spielen, da du der Fräulein meinen Brief zeigetest.
Du fragest: Wer würde denken, daß du ihr nicht die untadelhaftesten Stellen eines Briefes, der zu meiner eignen Vertheidigung an dich ge- schrieben wäre, vorlesen möchtest? - - Jch will dir sagen, wer - - Eben derjenige, welcher in eben dem Briefe, worinn er diese Frage thut, sei- nem Freunde, den er ihrem Unwillen aussetzet, zu verstehen giebt: "daß durch und durch in sei- "nen ernsthaftesten Briefen ein so leichtsinniges "Wesen herrschet, daß diejenigen am wenigsten "bequem sind, gesehen zu werden, welche "ihm am meisten Ehre machen, und andern "eine gute Meynung von ihm beybringen "sollten." Was denkest du nun von deiner Thorheit, die du auf diese Art selbst verdammet hast? Es mag aber seyn, wie es ist: ich rathe dir nur, künftig vorsichtiger zu seyn, damit es bey diesem ungeschickten Fehler allein bleiben möge.
"Es ist ihr eine Quaal an mich zu gedenken! "- - Freydenkerischer Schaum! - - Ein so "verderblicher und verächtlicher Ränkeschmieder! "- - Ein Mensch, dessen Freundschaft keinem "eine gute Meynung bey andern erwerben kann! "- - Ein verhärterer Bösewicht! - - Des "Teufels Ebenbild: - Ein gottloser, gottloser "Mensch!" - - Allein sagte sie dieß alles, konn- te sie, durfte sie dieß alles sagen, oder nur zu verstehen geben? - Und zwar einem Menschen,
den
ſpielen, da du der Fraͤulein meinen Brief zeigeteſt.
Du frageſt: Wer wuͤrde denken, daß du ihr nicht die untadelhafteſten Stellen eines Briefes, der zu meiner eignen Vertheidigung an dich ge- ſchrieben waͤre, vorleſen moͤchteſt? ‒ ‒ Jch will dir ſagen, wer ‒ ‒ Eben derjenige, welcher in eben dem Briefe, worinn er dieſe Frage thut, ſei- nem Freunde, den er ihrem Unwillen ausſetzet, zu verſtehen giebt: „daß durch und durch in ſei- „nen ernſthafteſten Briefen ein ſo leichtſinniges „Weſen herrſchet, daß diejenigen am wenigſten „bequem ſind, geſehen zu werden, welche „ihm am meiſten Ehre machen, und andern „eine gute Meynung von ihm beybringen „ſollten.„ Was denkeſt du nun von deiner Thorheit, die du auf dieſe Art ſelbſt verdammet haſt? Es mag aber ſeyn, wie es iſt: ich rathe dir nur, kuͤnftig vorſichtiger zu ſeyn, damit es bey dieſem ungeſchickten Fehler allein bleiben moͤge.
„Es iſt ihr eine Quaal an mich zu gedenken! „‒ ‒ Freydenkeriſcher Schaum! ‒ ‒ Ein ſo „verderblicher und veraͤchtlicher Raͤnkeſchmieder! „‒ ‒ Ein Menſch, deſſen Freundſchaft keinem „eine gute Meynung bey andern erwerben kann! „‒ ‒ Ein verhaͤrterer Boͤſewicht! ‒ ‒ Des „Teufels Ebenbild: ‒ Ein gottloſer, gottloſer „Menſch!“ ‒ ‒ Allein ſagte ſie dieß alles, konn- te ſie, durfte ſie dieß alles ſagen, oder nur zu verſtehen geben? ‒ Und zwar einem Menſchen,
den
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ſpielen, da du der Fraͤulein meinen Brief
zeigeteſt.
Du frageſt: Wer wuͤrde denken, daß du ihr
nicht die untadelhafteſten Stellen eines Briefes,
der zu meiner eignen Vertheidigung an dich ge-
ſchrieben waͤre, vorleſen moͤchteſt? ‒ ‒ Jch will
dir ſagen, wer ‒ ‒ Eben derjenige, welcher in
eben dem Briefe, worinn er dieſe Frage thut, ſei-
nem Freunde, den er ihrem Unwillen ausſetzet,
zu verſtehen giebt: „daß durch und durch in ſei-
„nen ernſthafteſten Briefen ein ſo leichtſinniges
„Weſen herrſchet, daß diejenigen am wenigſten
„bequem ſind, geſehen zu werden, welche
„ihm am meiſten Ehre machen, und andern
„eine gute Meynung von ihm beybringen
„ſollten.„ Was denkeſt du nun von deiner
Thorheit, die du auf dieſe Art ſelbſt verdammet
haſt? Es mag aber ſeyn, wie es iſt: ich rathe
dir nur, kuͤnftig vorſichtiger zu ſeyn, damit es
bey dieſem ungeſchickten Fehler allein bleiben
moͤge.
„Es iſt ihr eine Quaal an mich zu gedenken!
„‒ ‒ Freydenkeriſcher Schaum! ‒ ‒ Ein ſo
„verderblicher und veraͤchtlicher Raͤnkeſchmieder!
„‒ ‒ Ein Menſch, deſſen Freundſchaft keinem
„eine gute Meynung bey andern erwerben kann!
„‒ ‒ Ein verhaͤrterer Boͤſewicht! ‒ ‒ Des
„Teufels Ebenbild: ‒ Ein gottloſer, gottloſer
„Menſch!“ ‒ ‒ Allein ſagte ſie dieß alles, konn-
te ſie, durfte ſie dieß alles ſagen, oder nur zu
verſtehen geben? ‒ Und zwar einem Menſchen,
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/382>, abgerufen am 24.11.2024.
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