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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

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ihren Kranken dasjenige verbieten, was denselben
am besten gefällt, und sie am meisten belustiget.

Allein so deutlich sie auch sehen, daß diese
Fräulein edel und erhaben gesinnet ist: so kennen
sie doch nicht halb den Adel ihres Gemüths, und
wissen nicht halb, wie tief sie verwundet ist. Sie
verlassen sich zu viel auf ihre Jugend, die in
diesem Fall, wie ich besorge, es nicht ausma-
chen, und auf die Zeit, welche den Jammer ei-
nes solchen Gemüths nicht erleichtern wird.
Denn da sie den festen Vorsatz gehabt, gutes zu
thun, und einen liederlichen Menschen, den sie
liebte, auf bessere Wege zu bringen: so ist sie in
allen ihren Absichten betrogen, die ihr am meisten
am Herzen gelegen, und wird niemals im Stan-
de seyn, wie ich befürchte, mit einer solchen Zu-
friedenheit mit sich selbst ihre Augen aufzuschla-
gen, welche hinreichen sollte, ihr das Leben so an-
genehm zu machen, daß sie es wünschen möchte.
Diese Fräulein hat ganz andere Absichten bey
ihrem Leben gehabt, als die gemeinen Beschäffti-
gungen mit Essen, Schlafen, Putzen, Besuchen
und andern Zeitvertreib nach der Mode, welche
bey den meisten von ihrem Geschlechte, und son-
derlich denen, die sich für geschickt halten, ansehn-
lichen und artigen Versammlungen einen Glanz
und eine Zierde zu geben, die Zeit wegnehmen.
Kurz ihre Traurigkeit scheint mir von einer sol-
chen Art zu seyn, daß die Zeit, welche sonst bey
den meisten Personen das Leiden zu erleichtern
pflegt, bey ihr dasselbe nur größer und

schwe-



ihren Kranken dasjenige verbieten, was denſelben
am beſten gefaͤllt, und ſie am meiſten beluſtiget.

Allein ſo deutlich ſie auch ſehen, daß dieſe
Fraͤulein edel und erhaben geſinnet iſt: ſo kennen
ſie doch nicht halb den Adel ihres Gemuͤths, und
wiſſen nicht halb, wie tief ſie verwundet iſt. Sie
verlaſſen ſich zu viel auf ihre Jugend, die in
dieſem Fall, wie ich beſorge, es nicht ausma-
chen, und auf die Zeit, welche den Jammer ei-
nes ſolchen Gemuͤths nicht erleichtern wird.
Denn da ſie den feſten Vorſatz gehabt, gutes zu
thun, und einen liederlichen Menſchen, den ſie
liebte, auf beſſere Wege zu bringen: ſo iſt ſie in
allen ihren Abſichten betrogen, die ihr am meiſten
am Herzen gelegen, und wird niemals im Stan-
de ſeyn, wie ich befuͤrchte, mit einer ſolchen Zu-
friedenheit mit ſich ſelbſt ihre Augen aufzuſchla-
gen, welche hinreichen ſollte, ihr das Leben ſo an-
genehm zu machen, daß ſie es wuͤnſchen moͤchte.
Dieſe Fraͤulein hat ganz andere Abſichten bey
ihrem Leben gehabt, als die gemeinen Beſchaͤffti-
gungen mit Eſſen, Schlafen, Putzen, Beſuchen
und andern Zeitvertreib nach der Mode, welche
bey den meiſten von ihrem Geſchlechte, und ſon-
derlich denen, die ſich fuͤr geſchickt halten, anſehn-
lichen und artigen Verſammlungen einen Glanz
und eine Zierde zu geben, die Zeit wegnehmen.
Kurz ihre Traurigkeit ſcheint mir von einer ſol-
chen Art zu ſeyn, daß die Zeit, welche ſonſt bey
den meiſten Perſonen das Leiden zu erleichtern
pflegt, bey ihr daſſelbe nur groͤßer und

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[525/0531] ihren Kranken dasjenige verbieten, was denſelben am beſten gefaͤllt, und ſie am meiſten beluſtiget. Allein ſo deutlich ſie auch ſehen, daß dieſe Fraͤulein edel und erhaben geſinnet iſt: ſo kennen ſie doch nicht halb den Adel ihres Gemuͤths, und wiſſen nicht halb, wie tief ſie verwundet iſt. Sie verlaſſen ſich zu viel auf ihre Jugend, die in dieſem Fall, wie ich beſorge, es nicht ausma- chen, und auf die Zeit, welche den Jammer ei- nes ſolchen Gemuͤths nicht erleichtern wird. Denn da ſie den feſten Vorſatz gehabt, gutes zu thun, und einen liederlichen Menſchen, den ſie liebte, auf beſſere Wege zu bringen: ſo iſt ſie in allen ihren Abſichten betrogen, die ihr am meiſten am Herzen gelegen, und wird niemals im Stan- de ſeyn, wie ich befuͤrchte, mit einer ſolchen Zu- friedenheit mit ſich ſelbſt ihre Augen aufzuſchla- gen, welche hinreichen ſollte, ihr das Leben ſo an- genehm zu machen, daß ſie es wuͤnſchen moͤchte. Dieſe Fraͤulein hat ganz andere Abſichten bey ihrem Leben gehabt, als die gemeinen Beſchaͤffti- gungen mit Eſſen, Schlafen, Putzen, Beſuchen und andern Zeitvertreib nach der Mode, welche bey den meiſten von ihrem Geſchlechte, und ſon- derlich denen, die ſich fuͤr geſchickt halten, anſehn- lichen und artigen Verſammlungen einen Glanz und eine Zierde zu geben, die Zeit wegnehmen. Kurz ihre Traurigkeit ſcheint mir von einer ſol- chen Art zu ſeyn, daß die Zeit, welche ſonſt bey den meiſten Perſonen das Leiden zu erleichtern pflegt, bey ihr daſſelbe nur groͤßer und ſchwe-

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 525. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/531>, abgerufen am 25.11.2024.