haben, wässern, seiner pflegen, und ihn lieben, und dieß aus einem recht geistlichen Stolze.
Ein Trost erwächset mir aus dem nicht ge- ringen Leidwesen, das diese bewundernswürdige Fräulein zu bezeugen scheinet, indem sie über den Hochzeitstag der Leute ihre Betrachtungen macht. - - Vormals dachte ich - - So lässest du sie abbrechen.
Vormals dachte sie! Was denn? - - O Belford, warum setzetest du nicht in sie, sich zu erklären, was sie vormals hoffete?
Was ein Frauenzimmer in Liebessachen ein- mal hoffet, das hoffet sie allemal, so lange Raum zur Hoffnung übrig ist. Sind wir nicht beyde ledig? Kann sie einen andern Mann, als mich, haben? Will ich eine andere Frau, als sie, ha- ben?
Niemals will ich! Niemals kann ich! - - Jch sage dir, daß ich täglich, daß ich stündlich verliebter in sie werde; und eben itzo eine weit heftigere Neigung gegen sie fühle, als ich jemals in meinem Leben gefühlet habe; und das mit voll- kommen ehrlichen Absichten, nach ihrem eignen Begriffe von dem Worte. Ja ich habe mich die ganze verwichene Woche über nicht so viel verändert, daß ich es nur einmal anders ge- wünscht hätte. Also ist diese Gesinnung fest bey mir eingewurzelt und mir selbst zur Natur geworden: wie sonst das Leben auf Ehre, oder auf eine großmüthige Zuversicht zu mir, welches ich dem Leben von Zweifel und Mis-
trauen
haben, waͤſſern, ſeiner pflegen, und ihn lieben, und dieß aus einem recht geiſtlichen Stolze.
Ein Troſt erwaͤchſet mir aus dem nicht ge- ringen Leidweſen, das dieſe bewundernswuͤrdige Fraͤulein zu bezeugen ſcheinet, indem ſie uͤber den Hochzeitstag der Leute ihre Betrachtungen macht. ‒ ‒ Vormals dachte ich ‒ ‒ So laͤſſeſt du ſie abbrechen.
Vormals dachte ſie! Was denn? ‒ ‒ O Belford, warum ſetzeteſt du nicht in ſie, ſich zu erklaͤren, was ſie vormals hoffete?
Was ein Frauenzimmer in Liebesſachen ein- mal hoffet, das hoffet ſie allemal, ſo lange Raum zur Hoffnung uͤbrig iſt. Sind wir nicht beyde ledig? Kann ſie einen andern Mann, als mich, haben? Will ich eine andere Frau, als ſie, ha- ben?
Niemals will ich! Niemals kann ich! ‒ ‒ Jch ſage dir, daß ich taͤglich, daß ich ſtuͤndlich verliebter in ſie werde; und eben itzo eine weit heftigere Neigung gegen ſie fuͤhle, als ich jemals in meinem Leben gefuͤhlet habe; und das mit voll- kommen ehrlichen Abſichten, nach ihrem eignen Begriffe von dem Worte. Ja ich habe mich die ganze verwichene Woche uͤber nicht ſo viel veraͤndert, daß ich es nur einmal anders ge- wuͤnſcht haͤtte. Alſo iſt dieſe Geſinnung feſt bey mir eingewurzelt und mir ſelbſt zur Natur geworden: wie ſonſt das Leben auf Ehre, oder auf eine großmuͤthige Zuverſicht zu mir, welches ich dem Leben von Zweifel und Mis-
trauen
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haben, waͤſſern, ſeiner pflegen, und ihn lieben,
und dieß aus einem recht geiſtlichen Stolze.
Ein Troſt erwaͤchſet mir aus dem nicht ge-
ringen Leidweſen, das dieſe bewundernswuͤrdige
Fraͤulein zu bezeugen ſcheinet, indem ſie uͤber den
Hochzeitstag der Leute ihre Betrachtungen macht.
‒ ‒ Vormals dachte ich ‒ ‒ So laͤſſeſt du ſie
abbrechen.
Vormals dachte ſie! Was denn? ‒ ‒ O
Belford, warum ſetzeteſt du nicht in ſie, ſich zu
erklaͤren, was ſie vormals hoffete?
Was ein Frauenzimmer in Liebesſachen ein-
mal hoffet, das hoffet ſie allemal, ſo lange Raum
zur Hoffnung uͤbrig iſt. Sind wir nicht beyde
ledig? Kann ſie einen andern Mann, als mich,
haben? Will ich eine andere Frau, als ſie, ha-
ben?
Niemals will ich! Niemals kann ich! ‒ ‒
Jch ſage dir, daß ich taͤglich, daß ich ſtuͤndlich
verliebter in ſie werde; und eben itzo eine weit
heftigere Neigung gegen ſie fuͤhle, als ich jemals
in meinem Leben gefuͤhlet habe; und das mit voll-
kommen ehrlichen Abſichten, nach ihrem eignen
Begriffe von dem Worte. Ja ich habe mich
die ganze verwichene Woche uͤber nicht ſo viel
veraͤndert, daß ich es nur einmal anders ge-
wuͤnſcht haͤtte. Alſo iſt dieſe Geſinnung feſt
bey mir eingewurzelt und mir ſelbſt zur Natur
geworden: wie ſonſt das Leben auf Ehre,
oder auf eine großmuͤthige Zuverſicht zu mir,
welches ich dem Leben von Zweifel und Mis-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 459. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/465>, abgerufen am 25.11.2024.
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