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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

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tague bisweilen. Er hatte in der That mit sei-
nem scheinbaren Anstande einem jeden etwas zu
sagen: und dieß stillte allzubald das Misvergnü-
gen, welches jedermann bey seiner Ankunft em-
psand.

Jch saß noch immer auf meinem Stuhl:
und er sahe mich entweder nicht, oder wollte mich
noch nicht sehen. Er redete meine Mutter an
und faßte sie, mit einer höchst zuversichtlichen
Mine, wider ihren Willen bey der Hand. Jch
freue mich, gnädige Frau, sie hier zu sehen: ich
hoffe, die Fräulein Howe befindet sich wohl. Jch
habe Ursache, mich sehr über sie zu beklagen:
aber mache mir Hoffnung, daß ich die höchste
Verbindlichkeit, die einem Menschen aufgelegt
werden kann, gegen sie haben werde.

Meine Tochter ist gewohnt, mein Herr, zu
feurig und zu eifrig in ihren Freundschaften zu
seyn, daß meine oder ihre eigne Ruhe ungestört
bleiben sollte.

Es war freylich erst vor kurzem ein Misver-
gnügen zwischen meiner Mutter und mir vorge-
fallen: allein mich deucht dennoch, daß sie dieß
gegen ihn hätte sparen können; ob es gleich nie-
mand hörte, wie ich glaube, außer der Person, zu
welcher es gesagt wurde, und der Fräulein, die
es mir erzählte; denn meine Mutter sagte es
leise.

Wir leben nicht für uns allein, gnädige
Frau, sprach der schändliche Heuchler. Nicht
ein jeder hat eine Seele, die zur Freundschaft

auf-



tague bisweilen. Er hatte in der That mit ſei-
nem ſcheinbaren Anſtande einem jeden etwas zu
ſagen: und dieß ſtillte allzubald das Misvergnuͤ-
gen, welches jedermann bey ſeiner Ankunft em-
pſand.

Jch ſaß noch immer auf meinem Stuhl:
und er ſahe mich entweder nicht, oder wollte mich
noch nicht ſehen. Er redete meine Mutter an
und faßte ſie, mit einer hoͤchſt zuverſichtlichen
Mine, wider ihren Willen bey der Hand. Jch
freue mich, gnaͤdige Frau, ſie hier zu ſehen: ich
hoffe, die Fraͤulein Howe befindet ſich wohl. Jch
habe Urſache, mich ſehr uͤber ſie zu beklagen:
aber mache mir Hoffnung, daß ich die hoͤchſte
Verbindlichkeit, die einem Menſchen aufgelegt
werden kann, gegen ſie haben werde.

Meine Tochter iſt gewohnt, mein Herr, zu
feurig und zu eifrig in ihren Freundſchaften zu
ſeyn, daß meine oder ihre eigne Ruhe ungeſtoͤrt
bleiben ſollte.

Es war freylich erſt vor kurzem ein Misver-
gnuͤgen zwiſchen meiner Mutter und mir vorge-
fallen: allein mich deucht dennoch, daß ſie dieß
gegen ihn haͤtte ſparen koͤnnen; ob es gleich nie-
mand hoͤrte, wie ich glaube, außer der Perſon, zu
welcher es geſagt wurde, und der Fraͤulein, die
es mir erzaͤhlte; denn meine Mutter ſagte es
leiſe.

Wir leben nicht fuͤr uns allein, gnaͤdige
Frau, ſprach der ſchaͤndliche Heuchler. Nicht
ein jeder hat eine Seele, die zur Freundſchaft

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[546/0552] tague bisweilen. Er hatte in der That mit ſei- nem ſcheinbaren Anſtande einem jeden etwas zu ſagen: und dieß ſtillte allzubald das Misvergnuͤ- gen, welches jedermann bey ſeiner Ankunft em- pſand. Jch ſaß noch immer auf meinem Stuhl: und er ſahe mich entweder nicht, oder wollte mich noch nicht ſehen. Er redete meine Mutter an und faßte ſie, mit einer hoͤchſt zuverſichtlichen Mine, wider ihren Willen bey der Hand. Jch freue mich, gnaͤdige Frau, ſie hier zu ſehen: ich hoffe, die Fraͤulein Howe befindet ſich wohl. Jch habe Urſache, mich ſehr uͤber ſie zu beklagen: aber mache mir Hoffnung, daß ich die hoͤchſte Verbindlichkeit, die einem Menſchen aufgelegt werden kann, gegen ſie haben werde. Meine Tochter iſt gewohnt, mein Herr, zu feurig und zu eifrig in ihren Freundſchaften zu ſeyn, daß meine oder ihre eigne Ruhe ungeſtoͤrt bleiben ſollte. Es war freylich erſt vor kurzem ein Misver- gnuͤgen zwiſchen meiner Mutter und mir vorge- fallen: allein mich deucht dennoch, daß ſie dieß gegen ihn haͤtte ſparen koͤnnen; ob es gleich nie- mand hoͤrte, wie ich glaube, außer der Perſon, zu welcher es geſagt wurde, und der Fraͤulein, die es mir erzaͤhlte; denn meine Mutter ſagte es leiſe. Wir leben nicht fuͤr uns allein, gnaͤdige Frau, ſprach der ſchaͤndliche Heuchler. Nicht ein jeder hat eine Seele, die zur Freundſchaft auf-

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 546. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/552>, abgerufen am 22.11.2024.