Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



der sich entschließen konnte, durch so viele Bede-
ckungen durchzubrechen!

Jch meines Theils empfinde immer mehr
und mehr, daß ich mich nicht hätte begnügen
lassen sollen, bloß Vorstellungen gegen deine
niederträchtigen Absichten zu thun und mit dir
darüber zu zanken:
und in der That hatte ich es,
mehr als einmal, im Sinne, wirklich etwas für
sie zu unternehmen. Aber ich elender Mensch!
ich ward durch die Vorstellungen von einer fal-
schen Ehre, wie sie mir mit Recht vorgeworfen
hat, abgehalten: weil du mir selbst freywillig
deine Absichten entdecket hattest. Da sie über
dieß in ein so verfluchtes Haus gebracht war, und
so wohl von dir selbst, als von deinen höllischen
Unterhändlern, so bewachet wurde: so dachte ich
auch, weil ich meinen Mann kannte, daß ich das
Unglück, welches ihr zugedacht war, nur beschleu-
nigen würde. - - Außer dem befand ich dich durch
ihre Tugend mit einer so großen Ehrfurcht ge-
bunden, daß du nicht das Herz hattest, einen Ver-
such auf sie zu wagen, als du sie zuerst dorthin
brachtest: und sie hatte dich mehr als einmal ge-
nöthigt, ob sie gleich deine schändliche Absichten
nicht wußte, dieselben aufzugeben, und dich zu
entschließen, ihr Gerechtigkeit zu thun, und dir
selbst Ehre zu machen. Daher zweifelte ich
kaum, daß ihr Verdienst endlich siegen würde.

Wo du bey deinem Vorsatz bleibest, sie zu
heyrathen: so ist meine Meynung, daß du nichts
bessers thun kannst, als wenn du deine wirkliche

Tan-



der ſich entſchließen konnte, durch ſo viele Bede-
ckungen durchzubrechen!

Jch meines Theils empfinde immer mehr
und mehr, daß ich mich nicht haͤtte begnuͤgen
laſſen ſollen, bloß Vorſtellungen gegen deine
niedertraͤchtigen Abſichten zu thun und mit dir
daruͤber zu zanken:
und in der That hatte ich es,
mehr als einmal, im Sinne, wirklich etwas fuͤr
ſie zu unternehmen. Aber ich elender Menſch!
ich ward durch die Vorſtellungen von einer fal-
ſchen Ehre, wie ſie mir mit Recht vorgeworfen
hat, abgehalten: weil du mir ſelbſt freywillig
deine Abſichten entdecket hatteſt. Da ſie uͤber
dieß in ein ſo verfluchtes Haus gebracht war, und
ſo wohl von dir ſelbſt, als von deinen hoͤlliſchen
Unterhaͤndlern, ſo bewachet wurde: ſo dachte ich
auch, weil ich meinen Mann kannte, daß ich das
Ungluͤck, welches ihr zugedacht war, nur beſchleu-
nigen wuͤrde. ‒ ‒ Außer dem befand ich dich durch
ihre Tugend mit einer ſo großen Ehrfurcht ge-
bunden, daß du nicht das Herz hatteſt, einen Ver-
ſuch auf ſie zu wagen, als du ſie zuerſt dorthin
brachteſt: und ſie hatte dich mehr als einmal ge-
noͤthigt, ob ſie gleich deine ſchaͤndliche Abſichten
nicht wußte, dieſelben aufzugeben, und dich zu
entſchließen, ihr Gerechtigkeit zu thun, und dir
ſelbſt Ehre zu machen. Daher zweifelte ich
kaum, daß ihr Verdienſt endlich ſiegen wuͤrde.

Wo du bey deinem Vorſatz bleibeſt, ſie zu
heyrathen: ſo iſt meine Meynung, daß du nichts
beſſers thun kannſt, als wenn du deine wirkliche

Tan-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0371" n="365"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
der &#x017F;ich ent&#x017F;chließen konnte, durch &#x017F;o viele Bede-<lb/>
ckungen durchzubrechen!</p><lb/>
          <p>Jch meines Theils empfinde immer mehr<lb/>
und mehr, daß ich mich nicht ha&#x0364;tte begnu&#x0364;gen<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ollen, bloß <hi rendition="#fr">Vor&#x017F;tellungen gegen</hi> deine<lb/>
niedertra&#x0364;chtigen Ab&#x017F;ichten zu thun und <hi rendition="#fr">mit dir<lb/>
daru&#x0364;ber zu zanken:</hi> und in der That hatte ich es,<lb/>
mehr als einmal, im Sinne, wirklich etwas fu&#x0364;r<lb/>
&#x017F;ie zu unternehmen. Aber ich elender Men&#x017F;ch!<lb/>
ich ward durch die Vor&#x017F;tellungen von einer fal-<lb/>
&#x017F;chen Ehre, wie &#x017F;ie mir mit Recht vorgeworfen<lb/>
hat, abgehalten: weil du mir &#x017F;elb&#x017F;t <hi rendition="#fr">freywillig</hi><lb/>
deine Ab&#x017F;ichten entdecket hatte&#x017F;t. Da &#x017F;ie u&#x0364;ber<lb/>
dieß in ein &#x017F;o verfluchtes Haus gebracht war, und<lb/>
&#x017F;o wohl von dir &#x017F;elb&#x017F;t, als von deinen ho&#x0364;lli&#x017F;chen<lb/>
Unterha&#x0364;ndlern, &#x017F;o bewachet wurde: &#x017F;o dachte ich<lb/>
auch, weil ich meinen Mann kannte, daß ich das<lb/>
Unglu&#x0364;ck, welches ihr zugedacht war, nur be&#x017F;chleu-<lb/>
nigen wu&#x0364;rde. &#x2012; &#x2012; Außer dem befand ich dich durch<lb/>
ihre Tugend mit einer &#x017F;o großen Ehrfurcht ge-<lb/>
bunden, daß du nicht das Herz hatte&#x017F;t, einen Ver-<lb/>
&#x017F;uch auf &#x017F;ie zu wagen, als du &#x017F;ie <hi rendition="#fr">zuer&#x017F;t</hi> dorthin<lb/>
brachte&#x017F;t: und &#x017F;ie hatte dich mehr als einmal ge-<lb/>
no&#x0364;thigt, ob &#x017F;ie gleich deine &#x017F;cha&#x0364;ndliche Ab&#x017F;ichten<lb/>
nicht wußte, die&#x017F;elben aufzugeben, und dich zu<lb/>
ent&#x017F;chließen, ihr Gerechtigkeit zu thun, und dir<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t Ehre zu machen. Daher zweifelte ich<lb/>
kaum, daß ihr Verdien&#x017F;t endlich &#x017F;iegen wu&#x0364;rde.</p><lb/>
          <p>Wo du bey deinem Vor&#x017F;atz bleibe&#x017F;t, &#x017F;ie zu<lb/>
heyrathen: &#x017F;o i&#x017F;t meine Meynung, daß du nichts<lb/>
be&#x017F;&#x017F;ers thun kann&#x017F;t, als wenn du deine wirkliche<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Tan-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[365/0371] der ſich entſchließen konnte, durch ſo viele Bede- ckungen durchzubrechen! Jch meines Theils empfinde immer mehr und mehr, daß ich mich nicht haͤtte begnuͤgen laſſen ſollen, bloß Vorſtellungen gegen deine niedertraͤchtigen Abſichten zu thun und mit dir daruͤber zu zanken: und in der That hatte ich es, mehr als einmal, im Sinne, wirklich etwas fuͤr ſie zu unternehmen. Aber ich elender Menſch! ich ward durch die Vorſtellungen von einer fal- ſchen Ehre, wie ſie mir mit Recht vorgeworfen hat, abgehalten: weil du mir ſelbſt freywillig deine Abſichten entdecket hatteſt. Da ſie uͤber dieß in ein ſo verfluchtes Haus gebracht war, und ſo wohl von dir ſelbſt, als von deinen hoͤlliſchen Unterhaͤndlern, ſo bewachet wurde: ſo dachte ich auch, weil ich meinen Mann kannte, daß ich das Ungluͤck, welches ihr zugedacht war, nur beſchleu- nigen wuͤrde. ‒ ‒ Außer dem befand ich dich durch ihre Tugend mit einer ſo großen Ehrfurcht ge- bunden, daß du nicht das Herz hatteſt, einen Ver- ſuch auf ſie zu wagen, als du ſie zuerſt dorthin brachteſt: und ſie hatte dich mehr als einmal ge- noͤthigt, ob ſie gleich deine ſchaͤndliche Abſichten nicht wußte, dieſelben aufzugeben, und dich zu entſchließen, ihr Gerechtigkeit zu thun, und dir ſelbſt Ehre zu machen. Daher zweifelte ich kaum, daß ihr Verdienſt endlich ſiegen wuͤrde. Wo du bey deinem Vorſatz bleibeſt, ſie zu heyrathen: ſo iſt meine Meynung, daß du nichts beſſers thun kannſt, als wenn du deine wirkliche Tan-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/371
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/371>, abgerufen am 28.09.2024.