wenn ich Jhnen auch nur für Jhre Verweise danken sollte; ob diese gleich aus einem bluten- den Herzen neue Ströhme von Blut gezogen haben.
Meine Geschichte ist erschrecklich. Sie be- greift Umstände, welche Mitleiden erwecken, und vielleicht ein nicht gänzlich ungeneigtes Urtheil für mich zu wege bringen würden, wenn sie bekannt wären. Allein meine Bemühung ist nur, und es soll alle meine Bemühung seyn, daß ich meine Fehler bereue, und sie nicht geringer zu machen trachte.
Jedoch ich will Jhr edles Gemüth nicht zu kränken suchen. Wo ich nicht alleine leiden kann: so will ich so wenige Personen, als mög- lich ist, an meinem Leiden Theil nehmen lassen. Jch ergriff in der That mit diesem Entschlusse auch damals die Feder, als ich den Brief schrieb, der Jhnen in die Hände gefallen ist. Jch woll- te nur wissen, und zwar so wohl aus einer ganz besondern Ursache, als aus uneingeschränkter Lie- be, ob meine werthe Fräulein Howe, von der ich lange Zeit nicht gehört hatte, krank gewesen wä- re, wie man mir gesagt hatte; und, wenn es an dem wäre, wie sie sich nun befände. Weil aber die mir wiederfahrne Beleidigungen noch neu sind, und mein Unglück ausnehmend groß gewe- sen ist: so wollte sich das Selbst, einmal über das andere, haufenweise in meinen Brief hinein- drängen. Das menschliche Gemüth ist im Un- glück geneigt, sich an einen jeden, an dem es ei-
niges
wenn ich Jhnen auch nur fuͤr Jhre Verweiſe danken ſollte; ob dieſe gleich aus einem bluten- den Herzen neue Stroͤhme von Blut gezogen haben.
Meine Geſchichte iſt erſchrecklich. Sie be- greift Umſtaͤnde, welche Mitleiden erwecken, und vielleicht ein nicht gaͤnzlich ungeneigtes Urtheil fuͤr mich zu wege bringen wuͤrden, wenn ſie bekannt waͤren. Allein meine Bemuͤhung iſt nur, und es ſoll alle meine Bemuͤhung ſeyn, daß ich meine Fehler bereue, und ſie nicht geringer zu machen trachte.
Jedoch ich will Jhr edles Gemuͤth nicht zu kraͤnken ſuchen. Wo ich nicht alleine leiden kann: ſo will ich ſo wenige Perſonen, als moͤg- lich iſt, an meinem Leiden Theil nehmen laſſen. Jch ergriff in der That mit dieſem Entſchluſſe auch damals die Feder, als ich den Brief ſchrieb, der Jhnen in die Haͤnde gefallen iſt. Jch woll- te nur wiſſen, und zwar ſo wohl aus einer ganz beſondern Urſache, als aus uneingeſchraͤnkter Lie- be, ob meine werthe Fraͤulein Howe, von der ich lange Zeit nicht gehoͤrt hatte, krank geweſen waͤ- re, wie man mir geſagt hatte; und, wenn es an dem waͤre, wie ſie ſich nun befaͤnde. Weil aber die mir wiederfahrne Beleidigungen noch neu ſind, und mein Ungluͤck ausnehmend groß gewe- ſen iſt: ſo wollte ſich das Selbſt, einmal uͤber das andere, haufenweiſe in meinen Brief hinein- draͤngen. Das menſchliche Gemuͤth iſt im Un- gluͤck geneigt, ſich an einen jeden, an dem es ei-
niges
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wenn ich Jhnen auch nur fuͤr Jhre Verweiſe
danken ſollte; ob dieſe gleich aus einem bluten-
den Herzen neue Stroͤhme von Blut gezogen
haben.
Meine Geſchichte iſt erſchrecklich. Sie be-
greift Umſtaͤnde, welche Mitleiden erwecken, und
vielleicht ein nicht gaͤnzlich ungeneigtes Urtheil fuͤr
mich zu wege bringen wuͤrden, wenn ſie bekannt
waͤren. Allein meine Bemuͤhung iſt nur, und
es ſoll alle meine Bemuͤhung ſeyn, daß ich meine
Fehler bereue, und ſie nicht geringer zu machen
trachte.
Jedoch ich will Jhr edles Gemuͤth nicht zu
kraͤnken ſuchen. Wo ich nicht alleine leiden
kann: ſo will ich ſo wenige Perſonen, als moͤg-
lich iſt, an meinem Leiden Theil nehmen laſſen.
Jch ergriff in der That mit dieſem Entſchluſſe
auch damals die Feder, als ich den Brief ſchrieb,
der Jhnen in die Haͤnde gefallen iſt. Jch woll-
te nur wiſſen, und zwar ſo wohl aus einer ganz
beſondern Urſache, als aus uneingeſchraͤnkter Lie-
be, ob meine werthe Fraͤulein Howe, von der ich
lange Zeit nicht gehoͤrt hatte, krank geweſen waͤ-
re, wie man mir geſagt hatte; und, wenn es
an dem waͤre, wie ſie ſich nun befaͤnde. Weil
aber die mir wiederfahrne Beleidigungen noch neu
ſind, und mein Ungluͤck ausnehmend groß gewe-
ſen iſt: ſo wollte ſich das Selbſt, einmal uͤber
das andere, haufenweiſe in meinen Brief hinein-
draͤngen. Das menſchliche Gemuͤth iſt im Un-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/28>, abgerufen am 27.11.2024.
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