kümmert hat, wer der Gegner seyn möchte! - - Nun vergleicht er sich selbst mit dem veralteten Löwen in der Fabel, welcher, durch die schlagende Fersen eines feigen und verächtlichen Esels, mit zerstoßenem Maul zu Boden geworfen ist.
Jch habe seine Sache übernommen. Er hat mir, jedoch nicht ohne Widerstreben, Erlaubniß gegeben, ihn in den Besitz seines eignen Hauses zu setzen, und für ihn seine unglückliche Schwe- ster, die er bisher geringe geachtet, eben weil sie unglücklich ist, in dasselbe einzuführen. Es ist etwas hartes, sagte er zu mir, und weinte, armer Schelm! indem er es sagte, daß es ihm nicht ge- gönnet seyn kann, in seinem eignen Hause ruhig zu sterben! - - Dieß sind die Früchte von dem beglückten Stande, wenn man eine Maitresse hält.
Ob er gleich erst vor nicht langer Zeit ihre Untreue erfahren hat: so kommt es doch nun her- aus, daß diese schon so lange fortgetrieben ist, daß er keine Ursache hat, die Jungen für sein zu hal- ten. Wie verliebt pflegte er gleichwohl in die- selben zu seyn!
Wo ich euren und unserer Mitgesellen Bey- stand nöthig habe, den armen Kerl wieder einzu- setzen: so will ich euch davon Nachricht geben. Unterdessen ist mir eben itzo erzählt, daß Thoma- sine sich erkläre, nicht aus der Stelle zu weichen: denn es scheint, als wenn sie muthmaßer, man werde Maaßregeln nehmen, sie zu vertreiben. Sie
sey
kuͤmmert hat, wer der Gegner ſeyn moͤchte! ‒ ‒ Nun vergleicht er ſich ſelbſt mit dem veralteten Loͤwen in der Fabel, welcher, durch die ſchlagende Ferſen eines feigen und veraͤchtlichen Eſels, mit zerſtoßenem Maul zu Boden geworfen iſt.
Jch habe ſeine Sache uͤbernommen. Er hat mir, jedoch nicht ohne Widerſtreben, Erlaubniß gegeben, ihn in den Beſitz ſeines eignen Hauſes zu ſetzen, und fuͤr ihn ſeine ungluͤckliche Schwe- ſter, die er bisher geringe geachtet, eben weil ſie ungluͤcklich iſt, in daſſelbe einzufuͤhren. Es iſt etwas hartes, ſagte er zu mir, und weinte, armer Schelm! indem er es ſagte, daß es ihm nicht ge- goͤnnet ſeyn kann, in ſeinem eignen Hauſe ruhig zu ſterben! ‒ ‒ Dieß ſind die Fruͤchte von dem begluͤckten Stande, wenn man eine Maitreſſe haͤlt.
Ob er gleich erſt vor nicht langer Zeit ihre Untreue erfahren hat: ſo kommt es doch nun her- aus, daß dieſe ſchon ſo lange fortgetrieben iſt, daß er keine Urſache hat, die Jungen fuͤr ſein zu hal- ten. Wie verliebt pflegte er gleichwohl in die- ſelben zu ſeyn!
Wo ich euren und unſerer Mitgeſellen Bey- ſtand noͤthig habe, den armen Kerl wieder einzu- ſetzen: ſo will ich euch davon Nachricht geben. Unterdeſſen iſt mir eben itzo erzaͤhlt, daß Thoma- ſine ſich erklaͤre, nicht aus der Stelle zu weichen: denn es ſcheint, als wenn ſie muthmaßer, man werde Maaßregeln nehmen, ſie zu vertreiben. Sie
ſey
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kuͤmmert hat, wer der Gegner ſeyn moͤchte! ‒ ‒
Nun vergleicht er ſich ſelbſt mit dem veralteten
Loͤwen in der Fabel, welcher, durch die ſchlagende
Ferſen eines feigen und veraͤchtlichen Eſels, mit
zerſtoßenem Maul zu Boden geworfen iſt.
Jch habe ſeine Sache uͤbernommen. Er hat
mir, jedoch nicht ohne Widerſtreben, Erlaubniß
gegeben, ihn in den Beſitz ſeines eignen Hauſes
zu ſetzen, und fuͤr ihn ſeine ungluͤckliche Schwe-
ſter, die er bisher geringe geachtet, eben weil ſie
ungluͤcklich iſt, in daſſelbe einzufuͤhren. Es iſt
etwas hartes, ſagte er zu mir, und weinte, armer
Schelm! indem er es ſagte, daß es ihm nicht ge-
goͤnnet ſeyn kann, in ſeinem eignen Hauſe ruhig
zu ſterben! ‒ ‒ Dieß ſind die Fruͤchte von dem
begluͤckten Stande, wenn man eine Maitreſſe
haͤlt.
Ob er gleich erſt vor nicht langer Zeit ihre
Untreue erfahren hat: ſo kommt es doch nun her-
aus, daß dieſe ſchon ſo lange fortgetrieben iſt, daß
er keine Urſache hat, die Jungen fuͤr ſein zu hal-
ten. Wie verliebt pflegte er gleichwohl in die-
ſelben zu ſeyn!
Wo ich euren und unſerer Mitgeſellen Bey-
ſtand noͤthig habe, den armen Kerl wieder einzu-
ſetzen: ſo will ich euch davon Nachricht geben.
Unterdeſſen iſt mir eben itzo erzaͤhlt, daß Thoma-
ſine ſich erklaͤre, nicht aus der Stelle zu weichen:
denn es ſcheint, als wenn ſie muthmaßer, man
werde Maaßregeln nehmen, ſie zu vertreiben. Sie
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/401>, abgerufen am 23.11.2024.
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