Fräulein Howe vorgefallen ist, hat die Sache verschlimmert, wie ich wohl besorgte.
Jch zeigte Elisabethen zwo oder drey Stel- len in Jhrem Briefe an mich. Sie schien da- durch gerühret, und sagte, sie wollte dieselben vortheilhaft erzählen und mir einen Besuch von der Fräulein Harlowe verschaffen, wenn ich ver- sprechen wollte, ihr eben das zu zeigen. Aber ich habe hernach nicht weiter davon gehöret.
Mich deucht, ich sehe ungern, daß Sie den gottlosen Mann ausschlagen. Aber nichts desto weniger zweifle ich nicht, daß Jhre Bewegungs- gründe, es zu thun, richtiger sind, als meine Wün- sche, daß Sie es nicht thun möchten. Jedoch da Sie entschlossen seyn würden, wie ich sagen mag, am Leben zu bleiben, wenn Sie einen sol- chen Gedanken Platz finden ließen; und da mir daran so viel gelegen ist: so kann ich nicht um- hin, mir selbst diesen Gefallen zu erweisen und Sie zu fragen: Können Sie, meine wertheste Fräulein, Jhren gerechten Unwillen nicht über- winden? - - Allein ich darf von dieser Sache nicht mehr sagen.
Wie erschrecklich muß es in der That für meine liebste zärtliche Fräulein gewesen seyn, sich auf den Gassen in London in Verhaft nehmen zu lassen! - - Wie blutet mein Herz wieder für Sie! Was muß das Jhrige damals ausgestan- den haben! - - Jedoch mußte dieß, bey einem solchen Gemüth, als Sie besitzen, etwas geringes
seyn,
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Fraͤulein Howe vorgefallen iſt, hat die Sache verſchlimmert, wie ich wohl beſorgte.
Jch zeigte Eliſabethen zwo oder drey Stel- len in Jhrem Briefe an mich. Sie ſchien da- durch geruͤhret, und ſagte, ſie wollte dieſelben vortheilhaft erzaͤhlen und mir einen Beſuch von der Fraͤulein Harlowe verſchaffen, wenn ich ver- ſprechen wollte, ihr eben das zu zeigen. Aber ich habe hernach nicht weiter davon gehoͤret.
Mich deucht, ich ſehe ungern, daß Sie den gottloſen Mann ausſchlagen. Aber nichts deſto weniger zweifle ich nicht, daß Jhre Bewegungs- gruͤnde, es zu thun, richtiger ſind, als meine Wuͤn- ſche, daß Sie es nicht thun moͤchten. Jedoch da Sie entſchloſſen ſeyn wuͤrden, wie ich ſagen mag, am Leben zu bleiben, wenn Sie einen ſol- chen Gedanken Platz finden ließen; und da mir daran ſo viel gelegen iſt: ſo kann ich nicht um- hin, mir ſelbſt dieſen Gefallen zu erweiſen und Sie zu fragen: Koͤnnen Sie, meine wertheſte Fraͤulein, Jhren gerechten Unwillen nicht uͤber- winden? ‒ ‒ Allein ich darf von dieſer Sache nicht mehr ſagen.
Wie erſchrecklich muß es in der That fuͤr meine liebſte zaͤrtliche Fraͤulein geweſen ſeyn, ſich auf den Gaſſen in London in Verhaft nehmen zu laſſen! ‒ ‒ Wie blutet mein Herz wieder fuͤr Sie! Was muß das Jhrige damals ausgeſtan- den haben! ‒ ‒ Jedoch mußte dieß, bey einem ſolchen Gemuͤth, als Sie beſitzen, etwas geringes
ſeyn,
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Fraͤulein Howe vorgefallen iſt, hat die Sache
verſchlimmert, wie ich wohl beſorgte.
Jch zeigte Eliſabethen zwo oder drey Stel-
len in Jhrem Briefe an mich. Sie ſchien da-
durch geruͤhret, und ſagte, ſie wollte dieſelben
vortheilhaft erzaͤhlen und mir einen Beſuch von
der Fraͤulein Harlowe verſchaffen, wenn ich ver-
ſprechen wollte, ihr eben das zu zeigen. Aber
ich habe hernach nicht weiter davon gehoͤret.
Mich deucht, ich ſehe ungern, daß Sie den
gottloſen Mann ausſchlagen. Aber nichts deſto
weniger zweifle ich nicht, daß Jhre Bewegungs-
gruͤnde, es zu thun, richtiger ſind, als meine Wuͤn-
ſche, daß Sie es nicht thun moͤchten. Jedoch
da Sie entſchloſſen ſeyn wuͤrden, wie ich ſagen
mag, am Leben zu bleiben, wenn Sie einen ſol-
chen Gedanken Platz finden ließen; und da mir
daran ſo viel gelegen iſt: ſo kann ich nicht um-
hin, mir ſelbſt dieſen Gefallen zu erweiſen und
Sie zu fragen: Koͤnnen Sie, meine wertheſte
Fraͤulein, Jhren gerechten Unwillen nicht uͤber-
winden? ‒ ‒ Allein ich darf von dieſer Sache
nicht mehr ſagen.
Wie erſchrecklich muß es in der That fuͤr
meine liebſte zaͤrtliche Fraͤulein geweſen ſeyn, ſich
auf den Gaſſen in London in Verhaft nehmen zu
laſſen! ‒ ‒ Wie blutet mein Herz wieder fuͤr
Sie! Was muß das Jhrige damals ausgeſtan-
den haben! ‒ ‒ Jedoch mußte dieß, bey einem
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 613. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/619>, abgerufen am 22.11.2024.
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