Noch einmal bitte ich Sie, daß Sie nicht daran gedenken, zu mir zu kommen. Jch habe itzo keine Unruhe mehr, außer derjenigen, welche von der Furcht, einen Menschen zu sehen, den ich um aller Welt willen nicht sehen wollte, wenn ich es ändern könnte, und von der Härte meiner nä- hesten und liebsten Verwandten herrühret: einer Härte, die in ihnen selbst, wie ich besorge, allein ihren Grund hat. Denn Sie melden mir, daß mein Bruder in Edenburg sey. Sie würden daher ihre Härte nur vermehren, und über dieß sich selbst Feinde machen: wenn Sie zu mir kom- men sollten. Sehen Sie das nicht?
Herr Brand mag kommen, wo er will. Er ist ein Geistlicher und muß es gut meynen: oder ich muß so gedenken; er mag von mir sagen, was ihm beliebt. Alles, was ich besorge, ist nur dieß einzige, daß, weil er weiß, ich sey in Ungnaden bey einer Familie, bey der er sich in Achtung zu erhalten wünschet, und weil er meinem Onkel Harlowe und meinem Vater Verbindlichkeit hat, er mich nur auf eine matte und kaltsinnige Art freysprechen werde. Deswegen aber fürchte ich mich nicht vor demjenigen, was er oder sonst je- mand in der Welt von meiner Aufführung hören kann. Sie können versichert seyn, meine geliebte und werthe Freundinn, in Wahrheit Sie können, daß diese so beschaffen ist, daß ich getrost der Nach- frage des Allerdienstfertigsten Trotz bieten darf.
Jch will Jhnen, wie Sie verlangen, von dem was vorgehet, Abschriften zusenden: wenn
ich
Noch einmal bitte ich Sie, daß Sie nicht daran gedenken, zu mir zu kommen. Jch habe itzo keine Unruhe mehr, außer derjenigen, welche von der Furcht, einen Menſchen zu ſehen, den ich um aller Welt willen nicht ſehen wollte, wenn ich es aͤndern koͤnnte, und von der Haͤrte meiner naͤ- heſten und liebſten Verwandten herruͤhret: einer Haͤrte, die in ihnen ſelbſt, wie ich beſorge, allein ihren Grund hat. Denn Sie melden mir, daß mein Bruder in Edenburg ſey. Sie wuͤrden daher ihre Haͤrte nur vermehren, und uͤber dieß ſich ſelbſt Feinde machen: wenn Sie zu mir kom- men ſollten. Sehen Sie das nicht?
Herr Brand mag kommen, wo er will. Er iſt ein Geiſtlicher und muß es gut meynen: oder ich muß ſo gedenken; er mag von mir ſagen, was ihm beliebt. Alles, was ich beſorge, iſt nur dieß einzige, daß, weil er weiß, ich ſey in Ungnaden bey einer Familie, bey der er ſich in Achtung zu erhalten wuͤnſchet, und weil er meinem Onkel Harlowe und meinem Vater Verbindlichkeit hat, er mich nur auf eine matte und kaltſinnige Art freyſprechen werde. Deswegen aber fuͤrchte ich mich nicht vor demjenigen, was er oder ſonſt je- mand in der Welt von meiner Auffuͤhrung hoͤren kann. Sie koͤnnen verſichert ſeyn, meine geliebte und werthe Freundinn, in Wahrheit Sie koͤnnen, daß dieſe ſo beſchaffen iſt, daß ich getroſt der Nach- frage des Allerdienſtfertigſten Trotz bieten darf.
Jch will Jhnen, wie Sie verlangen, von dem was vorgehet, Abſchriften zuſenden: wenn
ich
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Noch einmal bitte ich Sie, daß Sie nicht
daran gedenken, zu mir zu kommen. Jch habe
itzo keine Unruhe mehr, außer derjenigen, welche
von der Furcht, einen Menſchen zu ſehen, den ich
um aller Welt willen nicht ſehen wollte, wenn ich
es aͤndern koͤnnte, und von der Haͤrte meiner naͤ-
heſten und liebſten Verwandten herruͤhret: einer
Haͤrte, die in ihnen ſelbſt, wie ich beſorge, allein
ihren Grund hat. Denn Sie melden mir, daß
mein Bruder in Edenburg ſey. Sie wuͤrden
daher ihre Haͤrte nur vermehren, und uͤber dieß
ſich ſelbſt Feinde machen: wenn Sie zu mir kom-
men ſollten. Sehen Sie das nicht?
Herr Brand mag kommen, wo er will. Er
iſt ein Geiſtlicher und muß es gut meynen: oder
ich muß ſo gedenken; er mag von mir ſagen, was
ihm beliebt. Alles, was ich beſorge, iſt nur dieß
einzige, daß, weil er weiß, ich ſey in Ungnaden
bey einer Familie, bey der er ſich in Achtung zu
erhalten wuͤnſchet, und weil er meinem Onkel
Harlowe und meinem Vater Verbindlichkeit hat,
er mich nur auf eine matte und kaltſinnige Art
freyſprechen werde. Deswegen aber fuͤrchte ich
mich nicht vor demjenigen, was er oder ſonſt je-
mand in der Welt von meiner Auffuͤhrung hoͤren
kann. Sie koͤnnen verſichert ſeyn, meine geliebte
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 658. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/664>, abgerufen am 22.11.2024.
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