Zorn oder Unwillen getrieben werden, uns in sol- che Gefahr zu stürzen, auf welche leicht ein plötz- licher und gewaltsamer Tod folgen könnte: so oft unsere Ehre es erfordert. Dennoch würden wir ihn in einer langwierigen Krankheit, welche die Lebensgeister geschwächt hätte, bey stillem Gemü- the und ruhiger Ueberlegung mit Zittern heran- nahen sehen.
So lesen wir von einem französischen Gene- ral unter Heinrichs des IV Regierung. Jch ha- be seinen Namen vergessen: wo es nicht der Mar- schall Biron war. Da er bey hundert Gelegen- heiten im Felde dem schrecklichen Kerl mit uner- schrocknem Muth unter die Augen gegangen war: so bezeigte er sich doch, wie der niedergeschlagen- ste und seigeste Mensch, als er durch Verrätherey das Leben verwirkt hatte, und unter dem grausa- men Gepränge der Zubereitung, und der rund herum gestellten Wachen, zu dem Sterbegerüste geführet ward.
Der
"zwar zuerst durch das Misvergnügen über eine "fehlgeschlagene Hoffnung veranlasset; indem die "Welt mir sehr frühe, selbst bey meinem ersten "und übereilten Schritt in dieselbe, ihre wahre "und häßliche Gestalt zeigte: aber dennoch hoffe "ich, daß sie eine bessere Wurzel gefaßt habe, und "dieses, durch ihre Früchte, mir und allen "meinen Freunden täglich mehr und mehr zei- "gen werde.
Sechster Theil. P p
Zorn oder Unwillen getrieben werden, uns in ſol- che Gefahr zu ſtuͤrzen, auf welche leicht ein ploͤtz- licher und gewaltſamer Tod folgen koͤnnte: ſo oft unſere Ehre es erfordert. Dennoch wuͤrden wir ihn in einer langwierigen Krankheit, welche die Lebensgeiſter geſchwaͤcht haͤtte, bey ſtillem Gemuͤ- the und ruhiger Ueberlegung mit Zittern heran- nahen ſehen.
So leſen wir von einem franzoͤſiſchen Gene- ral unter Heinrichs des IV Regierung. Jch ha- be ſeinen Namen vergeſſen: wo es nicht der Mar- ſchall Biron war. Da er bey hundert Gelegen- heiten im Felde dem ſchrecklichen Kerl mit uner- ſchrocknem Muth unter die Augen gegangen war: ſo bezeigte er ſich doch, wie der niedergeſchlagen- ſte und ſeigeſte Menſch, als er durch Verraͤtherey das Leben verwirkt hatte, und unter dem grauſa- men Gepraͤnge der Zubereitung, und der rund herum geſtellten Wachen, zu dem Sterbegeruͤſte gefuͤhret ward.
Der
„zwar zuerſt durch das Misvergnuͤgen uͤber eine „fehlgeſchlagene Hoffnung veranlaſſet; indem die „Welt mir ſehr fruͤhe, ſelbſt bey meinem erſten „und uͤbereilten Schritt in dieſelbe, ihre wahre „und haͤßliche Geſtalt zeigte: aber dennoch hoffe „ich, daß ſie eine beſſere Wurzel gefaßt habe, und „dieſes, durch ihre Fruͤchte, mir und allen „meinen Freunden taͤglich mehr und mehr zei- „gen werde.
Sechſter Theil. P p
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0599"n="593"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
Zorn oder Unwillen getrieben werden, uns in ſol-<lb/>
che Gefahr zu ſtuͤrzen, auf welche leicht ein ploͤtz-<lb/>
licher und gewaltſamer Tod folgen koͤnnte: ſo oft<lb/>
unſere Ehre es erfordert. Dennoch wuͤrden wir<lb/>
ihn in einer langwierigen Krankheit, welche die<lb/>
Lebensgeiſter geſchwaͤcht haͤtte, bey ſtillem Gemuͤ-<lb/>
the und ruhiger Ueberlegung mit Zittern heran-<lb/>
nahen ſehen.</p><lb/><p>So leſen wir von einem franzoͤſiſchen Gene-<lb/>
ral unter Heinrichs des <hirendition="#aq">IV</hi> Regierung. Jch ha-<lb/>
be ſeinen Namen vergeſſen: wo es nicht der Mar-<lb/>ſchall Biron war. Da er bey hundert Gelegen-<lb/>
heiten im Felde dem ſchrecklichen Kerl mit uner-<lb/>ſchrocknem Muth unter die Augen gegangen war:<lb/>ſo bezeigte er ſich doch, wie der niedergeſchlagen-<lb/>ſte und ſeigeſte Menſch, als er durch Verraͤtherey<lb/>
das Leben verwirkt hatte, und unter dem grauſa-<lb/>
men Gepraͤnge der Zubereitung, und der rund<lb/>
herum geſtellten Wachen, zu dem Sterbegeruͤſte<lb/>
gefuͤhret ward.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Der</fw><lb/><p><notexml:id="seg2pn_3_2"prev="#seg2pn_3_1"place="foot"n="(*)">„zwar zuerſt durch das Misvergnuͤgen uͤber eine<lb/>„fehlgeſchlagene Hoffnung veranlaſſet; indem die<lb/>„Welt mir ſehr fruͤhe, ſelbſt bey meinem erſten<lb/>„und <hirendition="#fr">uͤbereilten Schritt</hi> in dieſelbe, ihre wahre<lb/>„und haͤßliche Geſtalt zeigte: aber dennoch hoffe<lb/>„ich, daß ſie eine beſſere Wurzel gefaßt habe, und<lb/>„dieſes, durch ihre Fruͤchte, mir und allen<lb/>„meinen Freunden taͤglich mehr und mehr zei-<lb/>„gen werde.</note></p><lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#fr">Sechſter Theil.</hi> P p</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[593/0599]
Zorn oder Unwillen getrieben werden, uns in ſol-
che Gefahr zu ſtuͤrzen, auf welche leicht ein ploͤtz-
licher und gewaltſamer Tod folgen koͤnnte: ſo oft
unſere Ehre es erfordert. Dennoch wuͤrden wir
ihn in einer langwierigen Krankheit, welche die
Lebensgeiſter geſchwaͤcht haͤtte, bey ſtillem Gemuͤ-
the und ruhiger Ueberlegung mit Zittern heran-
nahen ſehen.
So leſen wir von einem franzoͤſiſchen Gene-
ral unter Heinrichs des IV Regierung. Jch ha-
be ſeinen Namen vergeſſen: wo es nicht der Mar-
ſchall Biron war. Da er bey hundert Gelegen-
heiten im Felde dem ſchrecklichen Kerl mit uner-
ſchrocknem Muth unter die Augen gegangen war:
ſo bezeigte er ſich doch, wie der niedergeſchlagen-
ſte und ſeigeſte Menſch, als er durch Verraͤtherey
das Leben verwirkt hatte, und unter dem grauſa-
men Gepraͤnge der Zubereitung, und der rund
herum geſtellten Wachen, zu dem Sterbegeruͤſte
gefuͤhret ward.
Der
(*)
(*) „zwar zuerſt durch das Misvergnuͤgen uͤber eine
„fehlgeſchlagene Hoffnung veranlaſſet; indem die
„Welt mir ſehr fruͤhe, ſelbſt bey meinem erſten
„und uͤbereilten Schritt in dieſelbe, ihre wahre
„und haͤßliche Geſtalt zeigte: aber dennoch hoffe
„ich, daß ſie eine beſſere Wurzel gefaßt habe, und
„dieſes, durch ihre Fruͤchte, mir und allen
„meinen Freunden taͤglich mehr und mehr zei-
„gen werde.
Sechſter Theil. P p
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 593. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/599>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.