Freunde, welche es nach diesem ihrer Mühe werth achten mögen, sich nach meiner letzten Aufführung zu erkundigen, überführe, daß ich mein Leben mit ziemlicher Gedult ertragen, und mit einem Looße, das ich für mich selbst gezogen, zufrieden zu seyn gesuchet habe. Denn so sage ich oft, in demü- thiger Nachahmung des erhabensten Musters: - - Herr, es ist dein Wille, und es soll auch mein Wille seyn. Du bist gerecht in allem deinem Thun mit den Menschenkindern: und ich weiß, du wirst mich nicht mehr betrüben, als daß ich es ertragen kann. Kann ich es aber ertragen: so muß ich es billig ertragen, und unter dem Beystande deiner Gnade will ich es ertragen.
"Allein hier, meine Wertheste, ist ein ande- "rer Grund: ein Grund, der Sie überzeugen "wird, daß ich nicht an das Heyrathen, sondern "an eine ganz andere Vorbereitung gedenken "müsse. So gewiß als ich versichert bin, daß "ich itzo lebe: so gewiß bin ich auch versichert, "daß ich nicht lange leben werde. Die starke "Empfindung, welche ich allezeit von meinem "Vergehen gehabt habe, der Verlust meines gu- "ten Namens, das Misvergnügen über meine "zernichtete Hoffnungen, der unabläßige Zorn "meiner Freunde, haben der unmenschlichen Be- "gegnung, die mir widerfahren ist, wo ich es am "wenigsten verdiente, geholfen, und mein Herz "angegriffen; es noch eher angegriffen, als es "durch Gründe der Religion so befestiget war, "als es, meiner Hoffnung nach, nunmehr ist.
"Be-
Freunde, welche es nach dieſem ihrer Muͤhe werth achten moͤgen, ſich nach meiner letzten Auffuͤhrung zu erkundigen, uͤberfuͤhre, daß ich mein Leben mit ziemlicher Gedult ertragen, und mit einem Looße, das ich fuͤr mich ſelbſt gezogen, zufrieden zu ſeyn geſuchet habe. Denn ſo ſage ich oft, in demuͤ- thiger Nachahmung des erhabenſten Muſters: ‒ ‒ Herr, es iſt dein Wille, und es ſoll auch mein Wille ſeyn. Du biſt gerecht in allem deinem Thun mit den Menſchenkindern: und ich weiß, du wirſt mich nicht mehr betruͤben, als daß ich es ertragen kann. Kann ich es aber ertragen: ſo muß ich es billig ertragen, und unter dem Beyſtande deiner Gnade will ich es ertragen.
„Allein hier, meine Wertheſte, iſt ein ande- „rer Grund: ein Grund, der Sie uͤberzeugen „wird, daß ich nicht an das Heyrathen, ſondern „an eine ganz andere Vorbereitung gedenken „muͤſſe. So gewiß als ich verſichert bin, daß „ich itzo lebe: ſo gewiß bin ich auch verſichert, „daß ich nicht lange leben werde. Die ſtarke „Empfindung, welche ich allezeit von meinem „Vergehen gehabt habe, der Verluſt meines gu- „ten Namens, das Misvergnuͤgen uͤber meine „zernichtete Hoffnungen, der unablaͤßige Zorn „meiner Freunde, haben der unmenſchlichen Be- „gegnung, die mir widerfahren iſt, wo ich es am „wenigſten verdiente, geholfen, und mein Herz „angegriffen; es noch eher angegriffen, als es „durch Gruͤnde der Religion ſo befeſtiget war, „als es, meiner Hoffnung nach, nunmehr iſt.
„Be-
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Freunde, welche es nach dieſem ihrer Muͤhe werth
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zu erkundigen, uͤberfuͤhre, daß ich mein Leben mit
ziemlicher Gedult ertragen, und mit einem Looße,
das ich fuͤr mich ſelbſt gezogen, zufrieden zu ſeyn
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‒ ‒ Herr, es iſt dein Wille, und es ſoll auch mein
Wille ſeyn. Du biſt gerecht in allem deinem
Thun mit den Menſchenkindern: und ich weiß,
du wirſt mich nicht mehr betruͤben, als daß ich
es ertragen kann. Kann ich es aber ertragen:
ſo muß ich es billig ertragen, und unter dem
Beyſtande deiner Gnade will ich es ertragen.
„Allein hier, meine Wertheſte, iſt ein ande-
„rer Grund: ein Grund, der Sie uͤberzeugen
„wird, daß ich nicht an das Heyrathen, ſondern
„an eine ganz andere Vorbereitung gedenken
„muͤſſe. So gewiß als ich verſichert bin, daß
„ich itzo lebe: ſo gewiß bin ich auch verſichert,
„daß ich nicht lange leben werde. Die ſtarke
„Empfindung, welche ich allezeit von meinem
„Vergehen gehabt habe, der Verluſt meines gu-
„ten Namens, das Misvergnuͤgen uͤber meine
„zernichtete Hoffnungen, der unablaͤßige Zorn
„meiner Freunde, haben der unmenſchlichen Be-
„gegnung, die mir widerfahren iſt, wo ich es am
„wenigſten verdiente, geholfen, und mein Herz
„angegriffen; es noch eher angegriffen, als es
„durch Gruͤnde der Religion ſo befeſtiget war,
„als es, meiner Hoffnung nach, nunmehr iſt.
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 492. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/498>, abgerufen am 22.11.2024.
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