wandten sich zu gut hielten, sie zu tragen; weil ihre Mutter nichts von dem, was ihr zugehöret hätte, vor ihren Augen leiden würde; weil sie das Geld nöthig hätte; und weil sie niemanden Verbindlichkeit haben wollte, da sie noch Sachen bey sich hätte, die sie nicht brauchen könnte. Je- doch vermuthe ich nicht, setzte sie hinzu, daß sie um einen Preiß abgehen werden, der ihrem Werth gemäß ist.
Sie waren beyde sehr bekümmert, wie sie mir gestunden: und fragten mich um Rath. Da auch ihre reiche Kleidung ihnen noch höhere Be- griffe von ihrem Range gemacht hatte, als sie vorher gehabt: so glaubten sie, sie müßte vom vornehmen Stande seyn, und wollten wieder gern ihre Geschichte wissen.
Jch gestand ihnen, daß sie wirklich eine Fräulein von Familie und Vermögen wäre: und gab ihnen noch Raum, sie für verheyrathet zu hal- ten: überließ es aber ihr selbst, ihnen alles zu ih- rer Zeit und auf ihr beliebige Art zu erzählen. Alles, was ich sagen wollte, war dieses, daß ihr sehr schändlich begegnet wäre; daß sie es nicht verdiente; und daß sie die Unschuld und Reinig- keit selbst wäre.
Jhr könnt leicht vermuthen, daß sie beyde die größte Verwunderung an den Tag legten, wie eine Mannsperson in der Welt seyn könnte, die im Stande gewesen wäre, einem so feinen Frauenzimmer übel zu begegnen.
Was
wandten ſich zu gut hielten, ſie zu tragen; weil ihre Mutter nichts von dem, was ihr zugehoͤret haͤtte, vor ihren Augen leiden wuͤrde; weil ſie das Geld noͤthig haͤtte; und weil ſie niemanden Verbindlichkeit haben wollte, da ſie noch Sachen bey ſich haͤtte, die ſie nicht brauchen koͤnnte. Je- doch vermuthe ich nicht, ſetzte ſie hinzu, daß ſie um einen Preiß abgehen werden, der ihrem Werth gemaͤß iſt.
Sie waren beyde ſehr bekuͤmmert, wie ſie mir geſtunden: und fragten mich um Rath. Da auch ihre reiche Kleidung ihnen noch hoͤhere Be- griffe von ihrem Range gemacht hatte, als ſie vorher gehabt: ſo glaubten ſie, ſie muͤßte vom vornehmen Stande ſeyn, und wollten wieder gern ihre Geſchichte wiſſen.
Jch geſtand ihnen, daß ſie wirklich eine Fraͤulein von Familie und Vermoͤgen waͤre: und gab ihnen noch Raum, ſie fuͤr verheyrathet zu hal- ten: uͤberließ es aber ihr ſelbſt, ihnen alles zu ih- rer Zeit und auf ihr beliebige Art zu erzaͤhlen. Alles, was ich ſagen wollte, war dieſes, daß ihr ſehr ſchaͤndlich begegnet waͤre; daß ſie es nicht verdiente; und daß ſie die Unſchuld und Reinig- keit ſelbſt waͤre.
Jhr koͤnnt leicht vermuthen, daß ſie beyde die groͤßte Verwunderung an den Tag legten, wie eine Mannsperſon in der Welt ſeyn koͤnnte, die im Stande geweſen waͤre, einem ſo feinen Frauenzimmer uͤbel zu begegnen.
Was
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wandten ſich zu gut hielten, ſie zu tragen; weil
ihre Mutter nichts von dem, was ihr zugehoͤret
haͤtte, vor ihren Augen leiden wuͤrde; weil ſie
das Geld noͤthig haͤtte; und weil ſie niemanden
Verbindlichkeit haben wollte, da ſie noch Sachen
bey ſich haͤtte, die ſie nicht brauchen koͤnnte. Je-
doch vermuthe ich nicht, ſetzte ſie hinzu, daß ſie
um einen Preiß abgehen werden, der ihrem Werth
gemaͤß iſt.
Sie waren beyde ſehr bekuͤmmert, wie ſie mir
geſtunden: und fragten mich um Rath. Da
auch ihre reiche Kleidung ihnen noch hoͤhere Be-
griffe von ihrem Range gemacht hatte, als ſie
vorher gehabt: ſo glaubten ſie, ſie muͤßte vom
vornehmen Stande ſeyn, und wollten wieder gern
ihre Geſchichte wiſſen.
Jch geſtand ihnen, daß ſie wirklich eine
Fraͤulein von Familie und Vermoͤgen waͤre: und
gab ihnen noch Raum, ſie fuͤr verheyrathet zu hal-
ten: uͤberließ es aber ihr ſelbſt, ihnen alles zu ih-
rer Zeit und auf ihr beliebige Art zu erzaͤhlen.
Alles, was ich ſagen wollte, war dieſes, daß ihr
ſehr ſchaͤndlich begegnet waͤre; daß ſie es nicht
verdiente; und daß ſie die Unſchuld und Reinig-
keit ſelbſt waͤre.
Jhr koͤnnt leicht vermuthen, daß ſie beyde
die groͤßte Verwunderung an den Tag legten,
wie eine Mannsperſon in der Welt ſeyn koͤnnte,
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/380>, abgerufen am 24.11.2024.
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