Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



so versuchet wäre, als sie versuchet ist, und alle
Proben so ausgehalten hätte, wie sie gethan hat
- - Jch muß ihnen sagen, mein Herr, daß ich
niemals noch ein solches Frauenzimmer gesehen,
oder gekannt, oder nur davon gehöret habe, als
die Fräulein Harlowe ist.

Mein Herr, mein Herr, ich bitte sie um
Verzeihung. Es sey ferne von mir, etwas an
der Fräulein auszusetzen. Sie haben nicht ein
Wort von mir gehöret, das so ausgeleget werden
könnte. Jch habe die äußerste Hochachtung für
sie. Fräulein Howe liebt sie, als ihre eigne See-
le: und das würde sie nicht thun, wenn sie nicht
gewiß wüßte, daß sie eben so tugendhaft wäre,
als sie selbst.

Als sie selbst, mein Herr! - - Jch habe
eine hohe Meynung von der Fräulein Howe - -
Aber ich darf wohl sagen - -

Was dürfen sie von der Fräulein Howe sa-
gen, mein Herr? - - Jch hoffe, sie werden sich
nicht unterstehen, etwas zum Nachtheil der Fräu-
lein Howe zu sagen!

Unterstehen, Herr Hickmann! - - Das
ist eine Sprache, wobey man sich zu viel unter-
stehet!

Die Veranlassung dazu, Herr Lovelace, wo
sie mit Vorsatz gegeben ist, ist so beschaffen, daß
man sich dabey zu viel unterstehet, erlauben sie
- - Jch bin nicht der Mann, mein Herr, der
alles übel nimmt - - sonderlich, wo ich als eine
Mittelsperson gebraucht werde. Allein keine

lebendige



ſo verſuchet waͤre, als ſie verſuchet iſt, und alle
Proben ſo ausgehalten haͤtte, wie ſie gethan hat
‒ ‒ Jch muß ihnen ſagen, mein Herr, daß ich
niemals noch ein ſolches Frauenzimmer geſehen,
oder gekannt, oder nur davon gehoͤret habe, als
die Fraͤulein Harlowe iſt.

Mein Herr, mein Herr, ich bitte ſie um
Verzeihung. Es ſey ferne von mir, etwas an
der Fraͤulein auszuſetzen. Sie haben nicht ein
Wort von mir gehoͤret, das ſo ausgeleget werden
koͤnnte. Jch habe die aͤußerſte Hochachtung fuͤr
ſie. Fraͤulein Howe liebt ſie, als ihre eigne See-
le: und das wuͤrde ſie nicht thun, wenn ſie nicht
gewiß wuͤßte, daß ſie eben ſo tugendhaft waͤre,
als ſie ſelbſt.

Als ſie ſelbſt, mein Herr! ‒ ‒ Jch habe
eine hohe Meynung von der Fraͤulein Howe ‒ ‒
Aber ich darf wohl ſagen ‒ ‒

Was duͤrfen ſie von der Fraͤulein Howe ſa-
gen, mein Herr? ‒ ‒ Jch hoffe, ſie werden ſich
nicht unterſtehen, etwas zum Nachtheil der Fraͤu-
lein Howe zu ſagen!

Unterſtehen, Herr Hickmann! ‒ ‒ Das
iſt eine Sprache, wobey man ſich zu viel unter-
ſtehet!

Die Veranlaſſung dazu, Herr Lovelace, wo
ſie mit Vorſatz gegeben iſt, iſt ſo beſchaffen, daß
man ſich dabey zu viel unterſtehet, erlauben ſie
‒ ‒ Jch bin nicht der Mann, mein Herr, der
alles uͤbel nimmt ‒ ‒ ſonderlich, wo ich als eine
Mittelsperſon gebraucht werde. Allein keine

lebendige
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0424" n="418"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
&#x017F;o ver&#x017F;uchet wa&#x0364;re, als &#x017F;ie ver&#x017F;uchet i&#x017F;t, und alle<lb/>
Proben &#x017F;o ausgehalten ha&#x0364;tte, wie &#x017F;ie gethan hat<lb/>
&#x2012; &#x2012; Jch muß ihnen &#x017F;agen, mein Herr, daß ich<lb/>
niemals noch ein &#x017F;olches Frauenzimmer ge&#x017F;ehen,<lb/>
oder gekannt, oder nur davon geho&#x0364;ret habe, als<lb/>
die Fra&#x0364;ulein Harlowe i&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Mein Herr, mein Herr, ich bitte &#x017F;ie um<lb/>
Verzeihung. Es &#x017F;ey ferne von mir, etwas an<lb/>
der Fra&#x0364;ulein auszu&#x017F;etzen. Sie haben nicht ein<lb/>
Wort von mir geho&#x0364;ret, das &#x017F;o ausgeleget werden<lb/>
ko&#x0364;nnte. Jch habe die a&#x0364;ußer&#x017F;te Hochachtung fu&#x0364;r<lb/>
&#x017F;ie. Fra&#x0364;ulein Howe liebt &#x017F;ie, als ihre eigne See-<lb/>
le: und das wu&#x0364;rde &#x017F;ie nicht thun, wenn &#x017F;ie nicht<lb/>
gewiß wu&#x0364;ßte, daß &#x017F;ie eben &#x017F;o tugendhaft wa&#x0364;re,<lb/>
als &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Als &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t,</hi> mein Herr! &#x2012; &#x2012; Jch habe<lb/>
eine hohe Meynung von der Fra&#x0364;ulein Howe &#x2012; &#x2012;<lb/>
Aber ich darf wohl &#x017F;agen &#x2012; &#x2012;</p><lb/>
          <p>Was du&#x0364;rfen &#x017F;ie von der Fra&#x0364;ulein Howe &#x017F;a-<lb/>
gen, mein Herr? &#x2012; &#x2012; Jch hoffe, &#x017F;ie werden &#x017F;ich<lb/>
nicht unter&#x017F;tehen, etwas zum Nachtheil der Fra&#x0364;u-<lb/>
lein Howe zu &#x017F;agen!</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Unter&#x017F;tehen,</hi> Herr Hickmann! &#x2012; &#x2012; Das<lb/>
i&#x017F;t eine Sprache, wobey man &#x017F;ich zu viel <hi rendition="#fr">unter-<lb/>
&#x017F;tehet!</hi></p><lb/>
          <p>Die <hi rendition="#fr">Veranla&#x017F;&#x017F;ung</hi> dazu, Herr Lovelace, wo<lb/>
&#x017F;ie mit Vor&#x017F;atz gegeben i&#x017F;t, i&#x017F;t &#x017F;o be&#x017F;chaffen, daß<lb/>
man &#x017F;ich dabey zu viel <hi rendition="#fr">unter&#x017F;tehet,</hi> erlauben &#x017F;ie<lb/>
&#x2012; &#x2012; Jch bin nicht der Mann, mein Herr, der<lb/>
alles u&#x0364;bel nimmt &#x2012; &#x2012; &#x017F;onderlich, wo ich als eine<lb/>
Mittelsper&#x017F;on gebraucht werde. Allein keine<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">lebendige</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[418/0424] ſo verſuchet waͤre, als ſie verſuchet iſt, und alle Proben ſo ausgehalten haͤtte, wie ſie gethan hat ‒ ‒ Jch muß ihnen ſagen, mein Herr, daß ich niemals noch ein ſolches Frauenzimmer geſehen, oder gekannt, oder nur davon gehoͤret habe, als die Fraͤulein Harlowe iſt. Mein Herr, mein Herr, ich bitte ſie um Verzeihung. Es ſey ferne von mir, etwas an der Fraͤulein auszuſetzen. Sie haben nicht ein Wort von mir gehoͤret, das ſo ausgeleget werden koͤnnte. Jch habe die aͤußerſte Hochachtung fuͤr ſie. Fraͤulein Howe liebt ſie, als ihre eigne See- le: und das wuͤrde ſie nicht thun, wenn ſie nicht gewiß wuͤßte, daß ſie eben ſo tugendhaft waͤre, als ſie ſelbſt. Als ſie ſelbſt, mein Herr! ‒ ‒ Jch habe eine hohe Meynung von der Fraͤulein Howe ‒ ‒ Aber ich darf wohl ſagen ‒ ‒ Was duͤrfen ſie von der Fraͤulein Howe ſa- gen, mein Herr? ‒ ‒ Jch hoffe, ſie werden ſich nicht unterſtehen, etwas zum Nachtheil der Fraͤu- lein Howe zu ſagen! Unterſtehen, Herr Hickmann! ‒ ‒ Das iſt eine Sprache, wobey man ſich zu viel unter- ſtehet! Die Veranlaſſung dazu, Herr Lovelace, wo ſie mit Vorſatz gegeben iſt, iſt ſo beſchaffen, daß man ſich dabey zu viel unterſtehet, erlauben ſie ‒ ‒ Jch bin nicht der Mann, mein Herr, der alles uͤbel nimmt ‒ ‒ ſonderlich, wo ich als eine Mittelsperſon gebraucht werde. Allein keine lebendige

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/424
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 418. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/424>, abgerufen am 23.11.2024.