Er sagte, es würde ihm unmöglich gewesen seyn, wenn er auch kein Arzt gewesen wäre, sich nach der Gesundheit und dem Wohlbefinden ei- ner so vortresflichen Person nicht zu erkundigen. Er wäre nicht willens, sich nur aus Höflichkeit nöthigen zu lassen; wenn er die angebotene Be- zahlung verbäte: sondern er wüßte, daß ihr Zu- stand sich nicht so plötzlich verändern könnte, daß tägliche Besuche nöthig wären. Sie müßte ihm also erlauben, sich unten bey den Frauensleuten nach ihrem Befinden zu erkundigen, und er müßte nicht daran denken, herauf zu kommen: wenn er für das Vergnügen, welches er sich selbst so gern machen wollte, mit Gelde belohnet wer- den sollte.
Es fiel endlich auf einen Vergleich aus, ein anderes mal allezeit eine Bezahlung anzuneh- men. Das ließ sie sich, wiewohl ungern, gefal- len, und vermeldete ihm, daß sie zwar itzo ver- lassen und im Unglück wäre, aber nach Recht und Gesetzen ein großes Vermögen hätte, und keine Ausgaben so hoch auflaufen könnten, daß darüber ein Bedenken entstehen sollte, sie möchte leben oder sterben. Allein sie ließe sich den Ver- gleich gefallen, setzte sie hinzu, in Hoffnung ihn so oft zu sehen, als es ihm seine Zeit erlauben wollte: denn sie hegte gegen ihn und Herrn Goddard, wegen ihres gütigen und zärtlichen Verfahrens mit ihr, eine beynahe kindliche Hoch- achtung.
Jch
Er ſagte, es wuͤrde ihm unmoͤglich geweſen ſeyn, wenn er auch kein Arzt geweſen waͤre, ſich nach der Geſundheit und dem Wohlbefinden ei- ner ſo vortreſflichen Perſon nicht zu erkundigen. Er waͤre nicht willens, ſich nur aus Hoͤflichkeit noͤthigen zu laſſen; wenn er die angebotene Be- zahlung verbaͤte: ſondern er wuͤßte, daß ihr Zu- ſtand ſich nicht ſo ploͤtzlich veraͤndern koͤnnte, daß taͤgliche Beſuche noͤthig waͤren. Sie muͤßte ihm alſo erlauben, ſich unten bey den Frauensleuten nach ihrem Befinden zu erkundigen, und er muͤßte nicht daran denken, herauf zu kommen: wenn er fuͤr das Vergnuͤgen, welches er ſich ſelbſt ſo gern machen wollte, mit Gelde belohnet wer- den ſollte.
Es fiel endlich auf einen Vergleich aus, ein anderes mal allezeit eine Bezahlung anzuneh- men. Das ließ ſie ſich, wiewohl ungern, gefal- len, und vermeldete ihm, daß ſie zwar itzo ver- laſſen und im Ungluͤck waͤre, aber nach Recht und Geſetzen ein großes Vermoͤgen haͤtte, und keine Ausgaben ſo hoch auflaufen koͤnnten, daß daruͤber ein Bedenken entſtehen ſollte, ſie moͤchte leben oder ſterben. Allein ſie ließe ſich den Ver- gleich gefallen, ſetzte ſie hinzu, in Hoffnung ihn ſo oft zu ſehen, als es ihm ſeine Zeit erlauben wollte: denn ſie hegte gegen ihn und Herrn Goddard, wegen ihres guͤtigen und zaͤrtlichen Verfahrens mit ihr, eine beynahe kindliche Hoch- achtung.
Jch
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Er ſagte, es wuͤrde ihm unmoͤglich geweſen
ſeyn, wenn er auch kein Arzt geweſen waͤre, ſich
nach der Geſundheit und dem Wohlbefinden ei-
ner ſo vortreſflichen Perſon nicht zu erkundigen.
Er waͤre nicht willens, ſich nur aus Hoͤflichkeit
noͤthigen zu laſſen; wenn er die angebotene Be-
zahlung verbaͤte: ſondern er wuͤßte, daß ihr Zu-
ſtand ſich nicht ſo ploͤtzlich veraͤndern koͤnnte, daß
taͤgliche Beſuche noͤthig waͤren. Sie muͤßte ihm
alſo erlauben, ſich unten bey den Frauensleuten
nach ihrem Befinden zu erkundigen, und er
muͤßte nicht daran denken, herauf zu kommen:
wenn er fuͤr das Vergnuͤgen, welches er ſich ſelbſt
ſo gern machen wollte, mit Gelde belohnet wer-
den ſollte.
Es fiel endlich auf einen Vergleich aus, ein
anderes mal allezeit eine Bezahlung anzuneh-
men. Das ließ ſie ſich, wiewohl ungern, gefal-
len, und vermeldete ihm, daß ſie zwar itzo ver-
laſſen und im Ungluͤck waͤre, aber nach Recht
und Geſetzen ein großes Vermoͤgen haͤtte, und
keine Ausgaben ſo hoch auflaufen koͤnnten, daß
daruͤber ein Bedenken entſtehen ſollte, ſie moͤchte
leben oder ſterben. Allein ſie ließe ſich den Ver-
gleich gefallen, ſetzte ſie hinzu, in Hoffnung ihn
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Verfahrens mit ihr, eine beynahe kindliche Hoch-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/406>, abgerufen am 24.11.2024.
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