den: und in Ansehung der erstern versichere ich dich, daß die Frauenzimmer selbst viel eher das eine, als das andere entschuldigen werden.
Jn der Bewunderung, welche du über die Bücher der heil. Schrift zu erkennen giebst, hast du gewiß Recht. Nur kommt es mir wunder- lich vor, daß du bis itzo nichts von ihrer Schön- heit und edlen Einfalt gewußt hast. Jhr Alter- thum hat mir allezeit Ehrerbietung gegen sie ein- geflößet: und wie ist es möglich gewesen, daß du, sie aus der Ursache, wo nicht aus einer an- dern, zu lesen, nicht angetrieben bist?
Jch will dir eine kurze Historie erzählen, die ich von meinem Lehrmeister gehört habe, indem er mich ermahnte, mich nicht selbst durch unwis- sende Verwunderung bloßzugeben, wenn ich die Schule verlassen, und nach London oder auf Reisen gehen sollte.
"Das erste mal, als ihm Drydens Schrift, "das Gastmahl Alexanders, in die Hände fiel, "erzählte er mir, ward er davon außerordent- "lich eingenommen: und weil er vorher niemand "davon reden gehört; so dachte er, wie du von "der Bibel, daß er eine neue Entdeckung gemacht "hätte.
"Er eilte zu einer bestimmten Zusammen- "kunft, welche er mit verschiedenen witzigen Kö- "pfen hatte: denn er hielte sich zu der Zeit in "London auf. Einer von denselben war ein be- "rühmter Kunstrichter, der, nach seiner Erzäh- "lung, mehr Verdienst als Glück hatte: denn alle
"die
den: und in Anſehung der erſtern verſichere ich dich, daß die Frauenzimmer ſelbſt viel eher das eine, als das andere entſchuldigen werden.
Jn der Bewunderung, welche du uͤber die Buͤcher der heil. Schrift zu erkennen giebſt, haſt du gewiß Recht. Nur kommt es mir wunder- lich vor, daß du bis itzo nichts von ihrer Schoͤn- heit und edlen Einfalt gewußt haſt. Jhr Alter- thum hat mir allezeit Ehrerbietung gegen ſie ein- gefloͤßet: und wie iſt es moͤglich geweſen, daß du, ſie aus der Urſache, wo nicht aus einer an- dern, zu leſen, nicht angetrieben biſt?
Jch will dir eine kurze Hiſtorie erzaͤhlen, die ich von meinem Lehrmeiſter gehoͤrt habe, indem er mich ermahnte, mich nicht ſelbſt durch unwiſ- ſende Verwunderung bloßzugeben, wenn ich die Schule verlaſſen, und nach London oder auf Reiſen gehen ſollte.
„Das erſte mal, als ihm Drydens Schrift, „das Gaſtmahl Alexanders, in die Haͤnde fiel, „erzaͤhlte er mir, ward er davon außerordent- „lich eingenommen: und weil er vorher niemand „davon reden gehoͤrt; ſo dachte er, wie du von „der Bibel, daß er eine neue Entdeckung gemacht „haͤtte.
„Er eilte zu einer beſtimmten Zuſammen- „kunft, welche er mit verſchiedenen witzigen Koͤ- „pfen hatte: denn er hielte ſich zu der Zeit in „London auf. Einer von denſelben war ein be- „ruͤhmter Kunſtrichter, der, nach ſeiner Erzaͤh- „lung, mehr Verdienſt als Gluͤck hatte: denn alle
„die
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0593"n="587"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><hirendition="#fr">den:</hi> und in Anſehung der erſtern verſichere ich<lb/>
dich, daß die Frauenzimmer ſelbſt viel eher das<lb/>
eine, als das andere entſchuldigen werden.</p><lb/><p>Jn der Bewunderung, welche du uͤber die<lb/>
Buͤcher der heil. Schrift zu erkennen giebſt, haſt<lb/>
du gewiß Recht. Nur kommt es mir wunder-<lb/>
lich vor, daß du bis itzo nichts von ihrer Schoͤn-<lb/>
heit und edlen Einfalt gewußt haſt. Jhr Alter-<lb/>
thum hat mir allezeit Ehrerbietung gegen ſie ein-<lb/>
gefloͤßet: und wie iſt es moͤglich geweſen, daß<lb/>
du, ſie aus der Urſache, wo nicht aus einer an-<lb/>
dern, zu leſen, nicht angetrieben biſt?</p><lb/><p>Jch will dir eine kurze Hiſtorie erzaͤhlen, die<lb/>
ich von meinem Lehrmeiſter gehoͤrt habe, indem<lb/>
er mich ermahnte, mich nicht ſelbſt durch <hirendition="#fr">unwiſ-<lb/>ſende Verwunderung</hi> bloßzugeben, wenn ich<lb/>
die Schule verlaſſen, und nach London oder auf<lb/>
Reiſen gehen ſollte.</p><lb/><p>„Das erſte mal, als ihm Drydens Schrift,<lb/>„das Gaſtmahl Alexanders, in die Haͤnde fiel,<lb/>„<hirendition="#fr">erzaͤhlte er mir,</hi> ward er davon außerordent-<lb/>„lich eingenommen: und weil er vorher niemand<lb/>„davon reden gehoͤrt; ſo dachte er, wie du von<lb/>„der Bibel, daß er eine neue Entdeckung gemacht<lb/>„haͤtte.</p><lb/><p>„Er eilte zu einer beſtimmten Zuſammen-<lb/>„kunft, welche er mit verſchiedenen witzigen Koͤ-<lb/>„pfen hatte: denn er hielte ſich zu der Zeit in<lb/>„London auf. Einer von denſelben war ein be-<lb/>„ruͤhmter Kunſtrichter, der, nach ſeiner Erzaͤh-<lb/>„lung, mehr Verdienſt als Gluͤck hatte: denn alle<lb/><fwplace="bottom"type="catch">„die</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[587/0593]
den: und in Anſehung der erſtern verſichere ich
dich, daß die Frauenzimmer ſelbſt viel eher das
eine, als das andere entſchuldigen werden.
Jn der Bewunderung, welche du uͤber die
Buͤcher der heil. Schrift zu erkennen giebſt, haſt
du gewiß Recht. Nur kommt es mir wunder-
lich vor, daß du bis itzo nichts von ihrer Schoͤn-
heit und edlen Einfalt gewußt haſt. Jhr Alter-
thum hat mir allezeit Ehrerbietung gegen ſie ein-
gefloͤßet: und wie iſt es moͤglich geweſen, daß
du, ſie aus der Urſache, wo nicht aus einer an-
dern, zu leſen, nicht angetrieben biſt?
Jch will dir eine kurze Hiſtorie erzaͤhlen, die
ich von meinem Lehrmeiſter gehoͤrt habe, indem
er mich ermahnte, mich nicht ſelbſt durch unwiſ-
ſende Verwunderung bloßzugeben, wenn ich
die Schule verlaſſen, und nach London oder auf
Reiſen gehen ſollte.
„Das erſte mal, als ihm Drydens Schrift,
„das Gaſtmahl Alexanders, in die Haͤnde fiel,
„erzaͤhlte er mir, ward er davon außerordent-
„lich eingenommen: und weil er vorher niemand
„davon reden gehoͤrt; ſo dachte er, wie du von
„der Bibel, daß er eine neue Entdeckung gemacht
„haͤtte.
„Er eilte zu einer beſtimmten Zuſammen-
„kunft, welche er mit verſchiedenen witzigen Koͤ-
„pfen hatte: denn er hielte ſich zu der Zeit in
„London auf. Einer von denſelben war ein be-
„ruͤhmter Kunſtrichter, der, nach ſeiner Erzaͤh-
„lung, mehr Verdienſt als Gluͤck hatte: denn alle
„die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 587. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/593>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.