Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



"wilden und verfallenen Ansehens durch das
"Wort, Schönheit, und meines niedergeschla-
"genen Herzens durch die Worte, übermüthiges
"Gesicht,
zu spotten suchten!

Sarah kam zur Mittagszeit wieder, um zu
sehen, wie sie führe,
und daß sie sich nicht durch
Hunger vom Leben hälfe. Das sagte sie ihr
selbst. Weil sie gern mit ihr etwas schwa-
tzen wollte, fügte sie hinzu: so wollte sie mit ihr
Mittagsmahlzeit halten, wenn sie ihr die Erlaub-
niß gäbe.

Jch kann nicht essen.

Sie müssen versuchen, Fräulein Har-
lowe.

Weil das Essen eben bereit war: so bot sie
der Fräulein ihre Hand, und ersuchte sie hinunter
zu gehen.

Nein: sie wollte keinen Fuß aus ihrer Ge-
fängnißkammer
setzen.

Die hämischen Mienen werden es nicht gut
machen, Fräulein Harlowe: in der That
nicht.

Sie schwieg stille.

Sie werden härtere Begegnung zu erwarten
haben, als sie jemals noch erfahren, das kann ich
ihnen sagen: wo sie sich nicht einiger maßen be-
quemen, die Sachen abzuthun.

Sie schwieg noch stille.

Kommen sie, Fräulein, gehen sie herunter
zum Essen. Jch bitte, thun sie es. Jungfer
Horton ist unten: sie war ja vordem ihr Günstling.

Sie



„wilden und verfallenen Anſehens durch das
„Wort, Schoͤnheit, und meines niedergeſchla-
„genen Herzens durch die Worte, uͤbermuͤthiges
„Geſicht,
zu ſpotten ſuchten!

Sarah kam zur Mittagszeit wieder, um zu
ſehen, wie ſie fuͤhre,
und daß ſie ſich nicht durch
Hunger vom Leben haͤlfe. Das ſagte ſie ihr
ſelbſt. Weil ſie gern mit ihr etwas ſchwa-
tzen wollte, fuͤgte ſie hinzu: ſo wollte ſie mit ihr
Mittagsmahlzeit halten, wenn ſie ihr die Erlaub-
niß gaͤbe.

Jch kann nicht eſſen.

Sie muͤſſen verſuchen, Fraͤulein Har-
lowe.

Weil das Eſſen eben bereit war: ſo bot ſie
der Fraͤulein ihre Hand, und erſuchte ſie hinunter
zu gehen.

Nein: ſie wollte keinen Fuß aus ihrer Ge-
faͤngnißkammer
ſetzen.

Die haͤmiſchen Mienen werden es nicht gut
machen, Fraͤulein Harlowe: in der That
nicht.

Sie ſchwieg ſtille.

Sie werden haͤrtere Begegnung zu erwarten
haben, als ſie jemals noch erfahren, das kann ich
ihnen ſagen: wo ſie ſich nicht einiger maßen be-
quemen, die Sachen abzuthun.

Sie ſchwieg noch ſtille.

Kommen ſie, Fraͤulein, gehen ſie herunter
zum Eſſen. Jch bitte, thun ſie es. Jungfer
Horton iſt unten: ſie war ja vordem ihr Guͤnſtling.

Sie
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0304" n="298"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
&#x201E;wilden und verfallenen An&#x017F;ehens durch das<lb/>
&#x201E;Wort, <hi rendition="#fr">Scho&#x0364;nheit,</hi> und meines niederge&#x017F;chla-<lb/>
&#x201E;genen Herzens durch die Worte, <hi rendition="#fr">u&#x0364;bermu&#x0364;thiges<lb/>
&#x201E;Ge&#x017F;icht,</hi> zu &#x017F;potten &#x017F;uchten!</p><lb/>
          <p>Sarah kam zur Mittagszeit wieder, <hi rendition="#fr">um zu<lb/>
&#x017F;ehen, wie &#x017F;ie fu&#x0364;hre,</hi> und daß &#x017F;ie &#x017F;ich nicht durch<lb/>
Hunger vom Leben ha&#x0364;lfe. Das &#x017F;agte &#x017F;ie ihr<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t. Weil &#x017F;ie gern mit ihr etwas &#x017F;chwa-<lb/>
tzen wollte, fu&#x0364;gte &#x017F;ie hinzu: &#x017F;o wollte &#x017F;ie mit ihr<lb/>
Mittagsmahlzeit halten, wenn &#x017F;ie ihr die Erlaub-<lb/>
niß ga&#x0364;be.</p><lb/>
          <p>Jch kann nicht e&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Sie mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en ver&#x017F;uchen, <hi rendition="#fr">Fra&#x0364;ulein Har-<lb/>
lowe.</hi></p><lb/>
          <p>Weil das E&#x017F;&#x017F;en eben bereit war: &#x017F;o bot &#x017F;ie<lb/>
der Fra&#x0364;ulein ihre Hand, und er&#x017F;uchte &#x017F;ie hinunter<lb/>
zu gehen.</p><lb/>
          <p>Nein: &#x017F;ie wollte keinen Fuß aus ihrer <hi rendition="#fr">Ge-<lb/>
fa&#x0364;ngnißkammer</hi> &#x017F;etzen.</p><lb/>
          <p>Die ha&#x0364;mi&#x017F;chen Mienen werden es nicht gut<lb/>
machen, <hi rendition="#fr">Fra&#x0364;ulein Harlowe:</hi> in der That<lb/>
nicht.</p><lb/>
          <p>Sie &#x017F;chwieg &#x017F;tille.</p><lb/>
          <p>Sie werden ha&#x0364;rtere Begegnung zu erwarten<lb/>
haben, als &#x017F;ie jemals noch erfahren, das kann ich<lb/>
ihnen &#x017F;agen: wo &#x017F;ie &#x017F;ich nicht einiger maßen be-<lb/>
quemen, die Sachen abzuthun.</p><lb/>
          <p>Sie &#x017F;chwieg noch &#x017F;tille.</p><lb/>
          <p>Kommen &#x017F;ie, <hi rendition="#fr">Fra&#x0364;ulein,</hi> gehen &#x017F;ie herunter<lb/>
zum E&#x017F;&#x017F;en. Jch bitte, thun &#x017F;ie es. Jungfer<lb/>
Horton i&#x017F;t unten: &#x017F;ie war ja vordem ihr Gu&#x0364;n&#x017F;tling.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Sie</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[298/0304] „wilden und verfallenen Anſehens durch das „Wort, Schoͤnheit, und meines niedergeſchla- „genen Herzens durch die Worte, uͤbermuͤthiges „Geſicht, zu ſpotten ſuchten! Sarah kam zur Mittagszeit wieder, um zu ſehen, wie ſie fuͤhre, und daß ſie ſich nicht durch Hunger vom Leben haͤlfe. Das ſagte ſie ihr ſelbſt. Weil ſie gern mit ihr etwas ſchwa- tzen wollte, fuͤgte ſie hinzu: ſo wollte ſie mit ihr Mittagsmahlzeit halten, wenn ſie ihr die Erlaub- niß gaͤbe. Jch kann nicht eſſen. Sie muͤſſen verſuchen, Fraͤulein Har- lowe. Weil das Eſſen eben bereit war: ſo bot ſie der Fraͤulein ihre Hand, und erſuchte ſie hinunter zu gehen. Nein: ſie wollte keinen Fuß aus ihrer Ge- faͤngnißkammer ſetzen. Die haͤmiſchen Mienen werden es nicht gut machen, Fraͤulein Harlowe: in der That nicht. Sie ſchwieg ſtille. Sie werden haͤrtere Begegnung zu erwarten haben, als ſie jemals noch erfahren, das kann ich ihnen ſagen: wo ſie ſich nicht einiger maßen be- quemen, die Sachen abzuthun. Sie ſchwieg noch ſtille. Kommen ſie, Fraͤulein, gehen ſie herunter zum Eſſen. Jch bitte, thun ſie es. Jungfer Horton iſt unten: ſie war ja vordem ihr Guͤnſtling. Sie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/304
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/304>, abgerufen am 22.11.2024.