Sie gesteht in der That, ihr einziger Bewe- gungsgrund zu diesen Fragen sey die Neugierig- keit. Wenn gleich Jhre Gnaden vermuthen möchten, schreibt sie, daß diese Fragen nicht zu meinem Vortheil gereichten: so könne doch die Antwort mir keinen Schaden, noch ihr einigen Vortheil bringen, ohne nur, daß sie erführe, ob ich ihr - - eine verdammte Lügen vorgesagt hätte; dieß heißt es auf gut deutsch, was sie mit ihrer Nachfrage haben will.
Gut, gnädige Frau, sprach ich, mit so vie- ler philosophischen Gleichgültigkeit, als ich nur annehmen konnte: darf ich aber fragen, was Jh- re Gnaden darauf geantwortet haben?
Da ist eine Abschrift von meiner Antwort, versetzte sie, und stieß mir dieselbe mit sehr weni- ger Achtung in die Hand.
Diese Antwort war vom 1ten Jul. sehr gü- tig und höflich gegen die Fräulein, aber gegen ih- ren armen Verwandten nur recht so so - - Daß Leu- te ihr eignes Fleisch und Blut so leicht aufgeben können! - - Sie schreibt ihr "was für eine "größe Ehre sich unsere ganze Familie aus einer "Verbindung mit einer so vortrefflichen Fräulein "machen würde." Sie läßt mir Gerechtigkeit widerfahren, wenn sie meldet, wie sehr ich sie als einen Engel von einem Frauenzimmer anbe- te, und bittet, ich weiß nicht um wie vieler Din- ge willen, außer um meiner Seele willen, "daß "sie so gütig seyn wolle, mich zu einem Man- "ne anzunehmen." Sie antwortet endlich - -
du
Sie geſteht in der That, ihr einziger Bewe- gungsgrund zu dieſen Fragen ſey die Neugierig- keit. Wenn gleich Jhre Gnaden vermuthen moͤchten, ſchreibt ſie, daß dieſe Fragen nicht zu meinem Vortheil gereichten: ſo koͤnne doch die Antwort mir keinen Schaden, noch ihr einigen Vortheil bringen, ohne nur, daß ſie erfuͤhre, ob ich ihr ‒ ‒ eine verdammte Luͤgen vorgeſagt haͤtte; dieß heißt es auf gut deutſch, was ſie mit ihrer Nachfrage haben will.
Gut, gnaͤdige Frau, ſprach ich, mit ſo vie- ler philoſophiſchen Gleichguͤltigkeit, als ich nur annehmen konnte: darf ich aber fragen, was Jh- re Gnaden darauf geantwortet haben?
Da iſt eine Abſchrift von meiner Antwort, verſetzte ſie, und ſtieß mir dieſelbe mit ſehr weni- ger Achtung in die Hand.
Dieſe Antwort war vom 1ten Jul. ſehr guͤ- tig und hoͤflich gegen die Fraͤulein, aber gegen ih- ren armen Verwandten nur recht ſo ſo ‒ ‒ Daß Leu- te ihr eignes Fleiſch und Blut ſo leicht aufgeben koͤnnen! ‒ ‒ Sie ſchreibt ihr „was fuͤr eine „groͤße Ehre ſich unſere ganze Familie aus einer „Verbindung mit einer ſo vortrefflichen Fraͤulein „machen wuͤrde.“ Sie laͤßt mir Gerechtigkeit widerfahren, wenn ſie meldet, wie ſehr ich ſie als einen Engel von einem Frauenzimmer anbe- te, und bittet, ich weiß nicht um wie vieler Din- ge willen, außer um meiner Seele willen, „daß „ſie ſo guͤtig ſeyn wolle, mich zu einem Man- „ne anzunehmen.“ Sie antwortet endlich ‒ ‒
du
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0200"n="194"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Sie geſteht in der That, ihr einziger Bewe-<lb/>
gungsgrund zu dieſen Fragen ſey die Neugierig-<lb/>
keit. Wenn gleich Jhre Gnaden vermuthen<lb/>
moͤchten, ſchreibt ſie, daß dieſe Fragen nicht zu<lb/><hirendition="#fr">meinem Vortheil</hi> gereichten: ſo koͤnne doch die<lb/>
Antwort mir keinen Schaden, noch ihr einigen<lb/>
Vortheil bringen, ohne nur, daß ſie erfuͤhre, ob<lb/>
ich ihr ‒‒ eine verdammte Luͤgen vorgeſagt haͤtte;<lb/>
dieß heißt es auf gut deutſch, was ſie mit ihrer<lb/>
Nachfrage haben will.</p><lb/><p>Gut, gnaͤdige Frau, ſprach ich, mit ſo vie-<lb/>
ler philoſophiſchen Gleichguͤltigkeit, als ich nur<lb/>
annehmen konnte: darf ich aber fragen, was Jh-<lb/>
re Gnaden darauf geantwortet haben?</p><lb/><p>Da iſt eine Abſchrift von meiner Antwort,<lb/>
verſetzte ſie, und ſtieß mir dieſelbe mit ſehr weni-<lb/>
ger Achtung in die Hand.</p><lb/><p>Dieſe Antwort war vom 1ten <hirendition="#fr">Jul.</hi>ſehr guͤ-<lb/>
tig und hoͤflich gegen die Fraͤulein, aber gegen ih-<lb/>
ren armen Verwandten nur recht ſo ſo ‒‒ Daß Leu-<lb/>
te ihr eignes Fleiſch und Blut ſo leicht aufgeben<lb/>
koͤnnen! ‒‒ Sie ſchreibt ihr „was fuͤr eine<lb/>„groͤße Ehre ſich unſere ganze Familie aus einer<lb/>„Verbindung mit einer ſo vortrefflichen Fraͤulein<lb/>„machen wuͤrde.“ Sie laͤßt mir Gerechtigkeit<lb/>
widerfahren, wenn ſie meldet, wie ſehr ich ſie<lb/>
als einen Engel von einem Frauenzimmer anbe-<lb/>
te, und bittet, ich weiß nicht um wie vieler Din-<lb/>
ge willen, außer um meiner Seele willen, „daß<lb/>„ſie ſo guͤtig ſeyn wolle, mich zu einem Man-<lb/>„ne anzunehmen.“ Sie antwortet endlich ‒‒<lb/><fwplace="bottom"type="catch">du</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[194/0200]
Sie geſteht in der That, ihr einziger Bewe-
gungsgrund zu dieſen Fragen ſey die Neugierig-
keit. Wenn gleich Jhre Gnaden vermuthen
moͤchten, ſchreibt ſie, daß dieſe Fragen nicht zu
meinem Vortheil gereichten: ſo koͤnne doch die
Antwort mir keinen Schaden, noch ihr einigen
Vortheil bringen, ohne nur, daß ſie erfuͤhre, ob
ich ihr ‒ ‒ eine verdammte Luͤgen vorgeſagt haͤtte;
dieß heißt es auf gut deutſch, was ſie mit ihrer
Nachfrage haben will.
Gut, gnaͤdige Frau, ſprach ich, mit ſo vie-
ler philoſophiſchen Gleichguͤltigkeit, als ich nur
annehmen konnte: darf ich aber fragen, was Jh-
re Gnaden darauf geantwortet haben?
Da iſt eine Abſchrift von meiner Antwort,
verſetzte ſie, und ſtieß mir dieſelbe mit ſehr weni-
ger Achtung in die Hand.
Dieſe Antwort war vom 1ten Jul. ſehr guͤ-
tig und hoͤflich gegen die Fraͤulein, aber gegen ih-
ren armen Verwandten nur recht ſo ſo ‒ ‒ Daß Leu-
te ihr eignes Fleiſch und Blut ſo leicht aufgeben
koͤnnen! ‒ ‒ Sie ſchreibt ihr „was fuͤr eine
„groͤße Ehre ſich unſere ganze Familie aus einer
„Verbindung mit einer ſo vortrefflichen Fraͤulein
„machen wuͤrde.“ Sie laͤßt mir Gerechtigkeit
widerfahren, wenn ſie meldet, wie ſehr ich ſie
als einen Engel von einem Frauenzimmer anbe-
te, und bittet, ich weiß nicht um wie vieler Din-
ge willen, außer um meiner Seele willen, „daß
„ſie ſo guͤtig ſeyn wolle, mich zu einem Man-
„ne anzunehmen.“ Sie antwortet endlich ‒ ‒
du
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/200>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.