Der sechs und achtzigste Brief von Fräulein Clarissa Harlowe an Fräulein Howe.
Sonntags, den 30ten Jul.
Sie haben mir ein großes Vergnügen gemacht, meine theureste Freundinn, daß Sie meine Art zu denken und die Entschließung, Herrn Lo- velacen niemals zu nehmen, welche sich darauf gründet, gebilliget haben. Dieser Beyfall ist, nach der Beschaffenheit der Umstände, und nach der genauen Beobachtung wahrer Ehre und der erhabenen Gemüthsart, die ich an meiner Anna Howe allezeit bewundert habe, so gerecht, daß ich schwerlich sagen konnte, wohin ich den Rath, den Sie mir gaben, das Gegentheil zu thun, rechnen sollte, wofern ich ihn nicht etwa meinem unglücklichen Schicksal zuschreiben müßte, wel- ches endlich haben wollte, daß ich niemanden mehr gefallen möchte.
Lassen Sie aber den schlechten Zustand mei- ner Gesundheit, und das, worauf dieser natürli- cher Weise hinausgehen mag, sich nicht betrüben. Jch habe mich gegen Sie erkläret, daß ich dem Leben nicht entlaufen, und keine Mittel versäu- men will, wodurch es verlängert werden kann; wofern es Gott gefällt: und gefällt es ihm
nicht;
Der ſechs und achtzigſte Brief von Fraͤulein Clariſſa Harlowe an Fraͤulein Howe.
Sonntags, den 30ten Jul.
Sie haben mir ein großes Vergnuͤgen gemacht, meine theureſte Freundinn, daß Sie meine Art zu denken und die Entſchließung, Herrn Lo- velacen niemals zu nehmen, welche ſich darauf gruͤndet, gebilliget haben. Dieſer Beyfall iſt, nach der Beſchaffenheit der Umſtaͤnde, und nach der genauen Beobachtung wahrer Ehre und der erhabenen Gemuͤthsart, die ich an meiner Anna Howe allezeit bewundert habe, ſo gerecht, daß ich ſchwerlich ſagen konnte, wohin ich den Rath, den Sie mir gaben, das Gegentheil zu thun, rechnen ſollte, wofern ich ihn nicht etwa meinem ungluͤcklichen Schickſal zuſchreiben muͤßte, wel- ches endlich haben wollte, daß ich niemanden mehr gefallen moͤchte.
Laſſen Sie aber den ſchlechten Zuſtand mei- ner Geſundheit, und das, worauf dieſer natuͤrli- cher Weiſe hinausgehen mag, ſich nicht betruͤben. Jch habe mich gegen Sie erklaͤret, daß ich dem Leben nicht entlaufen, und keine Mittel verſaͤu- men will, wodurch es verlaͤngert werden kann; wofern es Gott gefaͤllt: und gefaͤllt es ihm
nicht;
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Der ſechs und achtzigſte Brief
von
Fraͤulein Clariſſa Harlowe an Fraͤulein
Howe.
Sonntags, den 30ten Jul.
Sie haben mir ein großes Vergnuͤgen gemacht,
meine theureſte Freundinn, daß Sie meine
Art zu denken und die Entſchließung, Herrn Lo-
velacen niemals zu nehmen, welche ſich darauf
gruͤndet, gebilliget haben. Dieſer Beyfall iſt,
nach der Beſchaffenheit der Umſtaͤnde, und nach
der genauen Beobachtung wahrer Ehre und der
erhabenen Gemuͤthsart, die ich an meiner Anna
Howe allezeit bewundert habe, ſo gerecht, daß
ich ſchwerlich ſagen konnte, wohin ich den Rath,
den Sie mir gaben, das Gegentheil zu thun,
rechnen ſollte, wofern ich ihn nicht etwa meinem
ungluͤcklichen Schickſal zuſchreiben muͤßte, wel-
ches endlich haben wollte, daß ich niemanden
mehr gefallen moͤchte.
Laſſen Sie aber den ſchlechten Zuſtand mei-
ner Geſundheit, und das, worauf dieſer natuͤrli-
cher Weiſe hinausgehen mag, ſich nicht betruͤben.
Jch habe mich gegen Sie erklaͤret, daß ich dem
Leben nicht entlaufen, und keine Mittel verſaͤu-
men will, wodurch es verlaͤngert werden kann;
wofern es Gott gefaͤllt: und gefaͤllt es ihm
nicht;
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 634. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/640>, abgerufen am 22.11.2024.
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