Herz machet, weit stärker, als die mir irgend eine andere Person machen kann: ob ich gleich nicht halb so strafwürdig bin, als man sich einbildet. Wären alle Umstände meiner unglücklichen Ge- schichte bekannt: so würde dieß zugestanden wer- den. Jch will bereit seyn, der Fr. Norton, wenn es ihr aufgetragen wird, sich darnach zu erkun- digen, oder Euch, meine Schwester, wo Jhr die Gedult haben könnet, sie anzuhören, dieselben zu eröffnen.
Jch habe mit einem blutenden Herzen daran gedacht, was der 24te Jul. für ein Tag wäre. Jch habe mit dem Abend vor demselben angefan- gen und den Tag selbst so begangen - - wie es sich schickte ihn zu begehen - - Jch kann auch meinen theuren und allezeit geehrtesten Eltern, und Euch, meine Arabelle, keinen andern Trost, als diesen, geben - - daß, wie es der erste un- glückliche Geburtstag von mir gewesen ist, es auch nach aller Wahrscheinlichkeit der letzte seyn werde.
Glaubet mir, meine liebe Schwester, ich sa- ge dieß nicht, bloß Mitleiden zu erwecken, son- dern aus den besten Gründen. Da ich es nun für meine Gemüthsruhe von der höchsten Wich- tigkeit ansehe, noch eine Gunst mehr zu erlan- gen: so wollte ich Eurer Fürsprache, als meiner Schwester, gern die Erlaubniß zu danken haben, um welche ich ersuche, mir fünf bis sechs Zeilen an einen von meinen geehrtesten Eltern, oder an beyde, mit der Hoffnung zu einer Antwort abzu-
lassen,
Herz machet, weit ſtaͤrker, als die mir irgend eine andere Perſon machen kann: ob ich gleich nicht halb ſo ſtrafwuͤrdig bin, als man ſich einbildet. Waͤren alle Umſtaͤnde meiner ungluͤcklichen Ge- ſchichte bekannt: ſo wuͤrde dieß zugeſtanden wer- den. Jch will bereit ſeyn, der Fr. Norton, wenn es ihr aufgetragen wird, ſich darnach zu erkun- digen, oder Euch, meine Schweſter, wo Jhr die Gedult haben koͤnnet, ſie anzuhoͤren, dieſelben zu eroͤffnen.
Jch habe mit einem blutenden Herzen daran gedacht, was der 24te Jul. fuͤr ein Tag waͤre. Jch habe mit dem Abend vor demſelben angefan- gen und den Tag ſelbſt ſo begangen ‒ ‒ wie es ſich ſchickte ihn zu begehen ‒ ‒ Jch kann auch meinen theuren und allezeit geehrteſten Eltern, und Euch, meine Arabelle, keinen andern Troſt, als dieſen, geben ‒ ‒ daß, wie es der erſte un- gluͤckliche Geburtstag von mir geweſen iſt, es auch nach aller Wahrſcheinlichkeit der letzte ſeyn werde.
Glaubet mir, meine liebe Schweſter, ich ſa- ge dieß nicht, bloß Mitleiden zu erwecken, ſon- dern aus den beſten Gruͤnden. Da ich es nun fuͤr meine Gemuͤthsruhe von der hoͤchſten Wich- tigkeit anſehe, noch eine Gunſt mehr zu erlan- gen: ſo wollte ich Eurer Fuͤrſprache, als meiner Schweſter, gern die Erlaubniß zu danken haben, um welche ich erſuche, mir fuͤnf bis ſechs Zeilen an einen von meinen geehrteſten Eltern, oder an beyde, mit der Hoffnung zu einer Antwort abzu-
laſſen,
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Herz machet, weit ſtaͤrker, als die mir irgend eine
andere Perſon machen kann: ob ich gleich nicht
halb ſo ſtrafwuͤrdig bin, als man ſich einbildet.
Waͤren alle Umſtaͤnde meiner ungluͤcklichen Ge-
ſchichte bekannt: ſo wuͤrde dieß zugeſtanden wer-
den. Jch will bereit ſeyn, der Fr. Norton, wenn
es ihr aufgetragen wird, ſich darnach zu erkun-
digen, oder Euch, meine Schweſter, wo Jhr die
Gedult haben koͤnnet, ſie anzuhoͤren, dieſelben zu
eroͤffnen.
Jch habe mit einem blutenden Herzen daran
gedacht, was der 24te Jul. fuͤr ein Tag waͤre.
Jch habe mit dem Abend vor demſelben angefan-
gen und den Tag ſelbſt ſo begangen ‒ ‒ wie es
ſich ſchickte ihn zu begehen ‒ ‒ Jch kann auch
meinen theuren und allezeit geehrteſten Eltern,
und Euch, meine Arabelle, keinen andern Troſt,
als dieſen, geben ‒ ‒ daß, wie es der erſte un-
gluͤckliche Geburtstag von mir geweſen iſt, es
auch nach aller Wahrſcheinlichkeit der letzte ſeyn
werde.
Glaubet mir, meine liebe Schweſter, ich ſa-
ge dieß nicht, bloß Mitleiden zu erwecken, ſon-
dern aus den beſten Gruͤnden. Da ich es nun
fuͤr meine Gemuͤthsruhe von der hoͤchſten Wich-
tigkeit anſehe, noch eine Gunſt mehr zu erlan-
gen: ſo wollte ich Eurer Fuͤrſprache, als meiner
Schweſter, gern die Erlaubniß zu danken haben,
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 650. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/656>, abgerufen am 22.11.2024.
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