‒ ‒ Die andere, weil ihm aufgetragen waͤre, ſich nach ihrer Lebensart, und
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gegoͤnnet iſt, es mir leicht machte, demjenigen,
was mir die gute Frau, als eine Beſchreibung
des jungen Geſtilchen von ihr, erzaͤhlte, die ge-
hoͤrige Geſtalt zu geben. Denn wer ſiehet nicht,
auch itzo bey ihrer hinfaͤlligen Geſundheit, daß
ihr alle dieſe Eigenſchaften zukommen?
Jch vermuthe, er iſt noch nicht lange von
ſeinen Lehrmeiſtern, und denkt nun nichts anders
zu thun zu haben, als ſich das Anſehen eines
Gelehrten unter den Unwiſſenden zu geben:
wofuͤr ſolche junge Leute diejenigen zu halten auf-
gelegt ſind, welche mit ihnen nicht Stellen aus
den Dichtern anfuͤhren und uns ſagen koͤnnen,
wie ein alter Schriftſteller ſich uͤber eine Sache
ausgedruͤckt habe, uͤber die ſie ſich gleichwohl eben
ſo gut, als der Schriftſteller, im Engliſchen aus-
zudruͤcken wiſſen moͤgen.
Fr. Smithinn ward ſo von ihm eingenommen,
daß ſie ihn gern zu der Fraͤulein hineingefuͤhret
haͤtte: weil ſie nicht zweifelte, es wuͤrde ihr ſehr
angenehm ſeyn, jemand zu ſehen, der ſie und ihre
Freunde ſo wohl kennete. Aber dieß verbat er
aus verſchiedenen Urſachen, welche er anfuͤhrte.
Die eine war, weil Perſonen von ſeinem Stande
die Geſellſchaft, worinn ſie waͤren, ſehr be-
hutſam waͤhlen muͤßten, ſonderlich wo es auf das
andere Geſchlecht ankaͤme, und wo ein Frau-
enzimmer ihre Ehre beflecket haͤtte: ‒ ‒ Jch
wuͤnſchte, daß ich da geweſen waͤre, als er ſich ſo
viel herausgenommen. ‒ ‒ Die andere, weil ihm
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 730. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/736>, abgerufen am 22.11.2024.
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