nach der Wahrheit wissen: so müssen sie wis- sen, daß mir höchst unmenschlich begegnet ist, und ich es an dem Menschen, durch dessen Hän- de ich gelitten, nicht verdienet habe.
Jch wüßte genug, war meine Antwort, über- zeugt zu seyn, daß sie nach ihrem Verdienst eine Heilige, und nach ihrer reinen Tugend ein Engel wäre. Jch wollte weiter reden, als sie mich un- terbrach. Keine hochfliegende Schmeicheleyen! Keine ungebührliche Lobsprüche, mein Herr! Jch versuchte für meine Aufrichtigkeit eine Vertheidi- gung zu führen: indem ich das Wort Höflich- keit auf die Bahn brachte; und zwischen dieser, und der Schmeicheley einen Unterschied machen wollte. Allein, nichts, sagte sie, kann höflich seyn, was nicht gerecht und billig ist. Jtzo ha- be ich keine Eitelkeit mehr zu befriedigen: wenn ich sie etwa sonst ja gehabt haben sollte.
Jch lehnte alle Absicht schmeichlerischer Re- den von mir ab. Alles, was ich gesagt hätte, und was ich sagen würde, wäre die Wirkung einer aufrichtigen Ehrerbietung gewesen, und soll- te es ferner seyn. Meines unglücklichen Freun- des Erzählung von ihr hätte ihr ein Recht dar- auf gegeben.
Hierauf erwähnte ich eurer Betrübniß, eurer Buße, eurer Entschließungen, es bey ihr, auf alle euch itzo mögliche Art, wieder gut zu machen: und betheurte auf das feyerlichste eure Unschuld, in Ansehung der letzten schändlichen Beschim- pfung.
Es
nach der Wahrheit wiſſen: ſo muͤſſen ſie wiſ- ſen, daß mir hoͤchſt unmenſchlich begegnet iſt, und ich es an dem Menſchen, durch deſſen Haͤn- de ich gelitten, nicht verdienet habe.
Jch wuͤßte genug, war meine Antwort, uͤber- zeugt zu ſeyn, daß ſie nach ihrem Verdienſt eine Heilige, und nach ihrer reinen Tugend ein Engel waͤre. Jch wollte weiter reden, als ſie mich un- terbrach. Keine hochfliegende Schmeicheleyen! Keine ungebuͤhrliche Lobſpruͤche, mein Herr! Jch verſuchte fuͤr meine Aufrichtigkeit eine Vertheidi- gung zu fuͤhren: indem ich das Wort Hoͤflich- keit auf die Bahn brachte; und zwiſchen dieſer, und der Schmeicheley einen Unterſchied machen wollte. Allein, nichts, ſagte ſie, kann hoͤflich ſeyn, was nicht gerecht und billig iſt. Jtzo ha- be ich keine Eitelkeit mehr zu befriedigen: wenn ich ſie etwa ſonſt ja gehabt haben ſollte.
Jch lehnte alle Abſicht ſchmeichleriſcher Re- den von mir ab. Alles, was ich geſagt haͤtte, und was ich ſagen wuͤrde, waͤre die Wirkung einer aufrichtigen Ehrerbietung geweſen, und ſoll- te es ferner ſeyn. Meines ungluͤcklichen Freun- des Erzaͤhlung von ihr haͤtte ihr ein Recht dar- auf gegeben.
Hierauf erwaͤhnte ich eurer Betruͤbniß, eurer Buße, eurer Entſchließungen, es bey ihr, auf alle euch itzo moͤgliche Art, wieder gut zu machen: und betheurte auf das feyerlichſte eure Unſchuld, in Anſehung der letzten ſchaͤndlichen Beſchim- pfung.
Es
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nach der Wahrheit wiſſen: ſo muͤſſen ſie wiſ-
ſen, daß mir hoͤchſt unmenſchlich begegnet iſt,
und ich es an dem Menſchen, durch deſſen Haͤn-
de ich gelitten, nicht verdienet habe.
Jch wuͤßte genug, war meine Antwort, uͤber-
zeugt zu ſeyn, daß ſie nach ihrem Verdienſt eine
Heilige, und nach ihrer reinen Tugend ein Engel
waͤre. Jch wollte weiter reden, als ſie mich un-
terbrach. Keine hochfliegende Schmeicheleyen!
Keine ungebuͤhrliche Lobſpruͤche, mein Herr! Jch
verſuchte fuͤr meine Aufrichtigkeit eine Vertheidi-
gung zu fuͤhren: indem ich das Wort Hoͤflich-
keit auf die Bahn brachte; und zwiſchen dieſer,
und der Schmeicheley einen Unterſchied machen
wollte. Allein, nichts, ſagte ſie, kann hoͤflich
ſeyn, was nicht gerecht und billig iſt. Jtzo ha-
be ich keine Eitelkeit mehr zu befriedigen: wenn
ich ſie etwa ſonſt ja gehabt haben ſollte.
Jch lehnte alle Abſicht ſchmeichleriſcher Re-
den von mir ab. Alles, was ich geſagt haͤtte,
und was ich ſagen wuͤrde, waͤre die Wirkung
einer aufrichtigen Ehrerbietung geweſen, und ſoll-
te es ferner ſeyn. Meines ungluͤcklichen Freun-
des Erzaͤhlung von ihr haͤtte ihr ein Recht dar-
auf gegeben.
Hierauf erwaͤhnte ich eurer Betruͤbniß, eurer
Buße, eurer Entſchließungen, es bey ihr, auf alle
euch itzo moͤgliche Art, wieder gut zu machen:
und betheurte auf das feyerlichſte eure Unſchuld,
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/358>, abgerufen am 24.11.2024.
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