Freyheit noch einmal, oben an der Treppe, wo- hin sie ihn begleitete, auf eine feurige Art zu nehmen; und zwar in den Gedanken, daß es das letzte mal seyn würde, daß er diese Ehre jemals haben sollte. Als er nun wegen seiner Freyheit sich zu entschuldigen gesucht; indem er sie mit ei- ner Hestigkeit, welche er weder zu erklären noch zu unterdrücken gewußt, an seine Brust gedrü- cket: so hätte sie geantwortet: - - Entschuldi- gen sie, Herr Hickmann; daß ich will. Sie sind mein Bruder, und mein Freund: und, um ih- nen zu zeigen, daß der Mann, welcher mit mei- ner geliebten Fräulein Howe glücklich seyn soll, mir sehr werth sey; sollen sie ihr dieses Zeichen meiner Liebe mitnehmen - - Darauf hielte sie ihm selbst ihr angenehmes Gesicht zu einem Kusse hin, und drückte ihm die Hand - - Vielleicht, fuhr sie fort, wird ihre Liebe zu mir ihr dasselbe angenehmer machen, als sonst ihre Bedenklich- keit erlauben würde. Sagen sie ihr, sprach sie auf einem Knie, mit zusammen geschlagenen Händen und aufgehabenen Augen, daß sie mich bey dem letzten Augenblick unsers Abschiedes in dieser Stellung sehen, indem ich Glück und Se- gen für sie beyde erbitte, und daß sie auf viele, sehr viele, glückliche Jahre sich einander zum Ver- gnügen und Trost seyn mögen.
Die Thränen, sagte er, fielen mir aus den Augen. Jch seufzete selbst, mit einer Mischung von Freude und Kummer: und weil sie sich wie- der hinein begab, so bald ich sie aufgehoben hatte,
ging
L l 5
Freyheit noch einmal, oben an der Treppe, wo- hin ſie ihn begleitete, auf eine feurige Art zu nehmen; und zwar in den Gedanken, daß es das letzte mal ſeyn wuͤrde, daß er dieſe Ehre jemals haben ſollte. Als er nun wegen ſeiner Freyheit ſich zu entſchuldigen geſucht; indem er ſie mit ei- ner Heſtigkeit, welche er weder zu erklaͤren noch zu unterdruͤcken gewußt, an ſeine Bruſt gedruͤ- cket: ſo haͤtte ſie geantwortet: ‒ ‒ Entſchuldi- gen ſie, Herr Hickmann; daß ich will. Sie ſind mein Bruder, und mein Freund: und, um ih- nen zu zeigen, daß der Mann, welcher mit mei- ner geliebten Fraͤulein Howe gluͤcklich ſeyn ſoll, mir ſehr werth ſey; ſollen ſie ihr dieſes Zeichen meiner Liebe mitnehmen ‒ ‒ Darauf hielte ſie ihm ſelbſt ihr angenehmes Geſicht zu einem Kuſſe hin, und druͤckte ihm die Hand ‒ ‒ Vielleicht, fuhr ſie fort, wird ihre Liebe zu mir ihr daſſelbe angenehmer machen, als ſonſt ihre Bedenklich- keit erlauben wuͤrde. Sagen ſie ihr, ſprach ſie auf einem Knie, mit zuſammen geſchlagenen Haͤnden und aufgehabenen Augen, daß ſie mich bey dem letzten Augenblick unſers Abſchiedes in dieſer Stellung ſehen, indem ich Gluͤck und Se- gen fuͤr ſie beyde erbitte, und daß ſie auf viele, ſehr viele, gluͤckliche Jahre ſich einander zum Ver- gnuͤgen und Troſt ſeyn moͤgen.
Die Thraͤnen, ſagte er, fielen mir aus den Augen. Jch ſeufzete ſelbſt, mit einer Miſchung von Freude und Kummer: und weil ſie ſich wie- der hinein begab, ſo bald ich ſie aufgehoben hatte,
ging
L l 5
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0543"n="537"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
Freyheit noch einmal, oben an der Treppe, wo-<lb/>
hin ſie ihn begleitete, auf eine feurige Art zu<lb/>
nehmen; und zwar in den Gedanken, daß es das<lb/>
letzte mal ſeyn wuͤrde, daß er dieſe Ehre jemals<lb/>
haben ſollte. Als er nun wegen ſeiner Freyheit<lb/>ſich zu entſchuldigen geſucht; indem er ſie mit ei-<lb/>
ner Heſtigkeit, welche er weder zu erklaͤren noch<lb/>
zu unterdruͤcken gewußt, an ſeine Bruſt gedruͤ-<lb/>
cket: ſo haͤtte ſie geantwortet: ‒‒ Entſchuldi-<lb/>
gen ſie, Herr Hickmann; daß ich will. Sie ſind<lb/>
mein Bruder, und mein Freund: und, um ih-<lb/>
nen zu zeigen, daß der Mann, welcher mit mei-<lb/>
ner geliebten Fraͤulein Howe gluͤcklich ſeyn ſoll,<lb/>
mir ſehr werth ſey; ſollen ſie ihr dieſes Zeichen<lb/>
meiner Liebe mitnehmen ‒‒ Darauf hielte ſie<lb/>
ihm ſelbſt ihr angenehmes Geſicht zu einem Kuſſe<lb/>
hin, und druͤckte ihm die Hand ‒‒ Vielleicht,<lb/>
fuhr ſie fort, wird ihre Liebe zu <hirendition="#fr">mir</hi> ihr daſſelbe<lb/>
angenehmer machen, als ſonſt ihre Bedenklich-<lb/>
keit erlauben wuͤrde. Sagen ſie ihr, ſprach ſie<lb/>
auf einem Knie, mit zuſammen geſchlagenen<lb/>
Haͤnden und aufgehabenen Augen, daß ſie mich<lb/>
bey dem letzten Augenblick unſers Abſchiedes in<lb/>
dieſer Stellung ſehen, indem ich Gluͤck und Se-<lb/>
gen fuͤr ſie beyde erbitte, und daß ſie auf viele,<lb/>ſehr viele, gluͤckliche Jahre ſich einander zum Ver-<lb/>
gnuͤgen und Troſt ſeyn moͤgen.</p><lb/><p>Die Thraͤnen, ſagte er, fielen mir aus den<lb/>
Augen. Jch ſeufzete ſelbſt, mit einer Miſchung<lb/>
von Freude und Kummer: und weil ſie ſich wie-<lb/>
der hinein begab, ſo bald ich ſie aufgehoben hatte,<lb/><fwplace="bottom"type="sig">L l 5</fw><fwplace="bottom"type="catch">ging</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[537/0543]
Freyheit noch einmal, oben an der Treppe, wo-
hin ſie ihn begleitete, auf eine feurige Art zu
nehmen; und zwar in den Gedanken, daß es das
letzte mal ſeyn wuͤrde, daß er dieſe Ehre jemals
haben ſollte. Als er nun wegen ſeiner Freyheit
ſich zu entſchuldigen geſucht; indem er ſie mit ei-
ner Heſtigkeit, welche er weder zu erklaͤren noch
zu unterdruͤcken gewußt, an ſeine Bruſt gedruͤ-
cket: ſo haͤtte ſie geantwortet: ‒ ‒ Entſchuldi-
gen ſie, Herr Hickmann; daß ich will. Sie ſind
mein Bruder, und mein Freund: und, um ih-
nen zu zeigen, daß der Mann, welcher mit mei-
ner geliebten Fraͤulein Howe gluͤcklich ſeyn ſoll,
mir ſehr werth ſey; ſollen ſie ihr dieſes Zeichen
meiner Liebe mitnehmen ‒ ‒ Darauf hielte ſie
ihm ſelbſt ihr angenehmes Geſicht zu einem Kuſſe
hin, und druͤckte ihm die Hand ‒ ‒ Vielleicht,
fuhr ſie fort, wird ihre Liebe zu mir ihr daſſelbe
angenehmer machen, als ſonſt ihre Bedenklich-
keit erlauben wuͤrde. Sagen ſie ihr, ſprach ſie
auf einem Knie, mit zuſammen geſchlagenen
Haͤnden und aufgehabenen Augen, daß ſie mich
bey dem letzten Augenblick unſers Abſchiedes in
dieſer Stellung ſehen, indem ich Gluͤck und Se-
gen fuͤr ſie beyde erbitte, und daß ſie auf viele,
ſehr viele, gluͤckliche Jahre ſich einander zum Ver-
gnuͤgen und Troſt ſeyn moͤgen.
Die Thraͤnen, ſagte er, fielen mir aus den
Augen. Jch ſeufzete ſelbſt, mit einer Miſchung
von Freude und Kummer: und weil ſie ſich wie-
der hinein begab, ſo bald ich ſie aufgehoben hatte,
ging
L l 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 537. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/543>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.