und nur allzugeneigt, das, was in der That ihre vornehmste Anmuth ist, als einen Fehler anzuse- hen. Gar fein urtheilen sie: wenn sie diesen Fehler dadurch zu ersetzen gedenken, daß sie einen Mann wählen, der sich nicht schämen kann.
Seine Unterredung mit Herrn Hickmann fiel auf Sie, und das Unrecht, welches er Jhnen nach seinem eignen Geständniß gethan hat: ob er gleich von der Sache so leicht abbrechen, und wieder dazu kommen konnte.
Jch habe keine Gedult mit einem solchen Teufel - - Mensch kann er nicht heißen. Ge- wiß er würde sich allenthalben, und vor jeder- mann, selbst bey dem Altar eben so aufführen: wenn ein Frauenzimmer mit ihm da wäre.
Es soll allemal eine Regel bey mir seyn, daß derjenige, der ein Frauenzimmer nicht mit einiger Ehrerbietung ansiehet, es mit Verachtung anse- hen, und bey Gelegenheit auch verächtlich mit dem- selben umgehen werde.
Er war so dreist, daß er mich auffordern woll- te: allein ich schlug es ihm schlechterdings ab, und meidete ihn, so viel ich konnte, mit den ver- achtungsvollesten Blicken. Aber ihn konnte nichts kränken.
Jch wünschte wohl zwanzig mal, daß ich nicht da gewesen wäre.
Die Cavalliers, glaube ich, hätten eben so gern gewünscht, als ich, daß er lieber den Hals gebrochen hätte, als da gewesen wäre. Denn niemand ward geachtet, als er. Er ist so wenig
von
und nur allzugeneigt, das, was in der That ihre vornehmſte Anmuth iſt, als einen Fehler anzuſe- hen. Gar fein urtheilen ſie: wenn ſie dieſen Fehler dadurch zu erſetzen gedenken, daß ſie einen Mann waͤhlen, der ſich nicht ſchaͤmen kann.
Seine Unterredung mit Herrn Hickmann fiel auf Sie, und das Unrecht, welches er Jhnen nach ſeinem eignen Geſtaͤndniß gethan hat: ob er gleich von der Sache ſo leicht abbrechen, und wieder dazu kommen konnte.
Jch habe keine Gedult mit einem ſolchen Teufel ‒ ‒ Menſch kann er nicht heißen. Ge- wiß er wuͤrde ſich allenthalben, und vor jeder- mann, ſelbſt bey dem Altar eben ſo auffuͤhren: wenn ein Frauenzimmer mit ihm da waͤre.
Es ſoll allemal eine Regel bey mir ſeyn, daß derjenige, der ein Frauenzimmer nicht mit einiger Ehrerbietung anſiehet, es mit Verachtung anſe- hen, und bey Gelegenheit auch veraͤchtlich mit dem- ſelben umgehen werde.
Er war ſo dreiſt, daß er mich auffordern woll- te: allein ich ſchlug es ihm ſchlechterdings ab, und meidete ihn, ſo viel ich konnte, mit den ver- achtungsvolleſten Blicken. Aber ihn konnte nichts kraͤnken.
Jch wuͤnſchte wohl zwanzig mal, daß ich nicht da geweſen waͤre.
Die Cavalliers, glaube ich, haͤtten eben ſo gern gewuͤnſcht, als ich, daß er lieber den Hals gebrochen haͤtte, als da geweſen waͤre. Denn niemand ward geachtet, als er. Er iſt ſo wenig
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und nur allzugeneigt, das, was in der That ihre
vornehmſte Anmuth iſt, als einen Fehler anzuſe-
hen. Gar fein urtheilen ſie: wenn ſie dieſen
Fehler dadurch zu erſetzen gedenken, daß ſie einen
Mann waͤhlen, der ſich nicht ſchaͤmen kann.
Seine Unterredung mit Herrn Hickmann fiel
auf Sie, und das Unrecht, welches er Jhnen
nach ſeinem eignen Geſtaͤndniß gethan hat: ob
er gleich von der Sache ſo leicht abbrechen, und
wieder dazu kommen konnte.
Jch habe keine Gedult mit einem ſolchen
Teufel ‒ ‒ Menſch kann er nicht heißen. Ge-
wiß er wuͤrde ſich allenthalben, und vor jeder-
mann, ſelbſt bey dem Altar eben ſo auffuͤhren:
wenn ein Frauenzimmer mit ihm da waͤre.
Es ſoll allemal eine Regel bey mir ſeyn, daß
derjenige, der ein Frauenzimmer nicht mit einiger
Ehrerbietung anſiehet, es mit Verachtung anſe-
hen, und bey Gelegenheit auch veraͤchtlich mit dem-
ſelben umgehen werde.
Er war ſo dreiſt, daß er mich auffordern woll-
te: allein ich ſchlug es ihm ſchlechterdings ab,
und meidete ihn, ſo viel ich konnte, mit den ver-
achtungsvolleſten Blicken. Aber ihn konnte
nichts kraͤnken.
Jch wuͤnſchte wohl zwanzig mal, daß ich nicht
da geweſen waͤre.
Die Cavalliers, glaube ich, haͤtten eben ſo
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 556. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/562>, abgerufen am 22.11.2024.
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