die Fräulein Harlowe ist über dieß der festen Meynung, daß sie die Dinge, welche sie veräu- ßert, niemals brauchen oder tragen werde.
Weil ich nichts von London gehört habe, das mich nöthigt, dahin zu gehen: so werde ich dem armen Belton zu gefallen, um ihm Gesellschaft zu leisten, bis morgen, oder vielleicht bis auf den Mittwochen hier bleiben. Denn der unglückli- che Mensch will mich immer ungerner verlassen. Jch werde mich bald nach Epsom begeben, da- mit ich ihm da zu dienen, und ihn wieder in sein eignes Haus einzusetzen suchen möge. Der ar- me Kerl! Er ist erschrecklich niedergeschlagen; kriecht herum; und nichts vergnüget ihn. Jch habe von Herzen Mitleiden mit ihm: aber kann ihm nicht helfen - - Was für Trost kann ich ihm entweder von seinem vergangenen Leben oder von seiner künftigen Hoffnung zusprechen?
Bey unsern Freundschaften und Vertraulich- keiten, Lovelace, wird die Rechnung allein auf ein dauerhaftes Leben und eine beständige Ge- sundheit gemacht. Wenn Krankheit kommt: so sehen wir um uns herum und auf einander; wie gescheuchte Vögel, bey dem Anblick eines Gelers, der eben auf sie stossen will. Was für elende Leute sind wir denn bey aller unserer Tapfer- keit!
Du sagst mir, daß du die Besserung ge- schwinde über mich kommen siehst. Jch hoffe es. Jch sehe einen so großen Unterschied in dem Bezeigen dieser bewundernswürdigen Fräulein
bey
die Fraͤulein Harlowe iſt uͤber dieß der feſten Meynung, daß ſie die Dinge, welche ſie veraͤu- ßert, niemals brauchen oder tragen werde.
Weil ich nichts von London gehoͤrt habe, das mich noͤthigt, dahin zu gehen: ſo werde ich dem armen Belton zu gefallen, um ihm Geſellſchaft zu leiſten, bis morgen, oder vielleicht bis auf den Mittwochen hier bleiben. Denn der ungluͤckli- che Menſch will mich immer ungerner verlaſſen. Jch werde mich bald nach Epſom begeben, da- mit ich ihm da zu dienen, und ihn wieder in ſein eignes Haus einzuſetzen ſuchen moͤge. Der ar- me Kerl! Er iſt erſchrecklich niedergeſchlagen; kriecht herum; und nichts vergnuͤget ihn. Jch habe von Herzen Mitleiden mit ihm: aber kann ihm nicht helfen ‒ ‒ Was fuͤr Troſt kann ich ihm entweder von ſeinem vergangenen Leben oder von ſeiner kuͤnftigen Hoffnung zuſprechen?
Bey unſern Freundſchaften und Vertraulich- keiten, Lovelace, wird die Rechnung allein auf ein dauerhaftes Leben und eine beſtaͤndige Ge- ſundheit gemacht. Wenn Krankheit kommt: ſo ſehen wir um uns herum und auf einander; wie geſcheuchte Voͤgel, bey dem Anblick eines Gelers, der eben auf ſie ſtoſſen will. Was fuͤr elende Leute ſind wir denn bey aller unſerer Tapfer- keit!
Du ſagſt mir, daß du die Beſſerung ge- ſchwinde uͤber mich kommen ſiehſt. Jch hoffe es. Jch ſehe einen ſo großen Unterſchied in dem Bezeigen dieſer bewundernswuͤrdigen Fraͤulein
bey
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die Fraͤulein Harlowe iſt uͤber dieß der feſten
Meynung, daß ſie die Dinge, welche ſie veraͤu-
ßert, niemals brauchen oder tragen werde.
Weil ich nichts von London gehoͤrt habe, das
mich noͤthigt, dahin zu gehen: ſo werde ich dem
armen Belton zu gefallen, um ihm Geſellſchaft
zu leiſten, bis morgen, oder vielleicht bis auf den
Mittwochen hier bleiben. Denn der ungluͤckli-
che Menſch will mich immer ungerner verlaſſen.
Jch werde mich bald nach Epſom begeben, da-
mit ich ihm da zu dienen, und ihn wieder in ſein
eignes Haus einzuſetzen ſuchen moͤge. Der ar-
me Kerl! Er iſt erſchrecklich niedergeſchlagen;
kriecht herum; und nichts vergnuͤget ihn. Jch
habe von Herzen Mitleiden mit ihm: aber kann
ihm nicht helfen ‒ ‒ Was fuͤr Troſt kann ich
ihm entweder von ſeinem vergangenen Leben oder
von ſeiner kuͤnftigen Hoffnung zuſprechen?
Bey unſern Freundſchaften und Vertraulich-
keiten, Lovelace, wird die Rechnung allein auf
ein dauerhaftes Leben und eine beſtaͤndige Ge-
ſundheit gemacht. Wenn Krankheit kommt: ſo
ſehen wir um uns herum und auf einander; wie
geſcheuchte Voͤgel, bey dem Anblick eines Gelers,
der eben auf ſie ſtoſſen will. Was fuͤr elende
Leute ſind wir denn bey aller unſerer Tapfer-
keit!
Du ſagſt mir, daß du die Beſſerung ge-
ſchwinde uͤber mich kommen ſiehſt. Jch hoffe
es. Jch ſehe einen ſo großen Unterſchied in dem
Bezeigen dieſer bewundernswuͤrdigen Fraͤulein
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 511. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/517>, abgerufen am 25.11.2024.
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