haupt, und aus seinen Unternehmungen gegen viele von demselben schließet; und seine natürliche Grausamkeit, und die Neigung, mit seinen Erfin- dungen sein Spiel zu treiben, nebst der hohen Meynung, die er von sich selber hat, überleget: so wird man nicht zweifeln, daß eine Frau bey ihm unglücklich gewesen seyn möchte; und noch unglücklicher, wenn sie ihn lieb gehabt, als wenn sie gleichgültig gegen ihn hätte seyn können.
Eine Zeit von zwölf Monaten hätte, nach der größten Wahrscheinlichkeit, meinem Leben ein Ziel setzen mögen: da ich mit meinen Freunden so übel daran; da ich von meinem Bruder und meiner Schwester verfolget und geängstiget wor- den, und mein Herz selbst durch die freywillige, und, wie nun offenbar am Tage liegt, vorsetzliche Unschlüßigkeit des Menschen zerrissen war; des Menschen, von dem ich Dank zu verdienen suchte, und von dem ich um so viel mehr berechtigt war, Schutz zu erwarten, weil er mich alles andern Schutzes beraubet, und, indem er meine eigne Familie hassete, mich dahin gebracht hatte, daß ich mich ihm gänzlich überlassen mußte. Dieß war vormals, wie ich dachte, seine ganze Absicht: und elend genug für mich, wenn sie es ganz ge- wesen wäre.
Kann man wohl denken, liebste Freundinn, daß, so glücklich als ich war, ehe ich Hrn. Lovela- cen kennen lernete, mein Herz durch eine so un- glückliche Veränderung in meinen Umständen nicht angegriffen worden? - - Vielleicht brauch-
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haupt, und aus ſeinen Unternehmungen gegen viele von demſelben ſchließet; und ſeine natuͤrliche Grauſamkeit, und die Neigung, mit ſeinen Erfin- dungen ſein Spiel zu treiben, nebſt der hohen Meynung, die er von ſich ſelber hat, uͤberleget: ſo wird man nicht zweifeln, daß eine Frau bey ihm ungluͤcklich geweſen ſeyn moͤchte; und noch ungluͤcklicher, wenn ſie ihn lieb gehabt, als wenn ſie gleichguͤltig gegen ihn haͤtte ſeyn koͤnnen.
Eine Zeit von zwoͤlf Monaten haͤtte, nach der groͤßten Wahrſcheinlichkeit, meinem Leben ein Ziel ſetzen moͤgen: da ich mit meinen Freunden ſo uͤbel daran; da ich von meinem Bruder und meiner Schweſter verfolget und geaͤngſtiget wor- den, und mein Herz ſelbſt durch die freywillige, und, wie nun offenbar am Tage liegt, vorſetzliche Unſchluͤßigkeit des Menſchen zerriſſen war; des Menſchen, von dem ich Dank zu verdienen ſuchte, und von dem ich um ſo viel mehr berechtigt war, Schutz zu erwarten, weil er mich alles andern Schutzes beraubet, und, indem er meine eigne Familie haſſete, mich dahin gebracht hatte, daß ich mich ihm gaͤnzlich uͤberlaſſen mußte. Dieß war vormals, wie ich dachte, ſeine ganze Abſicht: und elend genug fuͤr mich, wenn ſie es ganz ge- weſen waͤre.
Kann man wohl denken, liebſte Freundinn, daß, ſo gluͤcklich als ich war, ehe ich Hrn. Lovela- cen kennen lernete, mein Herz durch eine ſo un- gluͤckliche Veraͤnderung in meinen Umſtaͤnden nicht angegriffen worden? ‒ ‒ Vielleicht brauch-
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haupt, und aus ſeinen Unternehmungen gegen
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Grauſamkeit, und die Neigung, mit ſeinen Erfin-
dungen ſein Spiel zu treiben, nebſt der hohen
Meynung, die er von ſich ſelber hat, uͤberleget:
ſo wird man nicht zweifeln, daß eine Frau bey
ihm ungluͤcklich geweſen ſeyn moͤchte; und noch
ungluͤcklicher, wenn ſie ihn lieb gehabt, als wenn
ſie gleichguͤltig gegen ihn haͤtte ſeyn koͤnnen.
Eine Zeit von zwoͤlf Monaten haͤtte, nach
der groͤßten Wahrſcheinlichkeit, meinem Leben ein
Ziel ſetzen moͤgen: da ich mit meinen Freunden
ſo uͤbel daran; da ich von meinem Bruder und
meiner Schweſter verfolget und geaͤngſtiget wor-
den, und mein Herz ſelbſt durch die freywillige,
und, wie nun offenbar am Tage liegt, vorſetzliche
Unſchluͤßigkeit des Menſchen zerriſſen war; des
Menſchen, von dem ich Dank zu verdienen ſuchte,
und von dem ich um ſo viel mehr berechtigt war,
Schutz zu erwarten, weil er mich alles andern
Schutzes beraubet, und, indem er meine eigne
Familie haſſete, mich dahin gebracht hatte, daß
ich mich ihm gaͤnzlich uͤberlaſſen mußte. Dieß
war vormals, wie ich dachte, ſeine ganze Abſicht:
und elend genug fuͤr mich, wenn ſie es ganz ge-
weſen waͤre.
Kann man wohl denken, liebſte Freundinn,
daß, ſo gluͤcklich als ich war, ehe ich Hrn. Lovela-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 636. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/642>, abgerufen am 26.11.2024.
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