Mann sey. Jch legte einmal, zu einer gewissen Absicht, die geistliche Tracht an: und man ur- theilte, daß ich eine feine und artige Person vor- stellte. Mein breiter Biberhut, wie ein türki- scher Bund, stand mir mächtig wohl: und ich ward überhaupt von allen, die mich sahen, be- wundert.
Mich deucht, es muß sich vortrefflich schicken, wenn man mich bey ihrem Bette auf den Knieen sieht; wenn man höret, wie ich aus dem öffent- lichen Gebethbuch; ich bin versichert, daß ich von ganzem Herzen bethen werde; das Krankengebeth zur Genesung der schmachtenden Fräulein anfan- ge, und mit einer Ermahnung zur christlichen Liebe und Vergebung für mich selbst beschließe.
Jch will die Sache überlegen. Jn welcher Gestalt ich aber für gut befinden mag zu erschei- nen: so kannst du versichert seyn, daß ich dir zum voraus von meinem festgesetzten Besuch Nachricht geben werde, damit du Anstalt machest, nicht bey der Hand zu seyn, und nichts von der Sache zu wissen. Dieß wird dein gegebnes Wort retten: und was meines betrifft; so frage ich, kann sie wohl ärger von mir denken, als sie schon itzo denket?
Eine unverbrüchliche Schuldigkeit zu wah- rer Liebe und ehrerbietiger Hochachtung besteht, nach deiner weisen Meynung (*) in Ungereimt- heit und Ungeschicklichkeit - - Es ist erstaunlich, daß auch du einer von denen parteyischen Leuten
seyn
(*) Siehe den LXXI Brief.
Mann ſey. Jch legte einmal, zu einer gewiſſen Abſicht, die geiſtliche Tracht an: und man ur- theilte, daß ich eine feine und artige Perſon vor- ſtellte. Mein breiter Biberhut, wie ein tuͤrki- ſcher Bund, ſtand mir maͤchtig wohl: und ich ward uͤberhaupt von allen, die mich ſahen, be- wundert.
Mich deucht, es muß ſich vortrefflich ſchicken, wenn man mich bey ihrem Bette auf den Knieen ſieht; wenn man hoͤret, wie ich aus dem oͤffent- lichen Gebethbuch; ich bin verſichert, daß ich von ganzem Herzen bethen werde; das Krankengebeth zur Geneſung der ſchmachtenden Fraͤulein anfan- ge, und mit einer Ermahnung zur chriſtlichen Liebe und Vergebung fuͤr mich ſelbſt beſchließe.
Jch will die Sache uͤberlegen. Jn welcher Geſtalt ich aber fuͤr gut befinden mag zu erſchei- nen: ſo kannſt du verſichert ſeyn, daß ich dir zum voraus von meinem feſtgeſetzten Beſuch Nachricht geben werde, damit du Anſtalt macheſt, nicht bey der Hand zu ſeyn, und nichts von der Sache zu wiſſen. Dieß wird dein gegebnes Wort retten: und was meines betrifft; ſo frage ich, kann ſie wohl aͤrger von mir denken, als ſie ſchon itzo denket?
Eine unverbruͤchliche Schuldigkeit zu wah- rer Liebe und ehrerbietiger Hochachtung beſteht, nach deiner weiſen Meynung (*) in Ungereimt- heit und Ungeſchicklichkeit ‒ ‒ Es iſt erſtaunlich, daß auch du einer von denen parteyiſchen Leuten
ſeyn
(*) Siehe den LXXI Brief.
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Mann ſey. Jch legte einmal, zu einer gewiſſen
Abſicht, die geiſtliche Tracht an: und man ur-
theilte, daß ich eine feine und artige Perſon vor-
ſtellte. Mein breiter Biberhut, wie ein tuͤrki-
ſcher Bund, ſtand mir maͤchtig wohl: und ich
ward uͤberhaupt von allen, die mich ſahen, be-
wundert.
Mich deucht, es muß ſich vortrefflich ſchicken,
wenn man mich bey ihrem Bette auf den Knieen
ſieht; wenn man hoͤret, wie ich aus dem oͤffent-
lichen Gebethbuch; ich bin verſichert, daß ich von
ganzem Herzen bethen werde; das Krankengebeth
zur Geneſung der ſchmachtenden Fraͤulein anfan-
ge, und mit einer Ermahnung zur chriſtlichen
Liebe und Vergebung fuͤr mich ſelbſt beſchließe.
Jch will die Sache uͤberlegen. Jn welcher
Geſtalt ich aber fuͤr gut befinden mag zu erſchei-
nen: ſo kannſt du verſichert ſeyn, daß ich dir
zum voraus von meinem feſtgeſetzten Beſuch
Nachricht geben werde, damit du Anſtalt macheſt,
nicht bey der Hand zu ſeyn, und nichts von der
Sache zu wiſſen. Dieß wird dein gegebnes
Wort retten: und was meines betrifft; ſo frage
ich, kann ſie wohl aͤrger von mir denken, als ſie
ſchon itzo denket?
Eine unverbruͤchliche Schuldigkeit zu wah-
rer Liebe und ehrerbietiger Hochachtung beſteht,
nach deiner weiſen Meynung (*) in Ungereimt-
heit und Ungeſchicklichkeit ‒ ‒ Es iſt erſtaunlich,
daß auch du einer von denen parteyiſchen Leuten
ſeyn
(*) Siehe den LXXI Brief.
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 580. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/586>, abgerufen am 22.11.2024.
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