Fräulein Howe, welcher unter allen weltlichen Vorstellungen mir itzo der wertheste und beträcht- lichste ist. Alles dieß habe ich erwogen: und der Ausschlag ist, und war es schon vorher, ehe Sie mir die Gefälligkeit erzeigten, jene Nachrichten mitzutheilen, daß ich mehr Beruhigung in der Hoffnung finde, daß es in einem Monathe ganz mit mir zu Ende seyn werde, als in den ange- nehmsten Dingen, die aus einer Verbindung mit dem Herrn Lovelace entstehen könnten; wenn ich auch versichert wäre, daß er sich als den besten und zärtlichsten Ehegatten beweisen würde. Uebri- gens aber, wo er sich nur mit denen Uebeln be- gnügen lassen will, die er über mich gebracht hat; will ich ihm, bis an die letzte Stunde meines Le- bens, Gutes wünschen: ob er gleich die Vater- lose mit Ungemach überhäufet, und für seine Freundinn eine Grube gegraben hat. Denn vaterlos, ja auch mutterlos mag diejenige wohl genannt werden, der aller väterlicher Schutz, und alle mütterliche Vergebung, versaget ist.
Nun, mein Herr, da ich Jhre Gewogenheit in Ertheilung der verlangten Auszüge mit schul- digem Dank erkenne, komme ich auf das zweyte Stück meiner Bitte. Dieses erfordert eine große Dreistigkeit, wenn ich es Jhnen eröffnen soll: eine Dreistigkeit, die nichts, als eine große Wi- derwärtigkeit und ein sehr verlassener Zustand, geben kann. Jedoch, wo es sich nicht schicken
will,
Fraͤulein Howe, welcher unter allen weltlichen Vorſtellungen mir itzo der wertheſte und betraͤcht- lichſte iſt. Alles dieß habe ich erwogen: und der Ausſchlag iſt, und war es ſchon vorher, ehe Sie mir die Gefaͤlligkeit erzeigten, jene Nachrichten mitzutheilen, daß ich mehr Beruhigung in der Hoffnung finde, daß es in einem Monathe ganz mit mir zu Ende ſeyn werde, als in den ange- nehmſten Dingen, die aus einer Verbindung mit dem Herrn Lovelace entſtehen koͤnnten; wenn ich auch verſichert waͤre, daß er ſich als den beſten und zaͤrtlichſten Ehegatten beweiſen wuͤrde. Uebri- gens aber, wo er ſich nur mit denen Uebeln be- gnuͤgen laſſen will, die er uͤber mich gebracht hat; will ich ihm, bis an die letzte Stunde meines Le- bens, Gutes wuͤnſchen: ob er gleich die Vater- loſe mit Ungemach uͤberhaͤufet, und fuͤr ſeine Freundinn eine Grube gegraben hat. Denn vaterlos, ja auch mutterlos mag diejenige wohl genannt werden, der aller vaͤterlicher Schutz, und alle muͤtterliche Vergebung, verſaget iſt.
Nun, mein Herr, da ich Jhre Gewogenheit in Ertheilung der verlangten Auszuͤge mit ſchul- digem Dank erkenne, komme ich auf das zweyte Stuͤck meiner Bitte. Dieſes erfordert eine große Dreiſtigkeit, wenn ich es Jhnen eroͤffnen ſoll: eine Dreiſtigkeit, die nichts, als eine große Wi- derwaͤrtigkeit und ein ſehr verlaſſener Zuſtand, geben kann. Jedoch, wo es ſich nicht ſchicken
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Fraͤulein Howe, welcher unter allen weltlichen
Vorſtellungen mir itzo der wertheſte und betraͤcht-
lichſte iſt. Alles dieß habe ich erwogen: und der
Ausſchlag iſt, und war es ſchon vorher, ehe Sie
mir die Gefaͤlligkeit erzeigten, jene Nachrichten
mitzutheilen, daß ich mehr Beruhigung in der
Hoffnung finde, daß es in einem Monathe ganz
mit mir zu Ende ſeyn werde, als in den ange-
nehmſten Dingen, die aus einer Verbindung mit
dem Herrn Lovelace entſtehen koͤnnten; wenn ich
auch verſichert waͤre, daß er ſich als den beſten
und zaͤrtlichſten Ehegatten beweiſen wuͤrde. Uebri-
gens aber, wo er ſich nur mit denen Uebeln be-
gnuͤgen laſſen will, die er uͤber mich gebracht hat;
will ich ihm, bis an die letzte Stunde meines Le-
bens, Gutes wuͤnſchen: ob er gleich die Vater-
loſe mit Ungemach uͤberhaͤufet, und fuͤr
ſeine Freundinn eine Grube gegraben hat.
Denn vaterlos, ja auch mutterlos mag diejenige
wohl genannt werden, der aller vaͤterlicher Schutz,
und alle muͤtterliche Vergebung, verſaget iſt.
Nun, mein Herr, da ich Jhre Gewogenheit
in Ertheilung der verlangten Auszuͤge mit ſchul-
digem Dank erkenne, komme ich auf das zweyte
Stuͤck meiner Bitte. Dieſes erfordert eine große
Dreiſtigkeit, wenn ich es Jhnen eroͤffnen ſoll:
eine Dreiſtigkeit, die nichts, als eine große Wi-
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geben kann. Jedoch, wo es ſich nicht ſchicken
will,
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 683. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/689>, abgerufen am 22.11.2024.
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