tzung gegen jene in sich schließen muß, nicht an- nehmen.
Wenn mir hiernächst etwas eine Lust zum Leben machen könnte; nach dem, was ich gelit- ten habe: so würde es die Hoffnung seyn, daß die mehr als schwesterliche Liebe, welche uns seit so vielen Jahren durch ein beständiges Band, als eine Seele, mit einander vereiniget hat, fortdau- ren werde - - Und warum sollten Sie, meine Wertheste, Anstand nehmen, durch ein noch stär- kers Band einer Person, die so wenige Freunde hat, noch einen Freund zu verschaffen?
Es ist mir lieb, daß Sie meinen Brief der Fräulein Montague übersandt haben. Jch hof- fe, ich werde von dem unglückseligen Menschen nichts mehr hören.
Jch hatte angefangen, die eigentlichen Um- stände meiner traurigen Begebenheit aufzusetzen. Aber es ist eine so kummervolle Arbeit, und ich habe so viele wichtigere Dinge zu thun, und, wie ich besorge, so wenige Zeit zu denselben, daß ich nicht weiter fortfahren würde, wenn ich mich ent- ziehen könnte.
Außer dem weiß ich bis auf diese Stunde noch nicht, durch was für Mittel einige von sei- nen Anschlägen, mich unglücklich zu machen, ins Werk gerichtet sind. Daher müßten einige we- sentliche Stücke von meiner betrübten Geschichte mangelhaft bleiben: wenn ich sie schreiben sollte. Allein ich habe an ein Mittel gedacht, welches die Absicht, die Jhre Fr. Mutter und Sie selbst zu
erlan-
tzung gegen jene in ſich ſchließen muß, nicht an- nehmen.
Wenn mir hiernaͤchſt etwas eine Luſt zum Leben machen koͤnnte; nach dem, was ich gelit- ten habe: ſo wuͤrde es die Hoffnung ſeyn, daß die mehr als ſchweſterliche Liebe, welche uns ſeit ſo vielen Jahren durch ein beſtaͤndiges Band, als eine Seele, mit einander vereiniget hat, fortdau- ren werde ‒ ‒ Und warum ſollten Sie, meine Wertheſte, Anſtand nehmen, durch ein noch ſtaͤr- kers Band einer Perſon, die ſo wenige Freunde hat, noch einen Freund zu verſchaffen?
Es iſt mir lieb, daß Sie meinen Brief der Fraͤulein Montague uͤberſandt haben. Jch hof- fe, ich werde von dem ungluͤckſeligen Menſchen nichts mehr hoͤren.
Jch hatte angefangen, die eigentlichen Um- ſtaͤnde meiner traurigen Begebenheit aufzuſetzen. Aber es iſt eine ſo kummervolle Arbeit, und ich habe ſo viele wichtigere Dinge zu thun, und, wie ich beſorge, ſo wenige Zeit zu denſelben, daß ich nicht weiter fortfahren wuͤrde, wenn ich mich ent- ziehen koͤnnte.
Außer dem weiß ich bis auf dieſe Stunde noch nicht, durch was fuͤr Mittel einige von ſei- nen Anſchlaͤgen, mich ungluͤcklich zu machen, ins Werk gerichtet ſind. Daher muͤßten einige we- ſentliche Stuͤcke von meiner betruͤbten Geſchichte mangelhaft bleiben: wenn ich ſie ſchreiben ſollte. Allein ich habe an ein Mittel gedacht, welches die Abſicht, die Jhre Fr. Mutter und Sie ſelbſt zu
erlan-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0648"n="642"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
tzung gegen jene in ſich ſchließen muß, nicht an-<lb/>
nehmen.</p><lb/><p>Wenn mir hiernaͤchſt etwas eine Luſt zum<lb/>
Leben machen koͤnnte; nach dem, was ich gelit-<lb/>
ten habe: ſo wuͤrde es die Hoffnung ſeyn, daß die<lb/>
mehr als ſchweſterliche Liebe, welche uns ſeit ſo<lb/>
vielen Jahren durch ein beſtaͤndiges Band, als<lb/>
eine Seele, mit einander vereiniget hat, fortdau-<lb/>
ren werde ‒‒ Und warum ſollten Sie, meine<lb/>
Wertheſte, Anſtand nehmen, durch ein noch ſtaͤr-<lb/>
kers Band einer Perſon, die ſo wenige Freunde<lb/>
hat, noch einen Freund zu verſchaffen?</p><lb/><p>Es iſt mir lieb, daß Sie meinen Brief der<lb/>
Fraͤulein Montague uͤberſandt haben. Jch hof-<lb/>
fe, ich werde von dem ungluͤckſeligen Menſchen<lb/>
nichts mehr hoͤren.</p><lb/><p>Jch hatte angefangen, die eigentlichen Um-<lb/>ſtaͤnde meiner traurigen Begebenheit aufzuſetzen.<lb/>
Aber es iſt eine ſo kummervolle Arbeit, und ich<lb/>
habe ſo viele wichtigere Dinge zu thun, und, wie<lb/>
ich beſorge, ſo wenige Zeit zu denſelben, daß ich<lb/>
nicht weiter fortfahren wuͤrde, wenn ich mich ent-<lb/>
ziehen koͤnnte.</p><lb/><p>Außer dem weiß ich bis auf dieſe Stunde<lb/>
noch nicht, durch was fuͤr Mittel einige von ſei-<lb/>
nen Anſchlaͤgen, mich ungluͤcklich zu machen, ins<lb/>
Werk gerichtet ſind. Daher muͤßten einige we-<lb/>ſentliche Stuͤcke von meiner betruͤbten Geſchichte<lb/>
mangelhaft bleiben: wenn ich ſie ſchreiben ſollte.<lb/>
Allein ich habe an ein Mittel gedacht, welches die<lb/>
Abſicht, die Jhre Fr. Mutter und Sie ſelbſt zu<lb/><fwplace="bottom"type="catch">erlan-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[642/0648]
tzung gegen jene in ſich ſchließen muß, nicht an-
nehmen.
Wenn mir hiernaͤchſt etwas eine Luſt zum
Leben machen koͤnnte; nach dem, was ich gelit-
ten habe: ſo wuͤrde es die Hoffnung ſeyn, daß die
mehr als ſchweſterliche Liebe, welche uns ſeit ſo
vielen Jahren durch ein beſtaͤndiges Band, als
eine Seele, mit einander vereiniget hat, fortdau-
ren werde ‒ ‒ Und warum ſollten Sie, meine
Wertheſte, Anſtand nehmen, durch ein noch ſtaͤr-
kers Band einer Perſon, die ſo wenige Freunde
hat, noch einen Freund zu verſchaffen?
Es iſt mir lieb, daß Sie meinen Brief der
Fraͤulein Montague uͤberſandt haben. Jch hof-
fe, ich werde von dem ungluͤckſeligen Menſchen
nichts mehr hoͤren.
Jch hatte angefangen, die eigentlichen Um-
ſtaͤnde meiner traurigen Begebenheit aufzuſetzen.
Aber es iſt eine ſo kummervolle Arbeit, und ich
habe ſo viele wichtigere Dinge zu thun, und, wie
ich beſorge, ſo wenige Zeit zu denſelben, daß ich
nicht weiter fortfahren wuͤrde, wenn ich mich ent-
ziehen koͤnnte.
Außer dem weiß ich bis auf dieſe Stunde
noch nicht, durch was fuͤr Mittel einige von ſei-
nen Anſchlaͤgen, mich ungluͤcklich zu machen, ins
Werk gerichtet ſind. Daher muͤßten einige we-
ſentliche Stuͤcke von meiner betruͤbten Geſchichte
mangelhaft bleiben: wenn ich ſie ſchreiben ſollte.
Allein ich habe an ein Mittel gedacht, welches die
Abſicht, die Jhre Fr. Mutter und Sie ſelbſt zu
erlan-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 642. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/648>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.