meynte Gütigkeit verdrieslich gemacht, und da- durch gereizet würden, mir dieselbe abzuschlagen. Warum sollte auch mehr für mich verlanget wer- den, als ich genießen kann? Mehr, als schlech- terdings für meine Zufriedenheit nothwendig ist?
Sie vermuthen, daß ich meiner Schwester Antwort auf meinen Brief unterdessen, da der ihrige mir zu Händen käme, haben würde. Jch habe sie: und sie ist hart, sehr hart. Jedoch, wenn ich mein Vergehen, wie es in ihren Augen ist, und die Erbitterungen, wozu sie, wie ich glau- ben muß, so neulich von meiner lieben Fräulein Howe gereizet sind, überlege: so muß ich es als eine Gewogenheit ansehen, daß er nur einmal be- antwortet ist. Jch will Jhnen bald, so wohl von derselben, als von meinem Schreiben, worauf es die Antwort ist, eine Abschrift übersenden.
Jch habe Ursache, meinem Vater vielen Dank zu wissen, daß er den schweren Fluch, der mich so sehr drückte, von mir genommen hat. - - Eines Vaters Fluch, meine liebe Fr. Norton! Was für ein Kind könnte unter dem Fluch eines Vaters geruhig sterben: sonderlich wenn er so buchstäblich, als dieser, erfüllet ist, in so fern er auf das gegenwärtige Leben gehet!
Mein Herz ist mir zu schwer, daß ich die be- sondern Umstände in dem Briefe meiner Schwe- ster berühren könnte. - - Jch kann mein Ver- gehen nur auf eine Art büßen und aussöhnen. O möchte diese doch angenommen werden! Und möchten alle werthe Verwandten bald vergessen,
daß
meynte Guͤtigkeit verdrieslich gemacht, und da- durch gereizet wuͤrden, mir dieſelbe abzuſchlagen. Warum ſollte auch mehr fuͤr mich verlanget wer- den, als ich genießen kann? Mehr, als ſchlech- terdings fuͤr meine Zufriedenheit nothwendig iſt?
Sie vermuthen, daß ich meiner Schweſter Antwort auf meinen Brief unterdeſſen, da der ihrige mir zu Haͤnden kaͤme, haben wuͤrde. Jch habe ſie: und ſie iſt hart, ſehr hart. Jedoch, wenn ich mein Vergehen, wie es in ihren Augen iſt, und die Erbitterungen, wozu ſie, wie ich glau- ben muß, ſo neulich von meiner lieben Fraͤulein Howe gereizet ſind, uͤberlege: ſo muß ich es als eine Gewogenheit anſehen, daß er nur einmal be- antwortet iſt. Jch will Jhnen bald, ſo wohl von derſelben, als von meinem Schreiben, worauf es die Antwort iſt, eine Abſchrift uͤberſenden.
Jch habe Urſache, meinem Vater vielen Dank zu wiſſen, daß er den ſchweren Fluch, der mich ſo ſehr druͤckte, von mir genommen hat. ‒ ‒ Eines Vaters Fluch, meine liebe Fr. Norton! Was fuͤr ein Kind koͤnnte unter dem Fluch eines Vaters geruhig ſterben: ſonderlich wenn er ſo buchſtaͤblich, als dieſer, erfuͤllet iſt, in ſo fern er auf das gegenwaͤrtige Leben gehet!
Mein Herz iſt mir zu ſchwer, daß ich die be- ſondern Umſtaͤnde in dem Briefe meiner Schwe- ſter beruͤhren koͤnnte. ‒ ‒ Jch kann mein Ver- gehen nur auf eine Art buͤßen und ausſoͤhnen. O moͤchte dieſe doch angenommen werden! Und moͤchten alle werthe Verwandten bald vergeſſen,
daß
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0634"n="628"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
meynte Guͤtigkeit verdrieslich gemacht, und da-<lb/>
durch gereizet wuͤrden, mir dieſelbe abzuſchlagen.<lb/>
Warum ſollte auch mehr fuͤr mich verlanget wer-<lb/>
den, als ich genießen kann? Mehr, als ſchlech-<lb/>
terdings fuͤr meine Zufriedenheit nothwendig iſt?</p><lb/><p>Sie vermuthen, daß ich meiner Schweſter<lb/>
Antwort auf meinen Brief unterdeſſen, da der<lb/>
ihrige mir zu Haͤnden kaͤme, haben wuͤrde. Jch<lb/>
habe ſie: und ſie iſt hart, ſehr hart. Jedoch,<lb/>
wenn ich mein Vergehen, wie es in ihren Augen<lb/>
iſt, und die Erbitterungen, wozu ſie, wie ich glau-<lb/>
ben muß, ſo neulich von meiner lieben Fraͤulein<lb/>
Howe gereizet ſind, uͤberlege: ſo muß ich es als<lb/>
eine Gewogenheit anſehen, daß er nur einmal be-<lb/>
antwortet iſt. Jch will Jhnen bald, ſo wohl von<lb/>
derſelben, als von meinem Schreiben, worauf es<lb/>
die Antwort iſt, eine Abſchrift uͤberſenden.</p><lb/><p>Jch habe Urſache, meinem Vater vielen<lb/>
Dank zu wiſſen, daß er den ſchweren Fluch, der<lb/>
mich ſo ſehr druͤckte, von mir genommen hat. ‒‒<lb/>
Eines Vaters Fluch, meine liebe Fr. Norton!<lb/>
Was fuͤr ein Kind koͤnnte unter dem Fluch eines<lb/>
Vaters geruhig ſterben: ſonderlich wenn er ſo<lb/>
buchſtaͤblich, als dieſer, erfuͤllet iſt, in ſo fern er<lb/>
auf das gegenwaͤrtige Leben gehet!</p><lb/><p>Mein Herz iſt mir zu ſchwer, daß ich die be-<lb/>ſondern Umſtaͤnde in dem Briefe meiner Schwe-<lb/>ſter beruͤhren koͤnnte. ‒‒ Jch kann mein Ver-<lb/>
gehen nur auf <hirendition="#fr">eine</hi> Art buͤßen und ausſoͤhnen.<lb/>
O moͤchte <hirendition="#fr">dieſe</hi> doch angenommen werden! Und<lb/>
moͤchten <hirendition="#fr">alle</hi> werthe Verwandten bald vergeſſen,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">daß</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[628/0634]
meynte Guͤtigkeit verdrieslich gemacht, und da-
durch gereizet wuͤrden, mir dieſelbe abzuſchlagen.
Warum ſollte auch mehr fuͤr mich verlanget wer-
den, als ich genießen kann? Mehr, als ſchlech-
terdings fuͤr meine Zufriedenheit nothwendig iſt?
Sie vermuthen, daß ich meiner Schweſter
Antwort auf meinen Brief unterdeſſen, da der
ihrige mir zu Haͤnden kaͤme, haben wuͤrde. Jch
habe ſie: und ſie iſt hart, ſehr hart. Jedoch,
wenn ich mein Vergehen, wie es in ihren Augen
iſt, und die Erbitterungen, wozu ſie, wie ich glau-
ben muß, ſo neulich von meiner lieben Fraͤulein
Howe gereizet ſind, uͤberlege: ſo muß ich es als
eine Gewogenheit anſehen, daß er nur einmal be-
antwortet iſt. Jch will Jhnen bald, ſo wohl von
derſelben, als von meinem Schreiben, worauf es
die Antwort iſt, eine Abſchrift uͤberſenden.
Jch habe Urſache, meinem Vater vielen
Dank zu wiſſen, daß er den ſchweren Fluch, der
mich ſo ſehr druͤckte, von mir genommen hat. ‒ ‒
Eines Vaters Fluch, meine liebe Fr. Norton!
Was fuͤr ein Kind koͤnnte unter dem Fluch eines
Vaters geruhig ſterben: ſonderlich wenn er ſo
buchſtaͤblich, als dieſer, erfuͤllet iſt, in ſo fern er
auf das gegenwaͤrtige Leben gehet!
Mein Herz iſt mir zu ſchwer, daß ich die be-
ſondern Umſtaͤnde in dem Briefe meiner Schwe-
ſter beruͤhren koͤnnte. ‒ ‒ Jch kann mein Ver-
gehen nur auf eine Art buͤßen und ausſoͤhnen.
O moͤchte dieſe doch angenommen werden! Und
moͤchten alle werthe Verwandten bald vergeſſen,
daß
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 628. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/634>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.