verleitet werden, hervorsuchen! - - Aber es ist kein Wunder, daß der, welcher vorsetzlich eine böse Handlung unternehmen kann, sich auch mit einer bösen Entschuldigung besriedigen wolle. Für was für Thoren muß er gleichwohl die übri- gen Leute in der Welt ansehen: wenn er sich ein- bildet, daß diese sich eben so leicht betrügen lassen, als er sich selbst betrügen kann!
Vergeblich suchst du die Noth, wozu du diese Fräulein gebracht hast, ihre Kleider von der Hand zu schlagen, einem Stolz oder Eigensinn beyzumessen. Denn kann sie anders thun und noch die edelmüthige Seele seyn, die sie ist?
Jhre unversöhnlichen Freunde haben ihr die Gelder, welche sie zu ihren ordentlichen Ausga- ben gehabt und hinter sich gelassen hat, versaget, und, wie ihre Schwester schrieb, gewünscht, sie zur Dürftigkeit gebracht zu sehen. Nach aller Wahrscheinlichkeit wird es ihnen also nicht unan- genehm seyn, daß sie in solchen Bedruck gerathen ist. Sie werden es als eine Rechtfertigung ih- rer gottlosen Hartherzigkeit vom Himmel anse- hen. Du kannst nicht vermuthen, daß sie von dir Zuschub annehmen sollte: und ihn von mir anzunehmen, würde, nach ihrer Meynung, eben so gut seyn, als wenn sie ihn von dir annähme. Die Mutter der Fräulein Howe ist eine geizige Frau: und vielleicht könnte die Tochter nichts dergleichen ohne jener Wissen thun. Könnte sie es: so ist sie viel zu edel gesinnt, es abzuschla- gen, wenn es von ihr verlangt würde. Aber
die
verleitet werden, hervorſuchen! ‒ ‒ Aber es iſt kein Wunder, daß der, welcher vorſetzlich eine boͤſe Handlung unternehmen kann, ſich auch mit einer boͤſen Entſchuldigung beſriedigen wolle. Fuͤr was fuͤr Thoren muß er gleichwohl die uͤbri- gen Leute in der Welt anſehen: wenn er ſich ein- bildet, daß dieſe ſich eben ſo leicht betruͤgen laſſen, als er ſich ſelbſt betruͤgen kann!
Vergeblich ſuchſt du die Noth, wozu du dieſe Fraͤulein gebracht haſt, ihre Kleider von der Hand zu ſchlagen, einem Stolz oder Eigenſinn beyzumeſſen. Denn kann ſie anders thun und noch die edelmuͤthige Seele ſeyn, die ſie iſt?
Jhre unverſoͤhnlichen Freunde haben ihr die Gelder, welche ſie zu ihren ordentlichen Ausga- ben gehabt und hinter ſich gelaſſen hat, verſaget, und, wie ihre Schweſter ſchrieb, gewuͤnſcht, ſie zur Duͤrftigkeit gebracht zu ſehen. Nach aller Wahrſcheinlichkeit wird es ihnen alſo nicht unan- genehm ſeyn, daß ſie in ſolchen Bedruck gerathen iſt. Sie werden es als eine Rechtfertigung ih- rer gottloſen Hartherzigkeit vom Himmel anſe- hen. Du kannſt nicht vermuthen, daß ſie von dir Zuſchub annehmen ſollte: und ihn von mir anzunehmen, wuͤrde, nach ihrer Meynung, eben ſo gut ſeyn, als wenn ſie ihn von dir annaͤhme. Die Mutter der Fraͤulein Howe iſt eine geizige Frau: und vielleicht koͤnnte die Tochter nichts dergleichen ohne jener Wiſſen thun. Koͤnnte ſie es: ſo iſt ſie viel zu edel geſinnt, es abzuſchla- gen, wenn es von ihr verlangt wuͤrde. Aber
die
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verleitet werden, hervorſuchen! ‒ ‒ Aber es iſt
kein Wunder, daß der, welcher vorſetzlich eine
boͤſe Handlung unternehmen kann, ſich auch mit
einer boͤſen Entſchuldigung beſriedigen wolle.
Fuͤr was fuͤr Thoren muß er gleichwohl die uͤbri-
gen Leute in der Welt anſehen: wenn er ſich ein-
bildet, daß dieſe ſich eben ſo leicht betruͤgen laſſen,
als er ſich ſelbſt betruͤgen kann!
Vergeblich ſuchſt du die Noth, wozu du dieſe
Fraͤulein gebracht haſt, ihre Kleider von der
Hand zu ſchlagen, einem Stolz oder Eigenſinn
beyzumeſſen. Denn kann ſie anders thun und
noch die edelmuͤthige Seele ſeyn, die ſie iſt?
Jhre unverſoͤhnlichen Freunde haben ihr die
Gelder, welche ſie zu ihren ordentlichen Ausga-
ben gehabt und hinter ſich gelaſſen hat, verſaget,
und, wie ihre Schweſter ſchrieb, gewuͤnſcht, ſie
zur Duͤrftigkeit gebracht zu ſehen. Nach aller
Wahrſcheinlichkeit wird es ihnen alſo nicht unan-
genehm ſeyn, daß ſie in ſolchen Bedruck gerathen
iſt. Sie werden es als eine Rechtfertigung ih-
rer gottloſen Hartherzigkeit vom Himmel anſe-
hen. Du kannſt nicht vermuthen, daß ſie von
dir Zuſchub annehmen ſollte: und ihn von mir
anzunehmen, wuͤrde, nach ihrer Meynung, eben
ſo gut ſeyn, als wenn ſie ihn von dir annaͤhme.
Die Mutter der Fraͤulein Howe iſt eine geizige
Frau: und vielleicht koͤnnte die Tochter nichts
dergleichen ohne jener Wiſſen thun. Koͤnnte
ſie es: ſo iſt ſie viel zu edel geſinnt, es abzuſchla-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 510. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/516>, abgerufen am 22.11.2024.
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