Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



Gesetz vielmehr gemacht, ihnen einen Freybrief
für ihren Stand zu geben, als, ihre wirkliche Be-
schasfenheit zu rechtfertigen.

Darüber forderte er mich auf, mich zu erklä-
ren, mit einem Herr-e, welches so ausgesprochen
wurde, daß es genugsam zeigte, daß er eines der
schimpflichsten Wörter in unserer Sprache im
Sinne hatte.

Leute, denen ihr Stand und ihre Jahre zum
Schutz dienten, versetzte ich, sollten sich nicht sol-
che Freyheiten heraus nehmen, die ein Mensch,
dem das Herz auf der rechten Stelle säße, nicht
anders hingehen lassen könnte, als wenn er im
Stande wäre, denjenigen, der ihn schimpfte, von
ganzem Herzen zu verachten.

Dieß brachte ihn in eine gewaltige Hitze.
Er wollte den Augenblick nach seinem Pritchard
schicken. Pritchard sollte gerufen werden. Er
wollte sein Testament ändern: und alles, was er
mir nehmen könnte, wollte er mir nehmen.

Thun sie es, thun sie es immerhin, mein Lord.
Jch habe mein eignes Vergnügen allezeit höher
geachtet, als ihr Gut. Aber ich werde Prit-
chard wissen lassen, daß, wenn er den Aufsatz
macht, er auch unterzeichnen und siegeln
soll.

Was, was wollte ich Pritcharden thun? - -
fragte er und schüttelte seinen kranken Kopf wi-
der mich.

Was er, oder sonst jemand, mit seiner Feder
schreibt, mir das zu entziehen, was mir, meiner

Mey-
O 2



Geſetz vielmehr gemacht, ihnen einen Freybrief
fuͤr ihren Stand zu geben, als, ihre wirkliche Be-
ſchaſfenheit zu rechtfertigen.

Daruͤber forderte er mich auf, mich zu erklaͤ-
ren, mit einem Herr-e, welches ſo ausgeſprochen
wurde, daß es genugſam zeigte, daß er eines der
ſchimpflichſten Woͤrter in unſerer Sprache im
Sinne hatte.

Leute, denen ihr Stand und ihre Jahre zum
Schutz dienten, verſetzte ich, ſollten ſich nicht ſol-
che Freyheiten heraus nehmen, die ein Menſch,
dem das Herz auf der rechten Stelle ſaͤße, nicht
anders hingehen laſſen koͤnnte, als wenn er im
Stande waͤre, denjenigen, der ihn ſchimpfte, von
ganzem Herzen zu verachten.

Dieß brachte ihn in eine gewaltige Hitze.
Er wollte den Augenblick nach ſeinem Pritchard
ſchicken. Pritchard ſollte gerufen werden. Er
wollte ſein Teſtament aͤndern: und alles, was er
mir nehmen koͤnnte, wollte er mir nehmen.

Thun ſie es, thun ſie es immerhin, mein Lord.
Jch habe mein eignes Vergnuͤgen allezeit hoͤher
geachtet, als ihr Gut. Aber ich werde Prit-
chard wiſſen laſſen, daß, wenn er den Aufſatz
macht, er auch unterzeichnen und ſiegeln
ſoll.

Was, was wollte ich Pritcharden thun? ‒ ‒
fragte er und ſchuͤttelte ſeinen kranken Kopf wi-
der mich.

Was er, oder ſonſt jemand, mit ſeiner Feder
ſchreibt, mir das zu entziehen, was mir, meiner

Mey-
O 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0217" n="211"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Ge&#x017F;etz vielmehr gemacht, ihnen einen Freybrief<lb/>
fu&#x0364;r ihren Stand zu geben, als, ihre wirkliche Be-<lb/>
&#x017F;cha&#x017F;fenheit zu rechtfertigen.</p><lb/>
          <p>Daru&#x0364;ber forderte er mich auf, mich zu erkla&#x0364;-<lb/>
ren, mit einem <hi rendition="#fr">Herr-e,</hi> welches &#x017F;o ausge&#x017F;prochen<lb/>
wurde, daß es genug&#x017F;am zeigte, daß er eines der<lb/>
&#x017F;chimpflich&#x017F;ten Wo&#x0364;rter in un&#x017F;erer Sprache im<lb/>
Sinne hatte.</p><lb/>
          <p>Leute, denen ihr Stand und ihre Jahre zum<lb/>
Schutz dienten, ver&#x017F;etzte ich, &#x017F;ollten &#x017F;ich nicht &#x017F;ol-<lb/>
che Freyheiten heraus nehmen, die ein Men&#x017F;ch,<lb/>
dem das Herz auf der rechten Stelle &#x017F;a&#x0364;ße, nicht<lb/>
anders hingehen la&#x017F;&#x017F;en ko&#x0364;nnte, als wenn er im<lb/>
Stande wa&#x0364;re, denjenigen, der ihn &#x017F;chimpfte, von<lb/>
ganzem Herzen zu verachten.</p><lb/>
          <p>Dieß brachte ihn in eine gewaltige Hitze.<lb/>
Er wollte den Augenblick nach &#x017F;einem Pritchard<lb/>
&#x017F;chicken. Pritchard &#x017F;ollte gerufen werden. Er<lb/>
wollte &#x017F;ein Te&#x017F;tament a&#x0364;ndern: und alles, was er<lb/>
mir nehmen <hi rendition="#fr">ko&#x0364;nnte, wollte</hi> er mir nehmen.</p><lb/>
          <p>Thun &#x017F;ie es, thun &#x017F;ie es immerhin, mein Lord.<lb/>
Jch habe mein eignes Vergnu&#x0364;gen allezeit ho&#x0364;her<lb/>
geachtet, als ihr Gut. Aber ich werde Prit-<lb/>
chard wi&#x017F;&#x017F;en la&#x017F;&#x017F;en, daß, wenn er den Auf&#x017F;atz<lb/>
macht, er auch unterzeichnen und &#x017F;iegeln<lb/>
&#x017F;oll.</p><lb/>
          <p>Was, was wollte ich Pritcharden thun? &#x2012; &#x2012;<lb/>
fragte er und &#x017F;chu&#x0364;ttelte &#x017F;einen kranken Kopf wi-<lb/>
der mich.</p><lb/>
          <p>Was er, oder &#x017F;on&#x017F;t jemand, mit &#x017F;einer Feder<lb/>
&#x017F;chreibt, mir das zu entziehen, was mir, meiner<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">O 2</fw><fw place="bottom" type="catch">Mey-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[211/0217] Geſetz vielmehr gemacht, ihnen einen Freybrief fuͤr ihren Stand zu geben, als, ihre wirkliche Be- ſchaſfenheit zu rechtfertigen. Daruͤber forderte er mich auf, mich zu erklaͤ- ren, mit einem Herr-e, welches ſo ausgeſprochen wurde, daß es genugſam zeigte, daß er eines der ſchimpflichſten Woͤrter in unſerer Sprache im Sinne hatte. Leute, denen ihr Stand und ihre Jahre zum Schutz dienten, verſetzte ich, ſollten ſich nicht ſol- che Freyheiten heraus nehmen, die ein Menſch, dem das Herz auf der rechten Stelle ſaͤße, nicht anders hingehen laſſen koͤnnte, als wenn er im Stande waͤre, denjenigen, der ihn ſchimpfte, von ganzem Herzen zu verachten. Dieß brachte ihn in eine gewaltige Hitze. Er wollte den Augenblick nach ſeinem Pritchard ſchicken. Pritchard ſollte gerufen werden. Er wollte ſein Teſtament aͤndern: und alles, was er mir nehmen koͤnnte, wollte er mir nehmen. Thun ſie es, thun ſie es immerhin, mein Lord. Jch habe mein eignes Vergnuͤgen allezeit hoͤher geachtet, als ihr Gut. Aber ich werde Prit- chard wiſſen laſſen, daß, wenn er den Aufſatz macht, er auch unterzeichnen und ſiegeln ſoll. Was, was wollte ich Pritcharden thun? ‒ ‒ fragte er und ſchuͤttelte ſeinen kranken Kopf wi- der mich. Was er, oder ſonſt jemand, mit ſeiner Feder ſchreibt, mir das zu entziehen, was mir, meiner Mey- O 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/217
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/217>, abgerufen am 25.11.2024.