doch an Macht kein Tarquin ist, und also keine Sache des ganzen Volks daraus gemacht wer- den kann.
Außer dem, wie ich kurz vorher in einem ähn- lichen Fall bemerkt habe, war sie im Bedruck, und empfand ihn sehr heftig, als sie dieß schrieb. Sie sahe kein Ende. Alles war finster und fürch- terlich vor ihren Augen. Und was noch mehr; hat sie es nicht in ihrer Gewalt, mich eben so sehr in meiner Hoffnung zu schanden zu machen, als sie in der ihrigen betrogen ist? Rache, Bruder, hat manches Frauenzimmer bewogen, ein Leben zu lieben, dem sonst Traurigkeit und Verzweifelung ein Ende gemacht haben würde.
Wenn man es recht bedenkt, ist der Tod auch nicht eine so angenehme Sache, als Hiob ihn in seinem Elende vorstellet. Ja ein Verlangen nach dem Tode, bloß weil man eine irdische Hoff- nung fehlgeschlagen siehet, zeiget ein Gemüth an, das nicht so beschaffen ist, wie es seyn sollte. Das muß ich dieser Fräulein sagen, sie mag davon denken, was sie will (*). Du und ich, Bruder, scheuen uns nicht, in der Hitze, wenn wir von
Zorn
(*) Herr Lovelace konnte nicht wissen, daß die Fräu- lein von der Richtigkeit dieser Lehre so überzeuget wäre, als sie wirklich war. Denn in dem LXIX. Briefe an Fr. Norton schreibt sie: "Denken sie "auch nicht, daß meine gegenwärtige Gemüthsver- "fassung von einem finstern Wesen, oder einer "Niedergeschlagenheit herrühre. Denn sie ist
"zwar
doch an Macht kein Tarquin iſt, und alſo keine Sache des ganzen Volks daraus gemacht wer- den kann.
Außer dem, wie ich kurz vorher in einem aͤhn- lichen Fall bemerkt habe, war ſie im Bedruck, und empfand ihn ſehr heftig, als ſie dieß ſchrieb. Sie ſahe kein Ende. Alles war finſter und fuͤrch- terlich vor ihren Augen. Und was noch mehr; hat ſie es nicht in ihrer Gewalt, mich eben ſo ſehr in meiner Hoffnung zu ſchanden zu machen, als ſie in der ihrigen betrogen iſt? Rache, Bruder, hat manches Frauenzimmer bewogen, ein Leben zu lieben, dem ſonſt Traurigkeit und Verzweifelung ein Ende gemacht haben wuͤrde.
Wenn man es recht bedenkt, iſt der Tod auch nicht eine ſo angenehme Sache, als Hiob ihn in ſeinem Elende vorſtellet. Ja ein Verlangen nach dem Tode, bloß weil man eine irdiſche Hoff- nung fehlgeſchlagen ſiehet, zeiget ein Gemuͤth an, das nicht ſo beſchaffen iſt, wie es ſeyn ſollte. Das muß ich dieſer Fraͤulein ſagen, ſie mag davon denken, was ſie will (*). Du und ich, Bruder, ſcheuen uns nicht, in der Hitze, wenn wir von
Zorn
(*) Herr Lovelace konnte nicht wiſſen, daß die Fraͤu- lein von der Richtigkeit dieſer Lehre ſo uͤberzeuget waͤre, als ſie wirklich war. Denn in dem LXIX. Briefe an Fr. Norton ſchreibt ſie: „Denken ſie „auch nicht, daß meine gegenwaͤrtige Gemuͤthsver- „faſſung von einem finſtern Weſen, oder einer „Niedergeſchlagenheit herruͤhre. Denn ſie iſt
„zwar
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doch an Macht kein Tarquin iſt, und alſo keine
Sache des ganzen Volks daraus gemacht wer-
den kann.
Außer dem, wie ich kurz vorher in einem aͤhn-
lichen Fall bemerkt habe, war ſie im Bedruck,
und empfand ihn ſehr heftig, als ſie dieß ſchrieb.
Sie ſahe kein Ende. Alles war finſter und fuͤrch-
terlich vor ihren Augen. Und was noch mehr;
hat ſie es nicht in ihrer Gewalt, mich eben ſo ſehr
in meiner Hoffnung zu ſchanden zu machen,
als ſie in der ihrigen betrogen iſt? Rache,
Bruder, hat manches Frauenzimmer bewogen,
ein Leben zu lieben, dem ſonſt Traurigkeit und
Verzweifelung ein Ende gemacht haben wuͤrde.
Wenn man es recht bedenkt, iſt der Tod auch
nicht eine ſo angenehme Sache, als Hiob ihn in
ſeinem Elende vorſtellet. Ja ein Verlangen
nach dem Tode, bloß weil man eine irdiſche Hoff-
nung fehlgeſchlagen ſiehet, zeiget ein Gemuͤth an,
das nicht ſo beſchaffen iſt, wie es ſeyn ſollte. Das
muß ich dieſer Fraͤulein ſagen, ſie mag davon
denken, was ſie will (*). Du und ich, Bruder,
ſcheuen uns nicht, in der Hitze, wenn wir von
Zorn
(*) Herr Lovelace konnte nicht wiſſen, daß die Fraͤu-
lein von der Richtigkeit dieſer Lehre ſo uͤberzeuget
waͤre, als ſie wirklich war. Denn in dem LXIX.
Briefe an Fr. Norton ſchreibt ſie: „Denken ſie
„auch nicht, daß meine gegenwaͤrtige Gemuͤthsver-
„faſſung von einem finſtern Weſen, oder einer
„Niedergeſchlagenheit herruͤhre. Denn ſie iſt
„zwar
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 592. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/598>, abgerufen am 26.11.2024.
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