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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

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reden? - - Für meine Zimmer betrügen!
- - Was ist das?

Sie stand bestürzt und schwieg auf einige
Augenblick stille.

Aber sie faßte sich wieder, wandte sich von
ihr zum Fenster, rang ihre Hände. - - Die ver-
fluchte Sarah zeigte mir, wie! - - - und hub
sie in die Höhe. - - Nun, Lovelace! Nun den-
ke ich in der That, daß ich dir hätte vergeben
sollen! - - Aber wer soll Clarissa Harlowen
vergeben! - - O meine Schwester! O mein
Bruder! Gegen dieß waren eure Grausamkei-
ten noch zärtliche Liebesbezeigungen!

Nachdem sie ein wenig inne gehalten hatte;
wobey ihr Schnupftuch die fallenden Thränen in
sich zog: wandte sie sich zu Sarah. Nun ha-
be ich nichts anders zu thun, als mich zufrieden
zu geben. - - Nur dieß will ich sagen, wo diese
ihre Tante, diese Fr. Sinclair, oder dieser Kerl,
dieser Herr Lovelace, zu mir kommt; oder ich in
das scheusliche Haus gebracht werde; denn das,
vermuthe ich, ist die Absicht bey dieser neuen Ge-
waltthätigkeit und Beschimpfung; Gott sey der
armen Clarissa Harlowe gnädig! - - so sehen sie,
was es für Folgen haben wird! - - Sehen sie
zu, ich rathe es ihnen, was es für Folgen haben
wird!

Das schändliche Weibsbild antwortete ihr, es
wäre nicht darauf angesehen, sie gegen ihren Wil-
len irgendwohin zu bringen: aber wenn es wäre,
so würden sie sich in Acht nehmen, sich nicht wie-

der
S 4



reden? ‒ ‒ Fuͤr meine Zimmer betruͤgen!
‒ ‒ Was iſt das?

Sie ſtand beſtuͤrzt und ſchwieg auf einige
Augenblick ſtille.

Aber ſie faßte ſich wieder, wandte ſich von
ihr zum Fenſter, rang ihre Haͤnde. ‒ ‒ Die ver-
fluchte Sarah zeigte mir, wie! ‒ ‒ ‒ und hub
ſie in die Hoͤhe. ‒ ‒ Nun, Lovelace! Nun den-
ke ich in der That, daß ich dir haͤtte vergeben
ſollen! ‒ ‒ Aber wer ſoll Clariſſa Harlowen
vergeben! ‒ ‒ O meine Schweſter! O mein
Bruder! Gegen dieß waren eure Grauſamkei-
ten noch zaͤrtliche Liebesbezeigungen!

Nachdem ſie ein wenig inne gehalten hatte;
wobey ihr Schnupftuch die fallenden Thraͤnen in
ſich zog: wandte ſie ſich zu Sarah. Nun ha-
be ich nichts anders zu thun, als mich zufrieden
zu geben. ‒ ‒ Nur dieß will ich ſagen, wo dieſe
ihre Tante, dieſe Fr. Sinclair, oder dieſer Kerl,
dieſer Herr Lovelace, zu mir kommt; oder ich in
das ſcheusliche Haus gebracht werde; denn das,
vermuthe ich, iſt die Abſicht bey dieſer neuen Ge-
waltthaͤtigkeit und Beſchimpfung; Gott ſey der
armen Clariſſa Harlowe gnaͤdig! ‒ ‒ ſo ſehen ſie,
was es fuͤr Folgen haben wird! ‒ ‒ Sehen ſie
zu, ich rathe es ihnen, was es fuͤr Folgen haben
wird!

Das ſchaͤndliche Weibsbild antwortete ihr, es
waͤre nicht darauf angeſehen, ſie gegen ihren Wil-
len irgendwohin zu bringen: aber wenn es waͤre,
ſo wuͤrden ſie ſich in Acht nehmen, ſich nicht wie-

der
S 4
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[279/0285] reden? ‒ ‒ Fuͤr meine Zimmer betruͤgen! ‒ ‒ Was iſt das? Sie ſtand beſtuͤrzt und ſchwieg auf einige Augenblick ſtille. Aber ſie faßte ſich wieder, wandte ſich von ihr zum Fenſter, rang ihre Haͤnde. ‒ ‒ Die ver- fluchte Sarah zeigte mir, wie! ‒ ‒ ‒ und hub ſie in die Hoͤhe. ‒ ‒ Nun, Lovelace! Nun den- ke ich in der That, daß ich dir haͤtte vergeben ſollen! ‒ ‒ Aber wer ſoll Clariſſa Harlowen vergeben! ‒ ‒ O meine Schweſter! O mein Bruder! Gegen dieß waren eure Grauſamkei- ten noch zaͤrtliche Liebesbezeigungen! Nachdem ſie ein wenig inne gehalten hatte; wobey ihr Schnupftuch die fallenden Thraͤnen in ſich zog: wandte ſie ſich zu Sarah. Nun ha- be ich nichts anders zu thun, als mich zufrieden zu geben. ‒ ‒ Nur dieß will ich ſagen, wo dieſe ihre Tante, dieſe Fr. Sinclair, oder dieſer Kerl, dieſer Herr Lovelace, zu mir kommt; oder ich in das ſcheusliche Haus gebracht werde; denn das, vermuthe ich, iſt die Abſicht bey dieſer neuen Ge- waltthaͤtigkeit und Beſchimpfung; Gott ſey der armen Clariſſa Harlowe gnaͤdig! ‒ ‒ ſo ſehen ſie, was es fuͤr Folgen haben wird! ‒ ‒ Sehen ſie zu, ich rathe es ihnen, was es fuͤr Folgen haben wird! Das ſchaͤndliche Weibsbild antwortete ihr, es waͤre nicht darauf angeſehen, ſie gegen ihren Wil- len irgendwohin zu bringen: aber wenn es waͤre, ſo wuͤrden ſie ſich in Acht nehmen, ſich nicht wie- der S 4

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/285>, abgerufen am 25.11.2024.