Jch habe mich allezeit, wie du weißt, gegen die kleinen Geister, unter den Freydenkern in der Lebensart, erkläret, welche ihre Ansprüche auf den Witz nicht anders ausmachen konnten, als wenn es auf zwey Stücke ankam, die ein jeder wirk- lich witziger Mensch für viel zu schlecht halten wird, daß er ihnen verbunden seyn möchte: auf Ruchlosigkeit gegen heilige Dinge und auf Unflätherey. Beyde müssen nothwendig die Ohren aller Verständigen, von männlichem oder weiblichem Geschlechte, beleidigen, ohne eine Ab- sicht zu befördern, als daß sie eine sehr niedrige und verruchte Gemüthsart anzeigen. Es war auch gar nicht meine Art, mit Eydschwüren und Flüchen so freygebig zu seyn, als ich nun bin: bis ich mit dem unverschämten Mowbray; kein großer Ruhm für mich, daß ich einen solchen Lehr- meister gehabt habe; bekannt wurde. Denn hierauf ward ich genöthigt, es ihm bisweilen in Fluchen und Schwören zuvorzuthun, damit ich ihn in seiner Pflicht gegen mich, als feinen Gene- ral, halten möchte. Ja ich verweise mir oft selbst diese nichtswürdige unnütze Freyheit im Reden, worinn uns der niedrigste Pöbel über- trifft.
Alle meine Laster sind die Weiber, und die Liebe zu Ränken und listigen Streichen. Jch muß mich selbst wundern, wie ich auf so ärgerli- che Freyheiten im Reden gefallen bin: da sie, überhaupt zu reden, gar nicht geschickt sind, mei- nen vornehmsten Zweck zu befördern. Nur bis-
weilen
O o 5
Jch habe mich allezeit, wie du weißt, gegen die kleinen Geiſter, unter den Freydenkern in der Lebensart, erklaͤret, welche ihre Anſpruͤche auf den Witz nicht anders ausmachen konnten, als wenn es auf zwey Stuͤcke ankam, die ein jeder wirk- lich witziger Menſch fuͤr viel zu ſchlecht halten wird, daß er ihnen verbunden ſeyn moͤchte: auf Ruchloſigkeit gegen heilige Dinge und auf Unflaͤtherey. Beyde muͤſſen nothwendig die Ohren aller Verſtaͤndigen, von maͤnnlichem oder weiblichem Geſchlechte, beleidigen, ohne eine Ab- ſicht zu befoͤrdern, als daß ſie eine ſehr niedrige und verruchte Gemuͤthsart anzeigen. Es war auch gar nicht meine Art, mit Eydſchwuͤren und Fluͤchen ſo freygebig zu ſeyn, als ich nun bin: bis ich mit dem unverſchaͤmten Mowbray; kein großer Ruhm fuͤr mich, daß ich einen ſolchen Lehr- meiſter gehabt habe; bekannt wurde. Denn hierauf ward ich genoͤthigt, es ihm bisweilen in Fluchen und Schwoͤren zuvorzuthun, damit ich ihn in ſeiner Pflicht gegen mich, als feinen Gene- ral, halten moͤchte. Ja ich verweiſe mir oft ſelbſt dieſe nichtswuͤrdige unnuͤtze Freyheit im Reden, worinn uns der niedrigſte Poͤbel uͤber- trifft.
Alle meine Laſter ſind die Weiber, und die Liebe zu Raͤnken und liſtigen Streichen. Jch muß mich ſelbſt wundern, wie ich auf ſo aͤrgerli- che Freyheiten im Reden gefallen bin: da ſie, uͤberhaupt zu reden, gar nicht geſchickt ſind, mei- nen vornehmſten Zweck zu befoͤrdern. Nur bis-
weilen
O o 5
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0591"n="585"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Jch habe mich allezeit, wie du weißt, gegen<lb/>
die kleinen Geiſter, unter den Freydenkern in der<lb/>
Lebensart, erklaͤret, welche ihre Anſpruͤche auf den<lb/>
Witz nicht anders ausmachen konnten, als wenn<lb/>
es auf zwey Stuͤcke ankam, die ein jeder <hirendition="#fr">wirk-<lb/>
lich</hi> witziger Menſch fuͤr viel zu ſchlecht halten<lb/>
wird, daß er ihnen verbunden ſeyn moͤchte: auf<lb/><hirendition="#fr">Ruchloſigkeit gegen heilige Dinge</hi> und auf<lb/><hirendition="#fr">Unflaͤtherey.</hi> Beyde muͤſſen nothwendig die<lb/>
Ohren aller Verſtaͤndigen, von maͤnnlichem oder<lb/>
weiblichem Geſchlechte, beleidigen, ohne eine Ab-<lb/>ſicht zu befoͤrdern, als daß ſie eine ſehr niedrige<lb/>
und verruchte Gemuͤthsart anzeigen. Es war<lb/>
auch gar nicht meine Art, mit Eydſchwuͤren und<lb/>
Fluͤchen ſo freygebig zu ſeyn, als ich nun bin:<lb/>
bis ich mit dem unverſchaͤmten Mowbray; kein<lb/>
großer Ruhm fuͤr mich, daß ich einen ſolchen Lehr-<lb/>
meiſter gehabt habe; bekannt wurde. Denn<lb/>
hierauf ward ich genoͤthigt, es ihm bisweilen in<lb/>
Fluchen und Schwoͤren zuvorzuthun, damit ich<lb/>
ihn in ſeiner Pflicht gegen mich, als feinen Gene-<lb/>
ral, halten moͤchte. Ja ich verweiſe mir oft<lb/>ſelbſt dieſe nichtswuͤrdige unnuͤtze Freyheit im<lb/>
Reden, worinn uns der niedrigſte Poͤbel uͤber-<lb/>
trifft.</p><lb/><p>Alle meine Laſter ſind die Weiber, und die<lb/>
Liebe zu Raͤnken und liſtigen Streichen. Jch<lb/>
muß mich ſelbſt wundern, wie ich auf ſo aͤrgerli-<lb/>
che Freyheiten im Reden gefallen bin: da ſie,<lb/>
uͤberhaupt zu reden, gar nicht geſchickt ſind, mei-<lb/>
nen vornehmſten Zweck zu befoͤrdern. Nur bis-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">O o 5</fw><fwplace="bottom"type="catch">weilen</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[585/0591]
Jch habe mich allezeit, wie du weißt, gegen
die kleinen Geiſter, unter den Freydenkern in der
Lebensart, erklaͤret, welche ihre Anſpruͤche auf den
Witz nicht anders ausmachen konnten, als wenn
es auf zwey Stuͤcke ankam, die ein jeder wirk-
lich witziger Menſch fuͤr viel zu ſchlecht halten
wird, daß er ihnen verbunden ſeyn moͤchte: auf
Ruchloſigkeit gegen heilige Dinge und auf
Unflaͤtherey. Beyde muͤſſen nothwendig die
Ohren aller Verſtaͤndigen, von maͤnnlichem oder
weiblichem Geſchlechte, beleidigen, ohne eine Ab-
ſicht zu befoͤrdern, als daß ſie eine ſehr niedrige
und verruchte Gemuͤthsart anzeigen. Es war
auch gar nicht meine Art, mit Eydſchwuͤren und
Fluͤchen ſo freygebig zu ſeyn, als ich nun bin:
bis ich mit dem unverſchaͤmten Mowbray; kein
großer Ruhm fuͤr mich, daß ich einen ſolchen Lehr-
meiſter gehabt habe; bekannt wurde. Denn
hierauf ward ich genoͤthigt, es ihm bisweilen in
Fluchen und Schwoͤren zuvorzuthun, damit ich
ihn in ſeiner Pflicht gegen mich, als feinen Gene-
ral, halten moͤchte. Ja ich verweiſe mir oft
ſelbſt dieſe nichtswuͤrdige unnuͤtze Freyheit im
Reden, worinn uns der niedrigſte Poͤbel uͤber-
trifft.
Alle meine Laſter ſind die Weiber, und die
Liebe zu Raͤnken und liſtigen Streichen. Jch
muß mich ſelbſt wundern, wie ich auf ſo aͤrgerli-
che Freyheiten im Reden gefallen bin: da ſie,
uͤberhaupt zu reden, gar nicht geſchickt ſind, mei-
nen vornehmſten Zweck zu befoͤrdern. Nur bis-
weilen
O o 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 585. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/591>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.