Erlauben Sie mir aber, meine Beysorge darüber zu bezeugen, daß Sie Jhren Verwand- ten aus Jhrer Gesellschaft verbannet und von Jhrer Gunst ausgeschlossen haben: indem er nun vielleicht noch weniger als jemals gebunden seyn wird; und ich insonderheit, die durch Jhr Ansehen bey ihm, für den Ueberrest meiner Tage, unbe- schweret zu bleiben hoffete, seinen Verfolgungen wieder ausgesetzet werden mag.
Er hat sich gegen Sie, mein gütiger Lord, und wertheste Ladies und Fräuleins, nicht so ver- gangen, als gegen mich: und dennoch haben Sie alle so großmüthig für ihn bey mir Fürbitte thun können. Wird es sich denn wohl sehr übel schi- cken, wenn ich um meiner eignen Ruhe willen, um anderer armen Frauenzimmer willen, die noch von ihm beleidigt werden mögen, wo er ganz zur Verzweifelung gebracht wird, und um ihrer gan- zen würdigen Familie willen bitte, daß Sie ihm die Vergebung zu Theil werden lassen wollen, welche Sie von mir hoffeten? und dieß um so viel mehr, da ich denken darf, daß sein verwegenes und ungestümes Gemüth sich nicht durch gewalt- same Mittel bändigen lassen werde. Denn ich zweifele gar nicht, daß die Befriedigung einer gegenwärtigen Leidenschaft allezeit mehr bey ihm gelten werde, als irgend eine Hoffnung auf das künftige: so unverantwortlich auch die eine, oder so vortheilhaft auch die andere seyn mag.
Jhr Unwillen für mich ist ungemein groß- müthig: gleichwie Jhre Güte gegen mich wahr-
haftig
Erlauben Sie mir aber, meine Beyſorge daruͤber zu bezeugen, daß Sie Jhren Verwand- ten aus Jhrer Geſellſchaft verbannet und von Jhrer Gunſt ausgeſchloſſen haben: indem er nun vielleicht noch weniger als jemals gebunden ſeyn wird; und ich inſonderheit, die durch Jhr Anſehen bey ihm, fuͤr den Ueberreſt meiner Tage, unbe- ſchweret zu bleiben hoffete, ſeinen Verfolgungen wieder ausgeſetzet werden mag.
Er hat ſich gegen Sie, mein guͤtiger Lord, und wertheſte Ladies und Fraͤuleins, nicht ſo ver- gangen, als gegen mich: und dennoch haben Sie alle ſo großmuͤthig fuͤr ihn bey mir Fuͤrbitte thun koͤnnen. Wird es ſich denn wohl ſehr uͤbel ſchi- cken, wenn ich um meiner eignen Ruhe willen, um anderer armen Frauenzimmer willen, die noch von ihm beleidigt werden moͤgen, wo er ganz zur Verzweifelung gebracht wird, und um ihrer gan- zen wuͤrdigen Familie willen bitte, daß Sie ihm die Vergebung zu Theil werden laſſen wollen, welche Sie von mir hoffeten? und dieß um ſo viel mehr, da ich denken darf, daß ſein verwegenes und ungeſtuͤmes Gemuͤth ſich nicht durch gewalt- ſame Mittel baͤndigen laſſen werde. Denn ich zweifele gar nicht, daß die Befriedigung einer gegenwaͤrtigen Leidenſchaft allezeit mehr bey ihm gelten werde, als irgend eine Hoffnung auf das kuͤnftige: ſo unverantwortlich auch die eine, oder ſo vortheilhaft auch die andere ſeyn mag.
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Erlauben Sie mir aber, meine Beyſorge
daruͤber zu bezeugen, daß Sie Jhren Verwand-
ten aus Jhrer Geſellſchaft verbannet und von
Jhrer Gunſt ausgeſchloſſen haben: indem er nun
vielleicht noch weniger als jemals gebunden ſeyn
wird; und ich inſonderheit, die durch Jhr Anſehen
bey ihm, fuͤr den Ueberreſt meiner Tage, unbe-
ſchweret zu bleiben hoffete, ſeinen Verfolgungen
wieder ausgeſetzet werden mag.
Er hat ſich gegen Sie, mein guͤtiger Lord,
und wertheſte Ladies und Fraͤuleins, nicht ſo ver-
gangen, als gegen mich: und dennoch haben Sie
alle ſo großmuͤthig fuͤr ihn bey mir Fuͤrbitte thun
koͤnnen. Wird es ſich denn wohl ſehr uͤbel ſchi-
cken, wenn ich um meiner eignen Ruhe willen,
um anderer armen Frauenzimmer willen, die noch
von ihm beleidigt werden moͤgen, wo er ganz zur
Verzweifelung gebracht wird, und um ihrer gan-
zen wuͤrdigen Familie willen bitte, daß Sie ihm
die Vergebung zu Theil werden laſſen wollen,
welche Sie von mir hoffeten? und dieß um ſo
viel mehr, da ich denken darf, daß ſein verwegenes
und ungeſtuͤmes Gemuͤth ſich nicht durch gewalt-
ſame Mittel baͤndigen laſſen werde. Denn ich
zweifele gar nicht, daß die Befriedigung einer
gegenwaͤrtigen Leidenſchaft allezeit mehr bey ihm
gelten werde, als irgend eine Hoffnung auf das
kuͤnftige: ſo unverantwortlich auch die eine, oder
ſo vortheilhaft auch die andere ſeyn mag.
Jhr Unwillen fuͤr mich iſt ungemein groß-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 717. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/723>, abgerufen am 22.11.2024.
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