Jch wünschte, daß Eure Aufführung so be- schaffen gewesen wäre, daß Euer Zufall mehr Mitleiden verdiente. Allein Jhr habt nur ge- funden, was ihr gesucht habt.
Gott helfe Euch! - - denn Jhr habt keinen Freund, der Euch ansehen wird! - - Armes, gottloses, verlohrnes Geschöpfe! - - Jhr seyd gegen alles Warnen, alles Vorhalten, alle Pflicht und Gehorsam, gefallen.
Aber es nützt nichts, daß ich Euch Verweise gebe. Jch weine über euch!
Meine arme Mutter! - - O! Eure Unbe- sonnenheit hat sie weit elender gemacht, als Jhr seyn könnet! Dennoch hat sie meinen Vater ge- beten, Euch Eurer Bitte zu gewähren.
Meine Onkels vereinigten sich mit ihr: denn sie dachten, es wäre ein wenig mehr Bescheiden- heit in Eurem Briefe, als in dem Schreiben Eurer muthigen Fürsprecherinn. Es hat ihm daher gefallen, mir zu erlauben, daß ich schreibe, aber für ihn nur allein diese Worte, und nicht mehr: "Er hebe den Fluch auf, den er auf Euch "legte, als er zuerst von Eurer gottlosen Flucht "hörte, so weit es in seiner Gewalt stehet, und "hoffe, daß Eure gegenwärtige Strafe allein die- "jenige seyn möge, die Jhr findet; übrigens wol- "le er Euch niemals für sein Kind erkennen, "Euch niemals vergeben, und bedaure schmerz- "lich, daß er eine solche Tochter in der Welt "habe."
Alles
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Jch wuͤnſchte, daß Eure Auffuͤhrung ſo be- ſchaffen geweſen waͤre, daß Euer Zufall mehr Mitleiden verdiente. Allein Jhr habt nur ge- funden, was ihr geſucht habt.
Gott helfe Euch! ‒ ‒ denn Jhr habt keinen Freund, der Euch anſehen wird! ‒ ‒ Armes, gottloſes, verlohrnes Geſchoͤpfe! ‒ ‒ Jhr ſeyd gegen alles Warnen, alles Vorhalten, alle Pflicht und Gehorſam, gefallen.
Aber es nuͤtzt nichts, daß ich Euch Verweiſe gebe. Jch weine uͤber euch!
Meine arme Mutter! ‒ ‒ O! Eure Unbe- ſonnenheit hat ſie weit elender gemacht, als Jhr ſeyn koͤnnet! Dennoch hat ſie meinen Vater ge- beten, Euch Eurer Bitte zu gewaͤhren.
Meine Onkels vereinigten ſich mit ihr: denn ſie dachten, es waͤre ein wenig mehr Beſcheiden- heit in Eurem Briefe, als in dem Schreiben Eurer muthigen Fuͤrſprecherinn. Es hat ihm daher gefallen, mir zu erlauben, daß ich ſchreibe, aber fuͤr ihn nur allein dieſe Worte, und nicht mehr: „Er hebe den Fluch auf, den er auf Euch „legte, als er zuerſt von Eurer gottloſen Flucht „hoͤrte, ſo weit es in ſeiner Gewalt ſtehet, und „hoffe, daß Eure gegenwaͤrtige Strafe allein die- „jenige ſeyn moͤge, die Jhr findet; uͤbrigens wol- „le er Euch niemals fuͤr ſein Kind erkennen, „Euch niemals vergeben, und bedaure ſchmerz- „lich, daß er eine ſolche Tochter in der Welt „habe.“
Alles
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Jch wuͤnſchte, daß Eure Auffuͤhrung ſo be-
ſchaffen geweſen waͤre, daß Euer Zufall mehr
Mitleiden verdiente. Allein Jhr habt nur ge-
funden, was ihr geſucht habt.
Gott helfe Euch! ‒ ‒ denn Jhr habt keinen
Freund, der Euch anſehen wird! ‒ ‒ Armes,
gottloſes, verlohrnes Geſchoͤpfe! ‒ ‒ Jhr ſeyd
gegen alles Warnen, alles Vorhalten, alle Pflicht
und Gehorſam, gefallen.
Aber es nuͤtzt nichts, daß ich Euch Verweiſe
gebe. Jch weine uͤber euch!
Meine arme Mutter! ‒ ‒ O! Eure Unbe-
ſonnenheit hat ſie weit elender gemacht, als Jhr
ſeyn koͤnnet! Dennoch hat ſie meinen Vater ge-
beten, Euch Eurer Bitte zu gewaͤhren.
Meine Onkels vereinigten ſich mit ihr: denn
ſie dachten, es waͤre ein wenig mehr Beſcheiden-
heit in Eurem Briefe, als in dem Schreiben
Eurer muthigen Fuͤrſprecherinn. Es hat ihm
daher gefallen, mir zu erlauben, daß ich ſchreibe,
aber fuͤr ihn nur allein dieſe Worte, und nicht
mehr: „Er hebe den Fluch auf, den er auf Euch
„legte, als er zuerſt von Eurer gottloſen Flucht
„hoͤrte, ſo weit es in ſeiner Gewalt ſtehet, und
„hoffe, daß Eure gegenwaͤrtige Strafe allein die-
„jenige ſeyn moͤge, die Jhr findet; uͤbrigens wol-
„le er Euch niemals fuͤr ſein Kind erkennen,
„Euch niemals vergeben, und bedaure ſchmerz-
„lich, daß er eine ſolche Tochter in der Welt
„habe.“
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 631. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/637>, abgerufen am 22.11.2024.
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