Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



Fräulein - - Jch weiß nicht, was aus Jhnen
geworden seyn möchte - - Allein was auch im-
mer geschehen wäre: so würden Sie doch die Leut-
seligkeit an ihr gefunden haben, die Sie nicht be-
wiesen; Sie möchten nun dieselbe verdient ha-
ben, oder nicht. - Sie würden, wenn es auch zu
dem ärgsten gekommen wäre, weder eine gütige
Schwester noch eine mitleidige Freundinn, in
Jhrer vortrefflichsten Schwester, verlohren ha-
ben.

Aber warum bin ich weitläuftig gegen eine so
Armselige? - - Warum suche ich eine so schwa-
che Gegnerinn in die Enge zu treiben, deren er-
ster Brief nichts als niedrige Bosheit ist, und
deren zweytes Schreiben aus Unwahrheit und
Widerspruch so wohl, als aus Haß und ungeschick-
ter Aufführung zusammen gesetzet ist? Jedoch,
ich bin willens gewesen, Jhnen ein Theil von
meiner Meynung zu eröffnen. - - Fordern Sie
nur mehr: so soll es zu Jhren Diensten seyn;
von einer Person, die zwar Gott danket, daß sie
sich nicht Jhre Schwester nennet, allein doch
nicht Jhre Feindinn ist; inzwischen aber nur
durch zwo Bewegursachen abgehalten wird, das
letztere nicht zu seyn; einmal, weil Sie mit einer
so vortrefflichen Schwester, ob gleich unwürdiger
Weise, in Verwandtschaft stehen; hiernächst,
weil Sie nicht beträchtlich genug sind, etwas an-
deres zu verdienen, als Mitleiden und Verach-
tung von

A. H.
Der
G g 3



Fraͤulein ‒ ‒ Jch weiß nicht, was aus Jhnen
geworden ſeyn moͤchte ‒ ‒ Allein was auch im-
mer geſchehen waͤre: ſo wuͤrden Sie doch die Leut-
ſeligkeit an ihr gefunden haben, die Sie nicht be-
wieſen; Sie moͤchten nun dieſelbe verdient ha-
ben, oder nicht. ‒ Sie wuͤrden, wenn es auch zu
dem aͤrgſten gekommen waͤre, weder eine guͤtige
Schweſter noch eine mitleidige Freundinn, in
Jhrer vortrefflichſten Schweſter, verlohren ha-
ben.

Aber warum bin ich weitlaͤuftig gegen eine ſo
Armſelige? ‒ ‒ Warum ſuche ich eine ſo ſchwa-
che Gegnerinn in die Enge zu treiben, deren er-
ſter Brief nichts als niedrige Bosheit iſt, und
deren zweytes Schreiben aus Unwahrheit und
Widerſpruch ſo wohl, als aus Haß und ungeſchick-
ter Auffuͤhrung zuſammen geſetzet iſt? Jedoch,
ich bin willens geweſen, Jhnen ein Theil von
meiner Meynung zu eroͤffnen. ‒ ‒ Fordern Sie
nur mehr: ſo ſoll es zu Jhren Dienſten ſeyn;
von einer Perſon, die zwar Gott danket, daß ſie
ſich nicht Jhre Schweſter nennet, allein doch
nicht Jhre Feindinn iſt; inzwiſchen aber nur
durch zwo Bewegurſachen abgehalten wird, das
letztere nicht zu ſeyn; einmal, weil Sie mit einer
ſo vortrefflichen Schweſter, ob gleich unwuͤrdiger
Weiſe, in Verwandtſchaft ſtehen; hiernaͤchſt,
weil Sie nicht betraͤchtlich genug ſind, etwas an-
deres zu verdienen, als Mitleiden und Verach-
tung von

A. H.
Der
G g 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0475" n="469"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Fra&#x0364;ulein &#x2012; &#x2012; Jch weiß nicht, was aus <hi rendition="#fr">Jhnen</hi><lb/>
geworden &#x017F;eyn mo&#x0364;chte &#x2012; &#x2012; Allein was auch im-<lb/>
mer ge&#x017F;chehen wa&#x0364;re: &#x017F;o wu&#x0364;rden Sie doch die Leut-<lb/>
&#x017F;eligkeit an ihr gefunden haben, die Sie nicht be-<lb/>
wie&#x017F;en; Sie mo&#x0364;chten nun die&#x017F;elbe verdient ha-<lb/>
ben, oder nicht. &#x2012; Sie wu&#x0364;rden, wenn es auch zu<lb/>
dem a&#x0364;rg&#x017F;ten gekommen wa&#x0364;re, weder eine gu&#x0364;tige<lb/>
Schwe&#x017F;ter noch eine mitleidige Freundinn, in<lb/>
Jhrer vortrefflich&#x017F;ten Schwe&#x017F;ter, verlohren ha-<lb/>
ben.</p><lb/>
          <p>Aber warum bin ich weitla&#x0364;uftig gegen eine &#x017F;o<lb/>
Arm&#x017F;elige? &#x2012; &#x2012; Warum &#x017F;uche ich eine &#x017F;o &#x017F;chwa-<lb/>
che Gegnerinn in die Enge zu treiben, deren er-<lb/>
&#x017F;ter Brief nichts als niedrige Bosheit i&#x017F;t, und<lb/>
deren zweytes Schreiben aus Unwahrheit und<lb/>
Wider&#x017F;pruch &#x017F;o wohl, als aus Haß und unge&#x017F;chick-<lb/>
ter Auffu&#x0364;hrung zu&#x017F;ammen ge&#x017F;etzet i&#x017F;t? Jedoch,<lb/>
ich bin willens gewe&#x017F;en, Jhnen ein <hi rendition="#fr">Theil</hi> von<lb/>
meiner Meynung zu ero&#x0364;ffnen. &#x2012; &#x2012; Fordern Sie<lb/>
nur mehr: &#x017F;o &#x017F;oll es zu Jhren Dien&#x017F;ten &#x017F;eyn;<lb/>
von einer Per&#x017F;on, die zwar Gott danket, daß &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ich nicht Jhre <hi rendition="#fr">Schwe&#x017F;ter</hi> nennet, allein doch<lb/>
nicht Jhre <hi rendition="#fr">Feindinn</hi> i&#x017F;t; inzwi&#x017F;chen aber nur<lb/>
durch zwo Bewegur&#x017F;achen abgehalten wird, das<lb/>
letztere <hi rendition="#fr">nicht</hi> zu &#x017F;eyn; einmal, weil Sie mit einer<lb/>
&#x017F;o vortrefflichen Schwe&#x017F;ter, ob gleich unwu&#x0364;rdiger<lb/>
Wei&#x017F;e, in Verwandt&#x017F;chaft &#x017F;tehen; hierna&#x0364;ch&#x017F;t,<lb/>
weil Sie nicht betra&#x0364;chtlich genug &#x017F;ind, etwas an-<lb/>
deres zu verdienen, als Mitleiden und Verach-<lb/>
tung von</p><lb/>
          <closer>
            <salute> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#fr">A. H.</hi> </hi> </salute>
          </closer>
        </div><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">G g 3</fw>
        <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Der</hi> </fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[469/0475] Fraͤulein ‒ ‒ Jch weiß nicht, was aus Jhnen geworden ſeyn moͤchte ‒ ‒ Allein was auch im- mer geſchehen waͤre: ſo wuͤrden Sie doch die Leut- ſeligkeit an ihr gefunden haben, die Sie nicht be- wieſen; Sie moͤchten nun dieſelbe verdient ha- ben, oder nicht. ‒ Sie wuͤrden, wenn es auch zu dem aͤrgſten gekommen waͤre, weder eine guͤtige Schweſter noch eine mitleidige Freundinn, in Jhrer vortrefflichſten Schweſter, verlohren ha- ben. Aber warum bin ich weitlaͤuftig gegen eine ſo Armſelige? ‒ ‒ Warum ſuche ich eine ſo ſchwa- che Gegnerinn in die Enge zu treiben, deren er- ſter Brief nichts als niedrige Bosheit iſt, und deren zweytes Schreiben aus Unwahrheit und Widerſpruch ſo wohl, als aus Haß und ungeſchick- ter Auffuͤhrung zuſammen geſetzet iſt? Jedoch, ich bin willens geweſen, Jhnen ein Theil von meiner Meynung zu eroͤffnen. ‒ ‒ Fordern Sie nur mehr: ſo ſoll es zu Jhren Dienſten ſeyn; von einer Perſon, die zwar Gott danket, daß ſie ſich nicht Jhre Schweſter nennet, allein doch nicht Jhre Feindinn iſt; inzwiſchen aber nur durch zwo Bewegurſachen abgehalten wird, das letztere nicht zu ſeyn; einmal, weil Sie mit einer ſo vortrefflichen Schweſter, ob gleich unwuͤrdiger Weiſe, in Verwandtſchaft ſtehen; hiernaͤchſt, weil Sie nicht betraͤchtlich genug ſind, etwas an- deres zu verdienen, als Mitleiden und Verach- tung von A. H. Der G g 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/475
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 469. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/475>, abgerufen am 25.11.2024.